Deutschland hat 80 Millionen Bundestrainer
Ein Gedanke aus einem Zeitungskommentar anlässlich der Fußball-WM 2014
Bei einer Milonga im Rahmen eines Encuentros sind gerne einmal 100 DJs anwesend
Eine Übertragung des oben erwähnten Gedankens in den Tango (von mir)
Ein Gedanke aus einem Zeitungskommentar anlässlich der Fußball-WM 2014
Bei einer Milonga im Rahmen eines Encuentros sind gerne einmal 100 DJs anwesend
Eine Übertragung des oben erwähnten Gedankens in den Tango (von mir)
Neulich bei einem Encuentro… in den Gesprächen am Rande der Tanzfläche habe ich es wieder einmal deutlich mitbekommen: Die Diskussion um die DJs im Tango lief unaufhaltsam ihrem Höhepunkt entgegen. Und ich gestehe es offen: Auch ich habe fast immer eine klare Wahrnehmung und eine dezidierte Meinung zu der Leistung des/der aktuellen DJs. Ich befinde mich allerdings im Lernprozess, diese Meinung nicht ständig ungefiltert zu äußern (das gelingt mir mal besser und ab und zu nicht so gut - wenn ein DJ meine Schmerzgrenzen überschreitet, dann kann ich immer noch sehr deutlich werden).
Die Erwartungen des Publikums sind natürlich bei einem Encuentro sehr hoch. Jede Teilnehmerin, jeder Teilnehmer hat verhältnismäßig viel Geld gezahlt um dabei zu sein. Neben den inzwischen substantiellen Teilnahmeentgeldern kommen da noch Reise- und Übernachtungskosten hinzu. Für so ein Wochenende sind das schnell 300 bis 500 Euro pro Person. Bei 150 Teilnehmern und beispielsweise 5 Milongas trägt ein DJ für ca. 12.000 Euro gezahltes Geld der Anwesenden die Verantwortung (durchschnittlich 400 Euro * 150 Personen / 5 Milongas). Ich bin mir nicht immer sicher, ob sich der Mensch hinter dem Mischpult dieses Umstandes bewusst ist und entsprechend sorgfältig agiert.
Der aufmerksame Zuhörer kann in solchen Situationen eine bunte Auswahl an Äußerungen mitbekommen. Von langweilig, konservativ über solide oder ordentlich bis zu zustimmenden Wertungen wie etwa sensibel oder gar genial ist so ziemlich alles zu hören. Und der Umstand, dass bei Encuentros schätzungsweise mindestens die Hälfte des Besucher selbst Erfahrungen als DJ gesammelt hat, macht es nicht einfacher.
Nach meinen Beobachtungen kristallisiert sich allerdings meist ein einhelliges Bild heraus. Wenn ein DJ Schwächen hat, dann finden sich diese Schwächen im Durchschnitt der geäußerten Meinungen wieder (sicherlich gibt es da immer Ausreißer - der Durchschnitt trifft allerdings nach meinen Beobachtungen die Situation ganz gut). Gleiches gilt natürlich auch im Bezug auf herausragende Leistungen eines DJs.
Nach meinen Erfahrungen lässt sich die performance eines DJs in verschiedenen Teilaspekten „würdigen“. Ganz grob kann man zunächst über die Auswahl der Interpreten für die jeweiligen Tandas berechtigterweise debattieren. Verfeinert man diese Überlegungen, dann kann man selbstverständlich auch über die Zusammensetzung der einzelnen Tandas nachdenken. Als drittes Feld ist sicherlich die technische Umsetzung zu nennen. In allen drei Disziplinen sollte ein DJ überzeugen können.
