Freitag, 28. Juni 2013

Leserzuschrift: Der Tango, der Tod und die Rituale

Ich bin diese Woche beruflich unterwegs und habe deswegen wenig Zeit für das Blog. Glücklicherweise ist auch die laufende Diskussion zum Thema Tango-Knigge eher gemütlich. Heute frühe erreichte mich eine Leserzuschrift mit einer interessanten Frage, die ich hier einmal öffentlich stellen möchte: Wie hält es jede/jeder Einzelne mit Ritualen? In der Leserzuschrift wird das am Beispiel eines Todesfalls diskutiert. Ich stelle hier einfach einmal diesen Meinungsaustausch zur Diskussion.


Hallo Cassiel,

danke zum Kopf hoch, aber damit hab ich keine Probleme. als freier Milonguero der keiner Gruppe angehören will bin ich eh fast immer alleine unterwegs und mache dadurch viele interessante Bekanntschaften [das bezog sich auf einen früheren Meinungsaustausch]. ein aktueller Anlass hier in der Region hat mich auf die Idee gebracht deine Meinung dazu zu erfragen… es geht um Rituale auf einer Milonga, oder wie Tänzer mit Lebensereignissen umgehen bzw. umgehen sollten. im aktuellen Fall ist regionale Persönlichkeit überraschend zu hause gestorben. seine Freunde haben gestern eine Milonga in Weiß als Trauer abgehalten, mit schwarzer Trauerschleife am Körper… etc. heute waren einige damit wieder schon unterwegs…

Freitag, 21. Juni 2013

Cassiels großer Tango-Knigge: 2. Über den Umgang mit den Mitmenschen in einer Milonga

Leseempfehlung vorab, was bisher geschah... in diesem Tango-Knigge:
0. Einleitung - Abgrenzung zu Regeln, zur Etikette und zu den Códigos
1. Über den Umgang mit der aktuellen Tanzpartnerin / dem aktuellen Tanzpartner


Zuerst die innere Haltung, dann die äußere Form!
Es ist wie beim Malen, wo man die weißen Lichter zuletzt aufsetzt.
Konfuzius (551 v. Chr. - 479 v. Chr.)

Weshalb ich diese konfuzianische Weisheit vorangestellt habe? Ich möchte dem Missverständnis vorbeugen, ich wäre nun brennend an starren Regeln im Tango Argentino interessiert. Um es noch einmal klar zu sagen: Wenn jede/jeder im Tango mit der "richtigen" inneren Einstellung im Tango unterwegs ist, dann brauchen wir eigentlich keine Regeln. Nun ist der Begriff richtige innere Einstellung extrem unscharf und den vielfältigsten persönlichen Deutungen unterworfen, deshalb werde ich - so wie im letzten Teil - von generellen Prinzipien ausgehend, die Regeln anders begründen.

Ähnlich wie in vorausgegangenen Überlegungen zum Umgang mit der aktuellen Tanzpartnerin, dem aktuellen Tanzpartner, geht es in diesem Teil noch einmal um den Begriff der Reziprozität. Im Paar ist es vergleichsweise einfach, oder formaler ausgedrückt, man interagiert im Rahmen der echten bzw. direkten Reziprozität. In der Milonga mit all den vielfältig unterschiedlichen Menschen wird es nun ein wenig abstrakter oder genereller, man spricht von der generalisierten Reziprozität, d. h. Geben und Nehmen findet nun nicht mehr auf der eins-zu-eins-Ebene statt, sondern wird in einen größeren Kontext gestellt. Das wird vielleicht in einem kleinen motivierenden Beispiel deutlicher: Jede und jeder war im Tango einmal Anfängerin bzw. Anfänger und hat vielleicht einmal von der Großzügigkeit einer/eines Fortgeschrittenen profitiert. Im späteren Tangoleben ergibt sich häufig genug die Gelegenheit, dieses Darlehen zurückzuzahlen und ebenfalls eine Anfängerin, einen Anfänger profitieren zu lassen. Diesem Beispiel könnte man ohne große Mühen viele weitere konkrete Beispiele hinzufügen.

Dienstag, 4. Juni 2013

Cassiels großer Tango-Knigge: 1. Über den Umgang mit der aktuellen Tanzpartnerin / dem aktuellen Tanzpartner

Leseempfehlung vorab - Die Einleitung zu diesem Tango-Knigge:
0. Einleitung - Abgrenzung zu Regeln, zur Etikette und zu den Códigos



Was du nicht willst, was man dir tut, das füg’ auch keinem anderen zu.

(Die Goldene Regel von Oma und Opa)

Die Milonga ist im Regelfall ein soziales Tanzereignis (oder sollte es zumindest sein :-) ). Es ist daher nicht weiter verwunderlich, daß alle Regeln dieser Zusammenkunft auf das soziologische Kernprinzip der Reziprozität des Handelns - oder einfacher ausgedrückt: Auf den oben zitierten Kernsatz, den wir vermutlich alle von Oma und Opa gehört haben, zururückgeführt werden können.

Man könnte Bücher schreiben und würde vermutlich nicht fertig. Die Regeln im direkten Umgang mit einer Tanzpartnerin, einem Tanzpartner sind vielfältig und doch sind es immer nur Spezialfälle vom generellen Umgang mit einem Mitmenschen. Betrachten wir also die typischen Ratschläge einer Tango-Etikette angefangen bei der persönlichen Hygiene bis hin zu den Spezialfällen (z. B. „Du sollst nicht Deinen Tanzpartner vor Publikum in der Milonga unterrichten.“) und wir werden immer wieder zum Kernprinzip der Reziprozität zurückkommen. Insofern ist es eigentlich sehr einfach, sich in der Milonga zu bewegen.