Mittwoch, 14. April 2010

... und zur Abwechslung einmal etwas Abgedrehtes...

Ein Dauerthema in meinen Überlegungen ist u.a. die Frage, inwieweit sich z.B. Bloggen und Tangotanzen gegenseitig beeinflussen, oder anders formuliert: Wieviel Reflexion des eigenen Agierens ist notwendig und wann wird es kontraproduktiv oder gar schädlich.

Neulich kam mir der Gedanke, ob es vielleicht doch kein Zufall ist, daß es im Tango immer wieder Menschen gibt, die ähnliche Vorlieben und Leidenschaften jenseits der Tanzfläche entwickeln. So finde ich beispielsweise in Tangokontexten immer wieder begeisterte Amateurphotographen. Ich denke, das ist nicht zufällig. Richtiges Photographieren ist für mein Empfinden das Warten auf den richtigen Moment und es setzt einen guten Blick für Mitmenschen vorraus.

Ein anderes Thema ist das Kochen. Ich kann hier natürlich nur für meine Hälfte der Bevölkerung sprechen, aber ich bin der Überzeugung, daß Kochen und Tangotanzen auf demselben Gen programmiert sind. Es geht um die Wertschätzung für das sinnlich Erfahrbare; es geht um die Genussfähigkeit.

In diesem Zusammenhang fallen mir dann wieder die Lebensregeln des Dalai Lamas ein. Ich hatte jetzt einen kurzen Moment überlegt, ob ich ihn zitiere... oder ob ich mir einen Querverweis verkneife. Manchmal ist mir der Hype um das geistige Oberhaupt Tibets einfach zu unkritisch. Seine Lebensregeln sind aber einfach und klar und man muß kein Buddhist sein, um diese schätzen zu können. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, daß der Dalai Lama sein Lebensregeln mit dem Rat beendet:

Widme Dich der Liebe und dem Kochen mit wagemutiger Sorglosigkeit.

Übrigens sind auch die anderen Lebensregeln in den Tangokontext zu übertragen, da kommen ganz erstaunliche Erkenntnisse zu Tage.

Und so komme ich wieder zu meiner ursprünglichen Überlegung zurück: Wieviele Gedanken sollte sich der sensible Tanguero um seinen Tango und sein Leben machen und ab wann wird es dann überflüssig und schädlich. So! Und bei allem Nachdenken über den Tango... jetzt muß ich wieder arbeiten. ;-)

18 Anmerkung(en):

sophia hat gesagt…

Wann kochst Du für mich?

Liebe Grüße
Sophia

Anonym hat gesagt…

Mein Tanguero kann nicht kochen, aber er behandelt seine Computer mit unglaublich viel Wertschätzung. "Giltet" das auch, Cassiel?

cassiel hat gesagt…

@elbnymphe

Also ich habe noch nie von Variationen von Frühlingsgemüsen an Intel-Prozessoren gehört... aber ich lebe ja auch in der Provinz.

@sophia

Ich kann nicht kochen; sollten wir uns allerdings jemals kennenlernen geht die erste kleine Pommes beim amerikanischen Edelgastronomen auf mich. :-)))

Raxie hat gesagt…

@Cassiel

wie schamlos! Du könntest nicht kochen???? Ha! Auf welchem Gen ist denn die Ehrlichkeit programmiert?

Ansonsten stimme ich Dir übrigens zu. Ich habe diese Affinität zum gehobenen Kochen auch schon bei einigen exzellenten Tangueros feststellen können.

Bei den Damen scheint mir aber, dass diese Dinge auf unterschiedlichen Genen gepolt sind. Da scheint mir eher das willige Folgen mit dem willigen Probieren fertig vorgesetzter Speisen miteinander gekoppelt zu sein... :-)

affig hat gesagt…

Wieder nur dein üblicher Schwachsinn!

tangosohle hat gesagt…

... ist u.a. die Frage, inwieweit sich z.B. Bloggen und Tangotanzen gegenseitig beeinflussen, ... Wieviel Reflexion des eigenen Agierens ist notwendig und wann wird es kontraproduktiv oder gar schädlich. ...