Im Optimalfall macht sich bei den ersten Takten einer neuen Tanda auf der Tanzfläche die Überzeugung breit: „Genau! Diese Tanda passt jetzt hier hin.“ Wenn ein DJ das Repertoire nur gemäß seiner eigenen Vorlieben betrachtet, dann kann es beispielsweise passieren, dass er (oder sie) ganze Teile des Repertoires vernachlässigt. Ich habe bereits einige Male erlebt, dass DJs die 40er Jahre komplett ausgeblendet haben. Da wurden die 30er Jahre sehr intensiv dargeboten um dann irgendwann umstandslos in die späten 50er zu springen. Ich persönlich halte das für sehr bedauerlich (um nicht „ärgerlich“ schreiben zu müssen). Ähnlich verhält es sich, wenn ein DJ z.B. treibt. Damit ist ein Verharren in einer Energie gemeint. Konkret: Wenn ein DJ eine Tanda mit Titeln von Juan d'Arienzo mit zwei Tandas der Interpreten Rodolfo Biagi und Edgardo Donato umrahmt, dann wird höchstwahrscheinlich Langeweile aufkommen (weil es immer sehr energetische Musik ist). Andererseits können auch zwei oder drei dramatische Tandas aus den späten 50ern dieses Gefühl der Langeweile erzeugen. In dieser Frage ist es DJs allerdings sehr leicht möglich mit etwas Erfahrung eine Selbstkontrolle zu etablieren. Wenn man bei der Auswahl der nächsten Tanda darauf achtet, ob und ggf. wie oft dieser Interpret schon in der aktuellen Milonga zu hören war und wenn man sich bemüht, die „wichtigen“ Interpreten angemessen zu spielen, dann muss man nur kurz die Nachbarschaft der zu planenden Tanda prüfen um derartige Missverhältnisse vermeiden zu können.
Bei dem Blick auf die Feinstruktur innerhalb einer Tanda lauert für DJs die Gefahr, dass man die (möglicherweise sehr spezielle) eigene Wahrnahmung der Tanzbarkeit verallgemeinert. Ich habe Milongas erlebt, in denen zu vorgerückter Stunde der Anteil der Sitzenden stetig größer wurde. Ratlosigkeit hatte sich breit gemacht. Mir geht es ja auch so. Wenn ich ein paar Tandas getanzt habe, bei denen einzelne Titel komplett neben meiner Auffassung von passend oder tanzbar liegen, dann bleibe ich lieber sitzen und höre zu (bevor ich Gefahr laufe, eine Tanzpartnerin zu langweilen, weil mir die Musik nichts sagt). Die konkreten Ursachen können vielfältig sein; ich will hier ein paar Standardsituationen aufzählen. Da wären zunächst die eher ungewöhnlichen gemischten Tandas. In einer Tanda das Orquesta Típica Portena mit dem Orquesta Típica Victor zu mischen, halte ich für vertretbar, wählt der DJ dazu einen Einspeilung mit Carlos Gardel aus, werde ich unsicher. Ich kann nur von mir berichten, aber ich komme dann regelmäßig in Stress und in der Folge werde ich vorsichtiger, weitere Tandas zu tanzen. Es muss aber nicht immer die bunte Mischung von Interpreten sein. Manchmal reicht es schon aus, instrumentale und vokale Titel eines Orchesters zu mischen oder eine Tanda wie einen Gemischtwarenladen zu konzipieren. Wenn ich beispielsweise eine Tanda von Carlos di Sarli mit vier verschiedenen Sängern höre, frage ich mich, warum das sein muss. Es gibt wahrlich keine Not bei der Auswahl von Titeln mit einem Sänger. Wo liegt also der Grund, verschiedene Sänger in einer Tanda zu mischen? Eine mögliche Erklärung fiel mir neulich ein: Das akademische oder erzwungen andere Auflegen. Der oder die DJ möchte -möglicherweise unbewusst- die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. (Ich weiß, mit derartigen Gedanken mache ich mir sicherlich keine Freunde, aber vielleicht sollte ich dazu etwas ausführlicher schreiben).
