Montag, 7. Februar 2011

Für die neue Woche 100: Ricardo Malerba - Corazón de artista

Nach fast zwei Jahren In der Serie "Für die neue Woche" verließ mich in der letzten Zeit häufiger die Inspiration einen neuen Tango auszuwählen. Ich stand vor dem Dilemma, entweder einfach schlechte Stücke lieblos auszuwählen, oder die Serie einzustellen - mindestens jedoch einmal länger zu unterbrechen. Nachdem ich in Kommentaren gebeten worden bin, die Serie weiterzuführen, habe ich mich für einen Urlaub von mir im Rahmen dieser Serie entschieden. Ich werde jetzt zehn Ausgaben Pause machen und Gastautoren aus dem Kreis meiner Leserinnen und Leser werden jeweils einen Tango auswählen und kurz dazu schreiben.
Es ist für mich eine große Ehre und zugleich auch eine außergewöhnliche Freude, daß die Reihe dieser Gastbeiträge von Monika Diaz von Argentango aus Zürich eröffnet wird.


Cassiel hat mich eingeladen für die kommende Woche einen Titel für seine Reihe "Für die neue Woche" auszusuchen. Das freut mich sehr. Und dass es gerade der hundertste ist macht es erst recht spannend :-)
Ich habe mir den Vals Corazón de artista von Ricardo Malerba ausgesucht, komponiert von Pascual De Gully. Mehr Informationen darüber gibt leider nicht mal todotango her, das ändert aber nichts daran dass ich diesen Vals erstens mag und zweitens für sehr geeignet halte musikalisch nicht sehr vorgebildeten Tänzern die Struktur eines Musikstücks mit Wiederholungen und Variationen zu erklären. Hört mal genau hin, ich kenne kein anderes Stück wo das Schema "Melodie " (8 Schläge) mit Wiederholung (8 Schläge) , allenfalls noch die Wiederholung der vorherigen Struktur in anderer Instrumentierung, dann "Variation" (8 Schläge) mit Wiederholung (8 Schläge) derart simpel und trotzdem ungeheuer witzig durchgezogen wird. Jede Wiederholung der Melodie (oder Variation) ist anders, mal übernimmt das Piano mit Spielereien den melodieführenden Part, mal eine zigeunerhaft weinende Geige, mal die Bandoneons, manchmal ist es ein einzelnes Instrument, manchmal eine Gruppe die unisono spielt. Manchmal ist es sehr rhythmisch, fast staccato, manchmal eher legato. Und das Orchester sagt einem am Ende jeder Phrase ganz deutlich ob nun eine Wiederholung kommt, eine Wiederholung in anderer Orchestrierung oder ob eine Variation der Melodie folgen wird. Man muss nur hinhören :-)

Ricardo Malerba (instr.) - eine Aufnahme vom 18. Januar 1943

Direkter Link zum Titel bei goear.com.

Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich einen guten Start in die neue Woche und bei Monika bedanke ich mich herzlich für Ihren Beitrag.

7 Anmerkung(en):

JottWeh hat gesagt…

Liebe Monika, danke für dieses wunderbare Beispiel für einen Vals-Aufbau - da freu ich mich auf mehr! Und lieber Cassiel, zwar wünsche ich dir (und uns natürlich), daß deine Schreibblockade bald vorbei sein möge, aber ich warte auch schon voller Spannung auf das, was deine Gastautoren in den nächsten Wochen präsentieren werden! :-)

Tangosohle hat gesagt…

Ein Vals zum 100., das passt ja hervorragend. Ich lege dieses Stück gerne als Geburtstagsvalse auf, die so schön von dir, Monika, beschriebenen staccati lösen bei mir gerne eine Sektlaune aus.

Und die Schreibblockade, wem sagst du das, Cassiel, ich mache schon lange eine Pause, teils mit schlechtem Gewissen, teils mit Dankbarkeit über regelmäßige Leser, wohlwissend, dass es (für mich) beim Tango nicht ums Schreiben geht. Ab und zu einen Gedanken austauschen, ja, aber ansonsten: Tangueras glücklich machen, das ist doch unsere wirklich schöne Aufgabe.
Ob mit Tänzen, mit DJing, mit Veranstaltungen organisieren, mit Schreiben, mit Unterrichten, mit Musizieren.

chamuyo hat gesagt…

Warum Malerba?? D'Arienzo macht es viel besser!

cassiel hat gesagt…

@chamuyo

Das war Monikas Entscheidung. Ich möchte das sehr bewußt subjektiv halten. Magst Du auch einen Titel vorstellen? Dann schreib mir doch bitte eine eMail. Die Adresse findest Du unten auf der Seite.