Eine erste Antwort höre ich immer wieder, nämlich: Das Wesentliche findet auf der Tanzfläche statt.
Ich mache das gerne deutlicher: Geist und Sprache stehen in einem seit ein paar Jahrtausend diskutierten Verhältnis. Meine Überzeugung ist, sie bedingen sich bis zu einem gewissen Punkt gegenseitig, teilweise entwickeln sie sich auch unabhängig voneinander.
Bei Geist und Körper ist es schon etwas komplexer. Was ich mal darüber gelesen habe, war mir zu sehr Geist und zu wenig Körper.

Sprache und Körper sehe ich im Musicaldarsteller (darsteller? heißt das so?) optimal verbunden. Gesang und Tanz möglichst ausgefeilt, verbunden mit Musik. Mir gefällt das durchaus, mich beeindruckt aber in seiner Nachhaltigkeit eher Sprache pur (gerne mit Körperbegleitung) oder Körper pur (gerne mit Sprachbegleitung). Ich verstehe Gesang übrigens als eine besondere Form des Sprechens, daher lasse ich diesen hier einfach weg.

Was ist jetzt mit Geist und Körper, resp. Bloggen und Tangotanzen?
Ich meine, der Körper lernt über den Körper, d.i. Sensorik, Bewegung. Geist und Sprache mögen ein paar Anfangsimpulse geben, letztlich bringt aber nur körperliches den Körper in Bewegung, also auch zum Tanzen.

Meine Antwort auf die Ausgangsfrage lautet also: Bloggen und Tanzen beeinflussen sich m.E. nicht. Die körperliche Reflexion des eigenen Agierens halte ich für fruchtbar, für sie muss aber eine eigene körperliche Sprache erlernt werden. Die geistige Reflexion von Körperlichem halte ich für eloquent und bestenfalls wirkungslos.

Es mag sich als Widerspruch anhören, dass ich mich mit meinem eigenen Blog und z.b. hiesigen Blogbeiträgen auch an der geistigen Reflexion beteilige. Das liegt an meiner Unzulänglichkeit und Widersprüchlichkeit.

Meine Grüße kommen aber gewiss von Herzen.

Unknown hat gesagt…

Ich bin wieder einmal von deinen Ideen und Schlussfolgerungen nicht nur überrascht, sondern auch begeistert, Cassiel.

Ich vertrat öfters der Meinung, dass Fotografie und Tango Einiges gemeinsam haben. Eine der Floskel, die ich bei Tangounterricht verwende ist „…nicht verstehen, sonder spüren…“. Erfahrene Tangotänzer wissen genau, was damit gemeint ist – die emotionale Ebene spielt bei Tango (aber auch bei Tanzen allgemein) eine große Rolle. Man kann Bewegungsabläufe auch mechanisch (motorisch) erlernen. Damit hat man die Fähigkeit erworben sich mit der Musik zu bewegen – Tanzen ist das lange nicht. Man kann relativ leicht erlernen, wie man mit eine (digitale) Kamera umgeht. Dadurch bekommt man (ggf. technisch gute) Fotos auf Papier oder Festplatte – richtige Bilder, die der Betrachter auf der emotionale Ebene ansprechen sind das lange nicht. Und hier schließt sich der Kreis – nicht verstehen wie man gute Bilder macht, sonder einen „Spürsinn“ für Motive, Situationen und Stimmungen entwickeln, darauf kommt es bei Fotografieren an.

Auch folgender Lebensregel kann man sowohl in den Kontext von Tango als auch von Fotografie gut verstehen: „Lerne die Regeln, damit Du weißt, wie Du sie brichst.“

Man kann jetzt noch lange über Parallelen (auf materielle, darstellende und emotionale Ebene) zw. Tango (i.A. Tanzen) und Fotografie diskutieren. Zufällig sind diese Gemeinsamkeiten nicht – beide Tätigkeiten, Tango und Fotografie, beruhen auf kreative Prozesse, die ähnlich ablaufen.