Gerade bei den sog. „professionellen“ DJs oder den Menschen im Tango, die in das „Profilager“ wechseln wollen ergibt sich für mein Empfinden häufiger ein Problem. Wie stellt man es an, sich aus der Masse der DJs abzusetzen? Da habe ich schon sehr kreative Ansätze erleben können. Eine Möglichkeit habe ich bereits erwähnt: Das eigenwillige Auflegen. Als DJ mit zu wenig Beachtung greift man zu diesem Trick und versucht so die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das kann in Einzelfällen dazu führen, dass der Dj sogar bewusst Szenenapplaus provoziert.
Andere Strategien liegen dann außerhalb der Milonga. Ein sehr intensives online-Engagement -gerade in sozialen Medien- kann möglicherweise auch als Strategie gewählt werden. Hat man erst einmal ein paar tausend Likes bei Facebook verteilt, dann werden Veranstalter schon aufmerksam. Auch regelmäßige Kurz-Posts -meist nur ein Link auf ein YouTubeVideo- können in diesem Sinne hilfreich sein. Das ist ja durchaus legitim, aber der oder die DJ sollte natürlich dann in der Milonga auch halten können, was er oder sie vorab online „versprochen“ hat.
Ich bin in dieser Frage schlicht altmodisch: Meiner Meinung nach verträgt sich ein sesibles DJing nicht mit (übertriebener) Eigenwerbung. Meine diesbezüglichen bisherigen Erfahrungen stützen meine These. DJs, die zu viel Wert auf das Eigenmarketing legen, stehen leider fast zwangsläufig in der Gefahr, wesentliche Aspekte ihrer konkreten Aufgabe in der Milonga zu übersehen.
Andererseits muss ich natürlich auch erwähnen, dass es unterschiedliche Auffassungen vom DJing gibt. Ich mag es eher ruhiger und konzentriert (und einige andere Menschen in meinem Bekanntenkreis ebenso). Es gibt allerdings auch Menschen im Tango, denen eine solche Haltung zu schwer ist. Sie suchen vielleicht eher das Happening und nicht so sehr den sensiblen und möglicherweise etwas verhaltenen Tango. Diese Gedanken kamen mir jedenfalls bei der Betrachtung einiger Videos von größeren Tango-Veranstaltungen. Selbstverständlich begrüße ich es, dass es solche Veranstaltungen gibt - auch wenn das nicht gerade der Tango ist, den ich momentan suche. Und so steht in einem gewissen Maße auch der Veranstalter mit seiner Persönlichkeit für den Charakter eines Tango-Wochenendes. Ich denke, das kann man schon sehr gut abschätzen.
Der dritte Punkt für mögliche Fallen ist die Technik. Ich habe es in diesem Blog an verschiedenen Stellen bereits ausgeführt: Technik ist kein Selbstzweck; Technik dient immer den Tänzerinnen und Tänzern für entspanntes Tanzen. Natürlich ist es eine besondere Herausforderung, neben dem Stress der „richtigen“ Musikwahl auch auf die Qualität (und Lautstärke!) der Wiedergabe zu achten. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass es mir natürlich auch schon passiert ist, dass sich Menschen bei mir über zu leise / zu laute Musik beschwert haben (tendenziell spiele ich eher zu leise). Dann schließt sich unmittelbar die Frage an, wie geht man als DJ mit einer solchen Beschwerde um? Nimmt man sie ernst und überprüft zum wiederholten Male seine Einstellungen oder ignoriert man die Beschwerde. Nun ist die Wiedergabelautstärke ein Punkt an dem man relativ leicht in der Milonga korrigieren kann. Komplizierter wird es in der Frage der verwendeten Hard- und Software und bei den Daten. Da ist i.d.R. eine spontane Nachjustierung in der Milonga unmöglich. Auch in dieser Frage muss ich gestehen, dass ich da (über die Jahre gewachsene) sehr hohe Ansprüche habe, die nicht unbedingt von jeder/jedem geteilt werden. Was also darf man von einem/einer DJ konkret erwarten? Ist es zulässig, vorauszusetzen, dass er oder sie weiß, wie die eigenen Titel in der Milonga klingen (das ist nämlich ein erheblicher Unterschied zu dem Eindruck der daheim bei der hoffentlich stattfindenden Vorbereitung entsteht). Darf man erwarten, dass sich vorab Gedanken über den Wandler gemacht wurden? Ist es mittlerweile Allgemeingut, dass mp3s aus Qualitätsgründen in der Milonga nicht gespielt werden können? Hat sich der oder die DJ bereits prinzipielle Gedanken zum Umgang mit der Musik gemacht? Mir wurde berichtet, dass beispielsweise in einem DJ-Workshop der Referent ernsthaft die Meinung vertreten hat, einen nicht ganz passenden Titel mittels einer Veränderung der Geschwindigkeit „passend zu machen“. Da gehen bei mir sämtliche Warnlampen an - ich halte einen derartigen Umgang mit der Musik für höchst überflüssig und brandgefährlich - oder um meine Meinung da noch deutlicher (oder in diesem Fall auch wertender) zu schreiben: So etwas ist in meinen Augen ein schwerer Fehler beim DJing.
