Montag, 1. März 2010

Für die neue Woche 52: Florindo Sassone, Jorge Casals - A la luz del candil

Momentan ist es hier sehr ruhig geworden. Mein Leben ist sehr turbulent. Natürlich denke ich viel über den Tango nach - mir fehlt aber die Zeit, meine Gedanken in Worte zu fassen und dann hier im Blog zur Diskussion zu stellen. Am Samstag habe ich zufällig einen alten Bekannten getroffen und wir haben uns dann spontan auf einen Café in die ersten Sonnenstrahlen des Jahres gesetzt. Wir sprachen über einen Vortrag, den er demnächst halten wird. Es geht um das spannende Thema, ob das Strafrecht ein geeignetes Werkzeug ist, die allgemein bröckelnde Moral wieder zu etablieren (Steuerhinterziehungen, U-Bahn-Prügeleien usw. usw.). Da habe ich ja meine starken Bedenken. Zwei Tangueras kamen vorbei und setzten sich zu uns an den Tisch, da kein anderer Platz frei war. Und so plauderten wir über die Krise, den Tango und es war einfach ruhig und schön.

Im Gespräch kamen wir dann noch auf eine Frage, die mich schon geraume Zeit beschäftigt. Die Damen äußerten, daß sie auf Tänze aus "Pflichtgefühl" keinen Wert legen. Ich bin nun ein Anhänger der These, daß man als Tanguero schon ein wenig schauen muss, wie es beim Tango zugeht und auch ich gestehe, daß ich manchmal Damen einfach nur auffordere, weil sie schon zu lange sitzen. Der Begriff "Pflichtgefühl" stört mich in diesem Kontext. Ich kann natürlich den Standpunkt der Tangueras verstehen. Leider bin ich nicht in der Lage, meinen eigenen alternativen Zugang zu der Frage präzise zu formulieren. Auch die mir liebste Tanguera von allen äußerte in einem anderen Gespräch, daß sie diese Tänze aus "Pflichtgefühl" ebenfalls nicht mag. Hmmm... da muß ich noch ein wenig grübeln. Irgendwann schreibe ich zu diesem Thema ausführlicher.

Technisch habe ich das Problem mit goear.com über einen Umweg gelöst (mehrere embedded audios wurden gleichzeitig beim Laden der Startseite gespielt). Ich "verstecke" diese Dateien hinter einem "read more"-Link. Das gibt mir wieder für einige Zeit Ruhe.

Diese Woche gibt es A la luz del candil in einer Version von Florindo Sassone (Gesang: Jorge Casals). Diesen Tango gibt es auch gleich zweimal von Carlos di Sarli, von Francisco Lomuto und Rodolfo Biagi. Bei goear.com findet man auch noch eine Version von Carlos Gardel.



Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich einen guten Start in die neue Woche.

8 Anmerkung(en):

Theresa hat gesagt…

Ich erlaube mir, auf den äußerst schaurigen Text dieses Tangos aufmerksam zu machen.

Ein Mann kommt zur Polizei und sagt: "Señor Comisario, ich möchte ein Verbrechen melden". Dann erzählt er, wie er seine Freundin mit einem anderen Mann antraf, beide umbrachte und das Herz des Nebenbuhlers zusammen mit ihren Zöpfen in einen Koffer packte. Diesen Koffer bringt er zum Comisario. "Verhaften Sie mich, Señor Comisario, und legen Sie mich in Ketten, denn ich bin ein Verbrecher, Gott helfe mir".

Wenn Muttersprachler anwesend sind, vermeide ich es, dieses Stück aufzulegen (ebenso wie z.B. "Un crimen" oder "Tormenta").

Das Thema des verlassenen Mannes, der wahlweise in Selbstmitleid oder Schuldzuweiseungen versinkt oder eine in seinen Augen nachvollziehbare Gewalttat begeht, ist ein sehr häufiges Thema im Tango.

Theresa

cassiel hat gesagt…

@Theresa

Danke für die Zusammenfassung. Daß es um eine Selbstanzeige nach einem Mord ging hatte ich mitbekommen, die Details nicht.