Über Kochen schreibe ich nicht gerne – da krempele ich lieber die Ärmel hoch und mache für meine geliebten Tangueras und Tangueros ein Paar Picadas, eine Flasche argentinischen Rotwein dazu und schon bewegen wir uns nur noch auf die emotionale Ebene :)

Leider konnte ich deine Frage nicht beantworten... "Wieviele Gedanken..." - wie misst man Gedanken? Nach Anzahl, zählen "schwere" Gedanken mehr als "leichte"? Ab wann hat man über Tango viel nachgedacht? Über das Leben nachdenken bedeutet für mich nachdenken über die Gedanken, so eine Art Meta-Gedanken. Es ist für mich schwer... Ich gebe es auf... Ich denke aber, dass das Tanzen meine gesamte Dasein beeinflusst - meine Arbeit, Fotografieren, Kochen, meine Verhalten in der Gesellschaft, meine Verhalten gegenüber mich selbst.

leo hat gesagt…

„Lerne die Regeln, damit Du weißt, wie Du sie brichst.“

dieser Satz gefällt mir. Wer hat das gesagt?

cassiel hat gesagt…

@leo

Der Satz stammt von Tenzin Gyatso, dem 14. Dalai Lama (vielleicht klickst Du einmal den Link im ursprünglichen Beitrag). Der Satz ist so weise, daß man ihm in immer anderen Verkleidungen begegnet.

Aber es gilt auch die umgekehrte Fassung; eine meiner Weisheiten lautet: "Es kann nur der ein aufrechter Demokrat werden, der in seiner Jugend ein flammender Revolutionär gewesen ist!" [Aus diesem Grunde bin ich bei blutjungen Tangueros und Tangueras immer sehr milde und nachsichtig.]

@Blogtroll

Gibt es Dich auch noch? Mir fehlte direkt schon etwas...

@all

Danke für die Anmerkungen!

leo hat gesagt…

@ Cassiel

"[Aus diesem Grunde bin ich bei blutjungen Tangueros und Tangueras immer sehr milde und nachsichtig.]"

Das solltest du näher erklären.
Ich habe bei der jüngeren Generation häufig die Erfahrung gemacht, daß sie oft neugieriger und offener auf die "Tradis" oder Traditionen zugehen als die "Reiferen", die eher mal über die Geschichte hinwegsehen und gleich mit sogenannten neuen Tendenzen anfangen.
Also gab es noch keinen Grund für eine Art von Milde oder Nachsicht.
Und wo finden wir irgendetwas Revolutionäres???

die, die lieber anonym bleiben möchte hat gesagt…

und wieder bin ich ich stumm. Ich weiss nicht, ob ich mich freun oder ärgern soll: wo gibt es nur solche männer? und wie kann ich sie kennenlernen?

weiss eigentlich die liebste tanguera von allen um ihr privileg? da muss ich mich ehrlich bemühn nicht grün vor neid zu werden.

nein es ist keine einfache kost, die du deinen leserInnen vorsetzt! aber die klarheit in deinen gedanken ist wirklich bestechend.

falls das mit der auserwählten nichts wird, dann lass es mich bitte wisssen!

Austin hat gesagt…

Also entweder meine Geisteskraft lässt gerade brutal nach, oder die Beiträge sind ein wenig unklar geschrieben:

@ leo

Was tun jetzt die neueren Tangueros im Vergleich zu den Traditionalisten? Ich habe nicht verstanden, wer auf wen leicht zugeht und neue Tendenzen aufgreift, und wer das nicht tut, und was genau Du gut oder schlecht findest.

@ tangosohle

Bei Dir bin ich nach dem ersten Absatz ausgestiegen. Könntest Du bitte Beispiele bringen? Ich habe das Gefühl, dass Dein Beitrag ein kluger Beitrag ist, aber um sicher zu sein, müsste ich ihn voll verstehen.

Tangosohle hat gesagt…

@ Austin, gerne.
Für der Körper lernt über den Körper habe ich drei Beispiele:

1. In Modern Dance gibt es eine Bewegungstechnik (hat auch einen bestimmten Namen), in der das Erlernen von Krabbeln und Gehen körperlich nachempfunden wird. Da entstehen Bewegungen, die mittels sprachlichem Input nie möglich sind.

2. Im Tango Argentino tauchen seit einiger Zeit Feldenkrais und Alexandertechnik als Lernwege auf. Das sind Methoden, in denen der Körper neu lernt, wie er sich bewegen kann. Das wirkt sich auf das Tanzen lernen viel intensiver aus, als das sprachliche Dirigieren der einzelnen Körperteile (Geh mit deinem rechten Fuß an den linken Fuß der Frau, etc.)