Um zum Schluss diese Beitrages noch einmal zu den einleitenden Zitaten zurückzukommen: Es ist m.E. verständlich, dass anwesende DJs (gerade bei Encuentros) die Leistung des DJs hinterfragen. Andererseits müssen sich aber auch die hartnäckigen Kritiker die Frage gefallen lassen, ob nicht auch eine ordentliche Portion Neid mitspielt. Und wer bestimmt eigentlich, dass Veranstalter die DJs für ein Encuentro ausschließlich nach (kaum endgültig objektivierbaren) Qualitätskriterien aussuchen? Denkbar könnte es beispielsweise sein, dass ein Veranstalter gerne mehr Gäste aus … sagen wir einmal … Grönland haben möchte. Also wird er vermutlich einen DJ aus Grönland für den Abend verpflichten. Es kann aber auch sein, dass der Veranstalter einen DJ verpflichtet, der bei einem anderen Encuentro aufgelegt hat und derartige Kriterien bei der Auswahl höher ansetzt als die „Qualität“ des DJs. Mit diesen Phänomenen müssen wir alle im Tango leben; schließlich sind wir anderen Kontexten unseres Lebens mit ähnlichen Phänomenen konfrontiert: Niemand will den unbekannten Max Mustermann (so gut er auch immer sein mag), wenn ein Erleben eines Stars auch möglich ist. Was also bleibt den Tänzerinnen und Tänzern? Ich denke, man sollte die Veranstaltungen, die man besuchen möchte, kritischer im Bezug auf die DJs aussuchen. Es gibt sehr viele unbekannte hervorragende DJs (selbstverständlich gibt es auch unbekannte DJs die zu Recht unbekannt sind) und es gibt natürlich auch DJs unter den aktuellen „Stars“, die von Encuentro zu Encuentro gereicht werden, deren performance kritisch hinterfragt werden muss (und auch hier gilt: Es gibt natürlich auch sehr gute DJs unter den „Stars“). Djs bekommen in der Regel zwei oder drei Chancen, während dieser Termine müssen sie einer Gruppe von Tänzerinnen und Tänzern beweisen, dass sie auflegen können. Danach wird es sehr schwierig.
Mit solchen Gedanken setze ich mich natürlich wieder einmal virtuell zwischen alle Stühle. Es kann sein, dass sich so manche oder so mancher DJ ungerecht gesehen fühlt. Ähnlich mag es im Bezug auf diese Fragen so manchem Veranstalter ergehen. Ich möchte mit diesem Artikel eine Diskussion anstoßen und freue mich auf andere Ansichten und Meinungen in Kommentaren. Und bevor nun alle Beteiligten in dem Spiel ungehalten sind - ich vermute, dass ich einer der wenigen bin, der diese Frage einmal unter Pseudonym stellen kann. Als (virtuelle) Bloggerpersönlichkeit nehme ich am Wettbewerb der DJs um die pestigeträchtigsten Gigs nicht teil und als reale Person bin ich zu viel zu unbedeutend. Es geht weder um Lobhudelei für einzelne DJs, noch um einen virtuellen Pranger für DJs, die in ihrer Leistung zu hinterfragen sind.