Werde dieses Stück dann zukünftig auch (wenn überhaupt) vorsichtig auflegen (bislang habe ich es sowieso noch nie aufgelegt).

leo hat gesagt…

zum Thema "aus Pflichtgefühl aufgefordert werden": ich halte das für eine ungute Einstellung. Tatsache ist, daß sehr häufig wesentlich mehr Frauen als Männer da sind. Wie soll man damit umgehen? So wie ich es beobachte, gibt es einige wenige Männer, die immer wieder einen Blick dafür haben, ob Frauen zu lange sitzen, und das finde ich erstmal einfach gut und richtig. Wenn diese nun mit dem Etikett behaftet werden, nur aus Pflichtgefühl aufzufordern, wo soll das dann hinführen?
Meine Erfahrung war immer wieder, daß ein Tanz, der aus Höflichkeit oder Gastfreundschaft begonnen hat, sich zu einer wunderbaren Tanda entwickelt hat. Bevor man sich entscheidet, ob man sich nur aus Pflichtgefühl betanzt fühlt, sollte man sich erstmal darauf einlassen und hinterher urteilen.

cassiel hat gesagt…

Ich hatte da noch in der Mittagspause einen kleinen Gedanken: In anderen Kontexten habe ich schon häufiger von Tangueras gehört, daß drei Tänze mit einem Tanguero "immer gehen" und man deshalb eigentlich eine Aufforderung nie ablehnen sollte.

Ich erinnere mich noch sehr gut an meine ersten Schritte im Tango (meine Güte war ich lausig!) und ich erinnere mich an großherzige Tangueras, die trotzdem mit mir getanzt haben. Auf die achte ich natürlich jetzt ganz besonders.

Vielleicht kann man mit diesem kleinen Gedanken auch die Tangueros verstehen, die auch mal im Raum umherschauen und ausgleichend auffordern...

;-)

Austin hat gesagt…

1.Zur Musik: das ist ein sehr dramatisches Stück. Ich dachte zuerst, das wäre aus einer Oper (Carmen oder so, von der Sprache mal abgesehen). Aber der Text würde mich nicht davon abhalten, es zu spielen, wenn es musikalisch passt.

2. Zum Auffordern: ich finde auch, dass der Tango-Verhaltenskodex grundsätzlich aufforderungs-fördernd verstanden werden sollte. Und mit dem "eine Tanda hält man immer aus" kann frau die schädlichen Nebenwirkungen begrenzen. Jetzt zusätzliche Tabus zu errichten ("Wenn eine Frau länger als 15 Minuten unbetanzt ist, dürfen nur persönlich bekannte Herren sie auffordern") halte ich für der Sache abträglich.

3. Eine mir bekannte Tanguera hat gerade ein anderes Problem: sie ist unglücklich damit, dass ein bestimmter Herr sie beständig und immer wieder auffordert, obwohl das Tanzen mit ihm eine Katastrophe ist und ihr überhaupt keinen Spaß macht und sie alle Mittel der Körpersprache benutzt, um ihn vom Auffordern abzuhalten. Leider ohne Erfolg. Sie befürchtet, als ultima ratio auf den verbalen Korb ausweichen zu müssen. Gab's da nícht mal was zu dem Thema in Deiner Reihe "zum Abgewöhnen"? Ansonsten müsste man vielleicht Udo, den Unvermeidbaren erschaffen.

cassiel hat gesagt…

@Austin

"Udo, der Unvermeidbare" kommt in die Warteschlange, aber vorher ist noch "Kasimir, der Casanova" dran...

;-)

Aurora hat gesagt…

@ cassiel
schon von dir wieder ein paar Worte und Gedankenanregungen zu lesen!
Und ich bin schon gespannt auf Kasimir und Udo!

@ austin und all
Bitte weiterhin Damen die länger als 15 Min. sitzen auffordern! Auch wenn es sich um eine völlig Unbekannte handelt.
Aus Interesse!
Geht es nicht beim Tango auch darum dem Alltag zu entfliehen? Also was soll dann die Begrenzung auf bekannte Tänzerinnen?
Sicher aus Pflichtgefühl tanzen viele mit ihnnen Bekannten, die wenig aufgefordert werden..

Um zurück zum Thema "Pflichtgefühl" zu kommen:
Wo ist die genaue Grenze? Ok, wenn eine Frau verbal auffordert und zu vor niemand mit ihr getanzt hat?
Wenn einen Frau einen langen ansieht- vielleicht schon anstarrt?
Schnelles Wegsehen ist ansich verständlich.
Wenn eine Frau den ganzen Abend schon sitzt und einfach nur sitzt und ein Tanguero bemerkt es... und tanzt nur mit ihr weil sonst niemand mit iher tanzt.
Ok, die Aufforerung mag aus Pflichtgefühl geschehen... aber nach der Aufforderung, ist doch dann nur die Musik und der Partner da, woraus die Begegnung entsprungen ist, worin sie führt, ist doch im Tango völlig nebensächlich!
Und je geringer die Erwartungen, um so leichter sind sie zu erfüllen und zu überbieten.

@austin
Udo -den Unvermeidbaren: Wenn er meinen Prototypen des Unvermeidbaren entspricht: Dann auch verbal, kann auch abgemildert durch entspechende Kopfbewegung sein....

Austin hat gesagt…

Cassiel,

also, wenn Du, sobald es Deine Stimmung hergibt, uns mal Kasimir, den Casanova, vorstellen könntest, ich glaube, das wäre schon was.