3. In dem Film Tanzträume, gibt es ein paar Szenen, in denen man sieht, wie die Jugendlichen über ihren Körper lernen. Die Tanztrainerinnen und die Choreografin geben nur ab und an sprachliche Impulse.

leo hat gesagt…

@ Austin

Deine Geisteskraft dürfte in Ordnung sein. Meine Aussage war wirklich etwas unklar.
Ich habe mich auf dieses Zitat von Cassiel bezogen:
""Es kann nur der ein aufrechter Demokrat werden, der in seiner Jugend ein flammender Revolutionär gewesen ist!" [Aus diesem Grunde bin ich bei blutjungen Tangueros und Tangueras immer sehr milde und nachsichtig.]"
Ich finde, daß "Revolutionäres" im Tango nicht unbedingt von der sehr jungen Generation ausgeht, sondern mehr von denjenigen, die sich genauso im traditionellen Bereich zuhause fühlen.
Als Beispiel im Tanz sehe ich Chicho Frumboli, der durchaus als einer der wichtigen Neuerer gesehen wird, von dem es aber genug Situationen gibt, in denen er zeigt wie wunderbar er auf ganz traditionelle Weise tanzen kann. Oder in der Musik Astor Piazzolla, der, bevor er "revolutionär" wurde, indem er sich vom Tango als Tanzmusik gelöst hat, ein lange und intensive Phase hatte, in der er in der tanzbaren Musik zuhause war.
Das, was ich vorwiegend bei der sehr jungen Generation erlebe, ist nicht unbedingt Revolutionäres, sondern eine große Neugier für das Traditionelle, und deshalb war mir unklar, wofür da Milde und Nachsichtigkeit nötig ist.
Wo sich bei mir z.B. Kritik regt, ist, wenn als Musik für Milongas Non- und Neotangos verwendet werden, ohne, daß eine wirkliche Auseinandersetzung mit der traditionellen tanzbaren Tangomusik stattgefunden hat. Ein DJ, der sich da gut auskennt, wird einen Tango Nuevo oder Nontango anders aussuchen, verwenden und dosieren, als jemand, der die Epoca de Oro oder die Guardia Vieja nur als altmodisch empfindet, und dieser Musik so aus dem Weg geht. Das finde alles andere als revolutionär - eher ignorant. Und deshalb - um den Kreis zu schliessen - komme ich zu der ursprünglichen Aussage zurück, daß man die Regeln kennen muss, um sie zu brechen.

Leo

cassiel hat gesagt…

@leo

Deine Formulierung zum Unterschied Revolutionäres vs. Ignoranz finde ich sehr treffend.

Mir ging es in meinem letzten Kommentar eher um die jungen Wilden, die sehr expressiv und raumgreifend tanzen. Da habe ich schon einige Male staunen müssen. Wenn diese Tänzer wirklich jung sind, entsteht (zumindest bei mir) ein Gefühl von Nachsicht...

leo hat gesagt…

@ Cassiel

diese raumgreifende Art zu tanzen habe ich eigentlich häufiger bei der mittleren Generation festgestellt als bei den ganz Jungen. Und da happert's bei mir mit der Nachsicht.

Leo

Austin hat gesagt…

@tangosohle

Danke, jetzt verstehe ich das.

@leo

Ich hatte Cassiel auch so verstanden, dass es ihm um junge Milonga-Sünder geht. Du beschreibst hingegen echte Idealisten und Reformer. Mit solchen Kalibern hat man es leider selten zu tun. Eher mit Spurwechslern, Remplern, Skatern (so nenne ich die raumgreifenden Tänzer,wegen ihres dynamischen Seitschrittes) und, ganz verbreitet, die von akuter Grüßlähmung Befallenen. Warum gibt es im Tango eigentlich so viele, die es nicht schaffen, ein Hallo zu erwidern, auch wenn man sich seit Monaten jede Woche über den Weg läuft?

cassiel hat gesagt…

@Austin

Du hast bei Deiner Aufzählung die notorischen Rechtsüberholer vergessen...

:-)))