Abschließend möchte ich an dieser Stelle noch einmal auf den wunderbaren Fragebogen für das Einschätzen der Leistung eines DJs bei MsHedgehog hinweisen. Ich halte diese Aufstellung von einfach zu beantwortenden Fragen immer noch für eine gute Orientierungsmöglichkeit bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage nach der Leistung des bzw. der DJ.
Anmerkung: Eine regelmäßige Leserin machte mich neulich darauf aufmerksam, dass die manchmal aufzufindende weibliche Form „DJane“ möglicherweise diskriminierend sein kann - in dem Sinne: „Ich Tarzan, Du Jane”. So hatte ich das überhaupt noch nicht gesehen. Da ich aber die geschlechtsneutrale Verwendung des Begriffs DJ für Männer und Frauen gleichermaßen passend finde, habe ich meinen bisherigen Sprachgebrauch geändert. Wenn ich also zukünftig nur den Begriff „DJ“ verwende, dann meine ich damit sowohl Männer als auch Frauen hinter den Reglern. :-)
35 Anmerkung(en):
Ich finde Ausreisser in der Musik spannend. Oft genug hört man das erste Stück einer Tanda schon kennt man die anderen folgenden Stücke, immer gleiche Abfolgen. Tango ist Improvisisation, dazu gehört auch reagieren auf Ungewohntes. Mal gelesen das ein alter Milonguero sagte "heutzutage tanzen alle dasselbe", gleiches für gilt für die Musik. Deswegen lass des DJ Schwäche schwäche sein und zieht ihm keine Uniform über.
Gruesse Bert
.. die unterschiedliche Wahrnehmung der Qualität eines DJ-Sets überrascht mich immer wieder. Entweder, wenn ich selbst ganz begeistert vom Set des TJs bin und dann andere herum maulen höre, oder wenn ich die präsentierte Musik gar nicht schätze, aber die Tanzfläche voll ist. Allen gerecht zu werden ist schlechterdings unmöglich. Es ziemt sich, den anderen nicht mit Genörgel die gute Laune zu verderben und zu akzeptieren, dass jeder seinen eigenen Weg hinter sich und vor sich hat. Das persönliche Musikverständnis modifiziert sich ja auch im Laufe der Zeit.
Zur inneren Struktur einer Tanda: Es gibt das Format der "Tanda des Ases" in dem verschiedene Sänger, manchmal sogar verschiedene Orchester vereint werden. Das kann schiefgehen, aber der, der weiß, was er tut, kann das auch in Ausnahmefällen mal tun. Denn wer die Form beherrscht, darf mit ihr spielen. Sich allzu strikt auf Regeln zu berufen, die keineswegs so alt und sakrosankt sind, wie dann behauptet, könnte auch zu einer Kleingeisterei verleiten, die die Form über den Inhalt stellt. Einen Tanzabend musikalisch zu gestalten, ist zwar zu einem guten Teil Handwerk, das sein Rüstzeug braucht, kann aber auch (wie bei Spitzenköchen)von kreativem Esprit und feinem Fingerspitzengefühl bei der Kombination der Zutaten profitieren.
In der Zeit der Liveorchester traten teilweise mehrere Sänger unter dem selben Orchesterleiter auf und lösen sich ab. Aufnahmen desselben Orchesters von einem Tag mit unterschiedlichen Sängern sind auffindbar.
