Freitag, 27. Juni 2014

Cassiels großer Tango-Knigge: 4. Über den Umgang im Tango mit sich selbst

Leseempfehlung vorab, was bisher geschah... in diesem Tango-Knigge:
0. Einleitung - Abgrenzung zu Regeln, zur Etikette und zu den Códigos
1. Über den Umgang mit der aktuellen Tanzpartnerin / dem aktuellen Tanzpartner
2. Über den Umgang mit den Mitmenschen in einer Milonga
3. Über den Umgang mit der Musik, den Texten und der Kultur im Tango


Eigentlich wollte ich ursprünglich diesen Artikel über den Umgang mit sich selbst im Tango auf den unterschiedlichen Strategien, sich konkret in der Milonga zu bewegen, aufbauen. Die beiden - zu vermeidenden - Extreme lassen sich vielleicht so benennen: „Mach' Dich nicht zum Affen!“ und „Sei keine graue Maus!“. Daneben wären vielleicht noch Tipps hilfreich, die die Positionierung zwischen übertriebenem Respekt vor möglichen Tanzpartnern und sorgloser Lässigkeit erleichtern. Bei längerem Überlegen erschiem es mir dann doch unpassend, auf isolierte Situationen einzugehen und ich habe den Weg gewählt, auf die m.E. zugrunde liegenden Prinzipien einzugehen. So ist dieser Text abstrakter geworden, aber ich denke er ist so etwas allgemeingültiger ausgefallen.


„Unser Schlachtfeld liegt nicht außerhalb, sondern innerhalb von uns selbst.“

„Ungeduld und Stolz gehören zu den Haupthindernissen auf dem Pfad.“

„Veränderung ist immer möglich. Wir müssen sie nur wollen und dementsprechend handeln.“

Der 14. Dalai Lama Tendzin Gyatsho (*1935 als Lhamo Döndrub)


Ein möglicher Anfang für diesen Artikel ist die Schilderung eines Gesprächs während der Rückfahrt von einer Milonga im Rahmen einer Tango-Fahrgemeinschaft vor längerer Zeit. Ein mitfahrender Tanguero sprach direkt eine erfahrene Tanguera an und sagte: „XY, Du musst zugeben, ich war der beste Tänzer heute abend.“ Ich saß am Steuer und konnte mich glücklicherweise ganz auf das Fahren konzentrieren - aber ich war sehr gespannt, wie sich denn nun die Angesprochene aus der Situation herausschrauben würde. Nach einigem Zögern und ein paar sehr allgemein gehaltenen Sätzen darüber, dass man niemals von außen einen Tango richtig beurteilen kann, fand sie schließlich die Zauberformel: „Ich weiß nicht, ob Du der beste Tänzer warst, aber wahrscheinlich warst Du der leidenschaftlichste Tänzer“. Mit dieser - in meinen Augen mehrdeutigen - Antwort gab sich der Tanguero zufrieden und mein Fremdschämen war beendet.