Unknown hat gesagt…

@chamuyo
Und warum nicht Adolfo Perez – er hat schon 1935 das Stück aufgenommen?
Ich denke Monika ging es hier um was anderes…

chamuyo hat gesagt…

@sweti: ja, ich glaube auch, es ging ihr eher um Malerba. Ich kann immer noch nicht fassen, dass Leute diese Orchester mögen und gar gerne darauf tanzen. Nur für den Fall, dass es um das Lied ging, wollte ich darauf hinweisen, dass es das auch von anderen gibt...
Bei mir erreicht Malerba mit jeder Tanda, die gespielt wird und der ich mich nicht z.B. durch Rauchen entziehen kann, mehr und mehr die Beliebtheit von Gotan.
Und nein, ich werde keine analytischen Argumente liefern, warum das nicht gut ist, ich finde sie einfach langweilig und mechanisch.

tangopeter hat gesagt…

Erstmal Glückwunsch an Cassiel zum Jubiläum - auch wenn ich hier
eher selten "vorbeilese" - und zu einigen lesenswerten Beiträgen,
die ich unter dem belanglosen Geplauder gefunden habe,
alles in allem der beste Blog hierzulande, den ich kenne.
Bei der Tangomusikauswahl siehts ähnlich aus. ;-)))

Unter den geschätzten 30.000 - 40.000 Aufnahmen der 20er bis 50er
taugen etwa 5 Prozent für eine gute traditionelle Milonga, also 1500 bis 2000 Titel.
Unter diesen suche ich mir als DJ überwiegend die Sahnehits raus, aber:
Sogenannte B-Orchester wie Rodio, Malerba, Buzon, Garcia oder Rotundo
gehören für mich zu diesem Repertoire und haben durchaus ihre
Daseinsberechtigung, solange es Tänzer gibt, die gerne darauf tanzen.
Meine Erfahrung sagt, es gibt sie, auch unter den Profis des Salontango.
Nicht an jedem Ort, nicht jeden Abend, nicht auf jeder Milonga usw.
Es ist nur schwieriger für DJs, aus "B-Seiten" wirklich gute
Tandas zusammenzustellen, ohne bei Leuten wie chamuyo die Reaktion
"Was soll das, das gibt's auch in schön" hervorzurufen und vor allen Dingen
nicht der alten DJ-Krankheit zu verfallen, mit seltenen Versionen angeben zu wollen.
In diesem Fall finde ich die 36er D'Arienzo energetischer als die 43er Malerba,
aber was heisst denn "viel besser"?
Erstens ist das Geschmackssache (für mich persönlich zählt dieser Malerba-Vals
zu den oben erwähnten 5 Prozent) und zweitens kommt es auf den Kontext
einer Milonga an - manchmal passts, manchmal nicht. Das muss der DJ
entscheiden, ob er damit die Tänzer glücklich macht oder nicht.
Sprüche wie: "Ich kann immer noch nicht fassen, dass Leute diese Orchester
mögen und gar gerne darauf tanzen." werden der fachkundigen Rezension
von Monika jedenfalls überhaupt nicht gerecht.
Vielleicht schafft es ja eines Abends ein DJ, chamuyo mit Malerba zum Tanzen zu bewegen?
Wer weiss, zum richtigen Zeitpunkt, es ist draussen vielleicht zu regnerisch zum Rauchen,
die Mehrheit der zufriedenen Tänzer hat mitels des magischen "Flow" die Minorität mitgerissen,
in einer aussergewönlichen Stimmung, mit DER Traumfrau im Arm...
...und dieser Tanda:

La piba de los jazmines
Mi taza de cafe
Remembranzas
Violin

Nein? Immer noch nicht?
Ich kann nicht fassen, dass Leute wie chamuyo...
;-)))