In den sechziger und siebziger Jahren wurde oft ein ellenlanger Tangoblock ohne Cortinas durchgespielt. Wenn der fertig war, sollten die Tänzer am Besten alle halb verdurstet nach Getränken lechzen. Im nächsten Set gab es dann vielleicht eine halbe Stunde Rock'n Roll. (berichtet Juan D. Lange in "Tango Global")
"Teilnahmeentgeldern " gibt es nicht.
siehe: http://www.duden.de/rechtschreibung/Entgelt
Innerhalb der Tangoszene, selbst innerhalb der enger gefassten traditionellen Szene bilden sich immer mehr voneinander getrennte Gruppen, die einen eigenen Geschmack entwickeln. Das erklärt teilweise die sehr unterschiedliche Wahrnehmung einzelner DJ-Stile, von "das einzig gute an dem ganzen Wochenende" bis hin zu "das allerschlimmste am ganzen Wochenende". Meiner Meinung nach sollten DJ in der eigenen Hausszene spielen was sie wollen, sie sind dort nur ihren Stammgästen verantwortlich, aber wenn sie auf einem größeren Event mit Gästen aus ganz Europa spielen, sollen sie möglichst nahe am Mittelfeld bleiben. Wenn nicht klar ist wo das Mittelfeld ist und wer Anspruch darauf hat dieses zu definieren, sollen sie halt 1 Monat in Buenos Aires verbringen und alle Milongas besuchen. Das ist der einzige Standard, auf den man sich einigen kann, auch wenn man nicht unbedingt alles übernehmen muss (z.B. Soundqualität und Lautstärke).
Die Leistung eines DJ zu analysieren ist m.E. für das Publikum irrelevant. Das ist eine Diskussion für Insider. Als Tänzer ist es legitim und ausreichend zu sagen "es hat mir gefallen" oder " es war furchtbar". So wie bei Reich-Ranicki das höchste Urteil "es hat mich unterhalten" war. Alles weitere ist Rationalisieren des Grundgefühls, das beim Hören oder Tanzen entstanden ist.
Eine Aussage wie "er hat instrumental und Gesang vermischt" oder "es waren mal wieder nur unbekannte alte Schätzchen dabei" ist nur eine Rationalisierung des Gefühls "Die Tanda hat nicht funktioniert und hat mich genervt". Es geht nicht um die Verletzung einer nicht geschriebenen Regel an sich, sondern um eine Erklärung für "Fachleute" warum etwas nicht gut klappt.
Möchte hier nur einen Aspekt noch einmal bestätigen/hervorheben:
Ganz entscheidend ist, ob der DJ in erster Linie fürs Publikum oder zu seiner Selbstdarstellung auflegt. Damit sind dann die Weichen gestellt.
Danach folgt dann natürlich noch eine Menge musikalischer und technischer Bemühung.
Und Verständnis für den Tango der Epoca de oro. Auch, wenn man dann seinen sehr eigenen musikalischen (und tänzerischen) Wege gehen will.
Nun müssen wir den Kessel Buntes, den der Autor uns hier zusammengemixt und präsentiert hat, mal säuberlich trennen.
Ziemlich klar ist: Cassiel hat kürzlich ein Encuentro besucht und war mit der Darbietung mindestens eines DJs, möglicherweise mit der aller, nicht zufrieden.
Er hat „verhältnismäßig viel Geld“ in die Hand genommen, „um dabei zu sein“. Hat ein
„substantielles“ Teilnahmeentgelt zu zahlen gehabt (was, bitte, soll das exakt sein? Teilnahmeentgelt –okay, aber substantielles??), zuzüglich Reise- und Hotelkosten.
Und nun möchte er, dass er ordentlich was bekommt für sein Geld. Die DJs sind gleichsam die Verwalter des von den Encuentro-Gästen eingesetzten Kapitals – auf dass sie es ummünzen in eine von den Gästen akzeptierte Leistung. Damit sie etwas bekommen für ihr Geld, eine anständige Gegenleistung. Wer zu laut spielt, wer nicht konsensfähige Tandas anbietet, wer abseitige Cortinas spielt, der versiebt demnach das geld der Gäste. Natürlich steckt auch hier, wie an manchen Stellen des gesamten Textes, ein substanzieller Konstruktionsfehler: Der Auftraggeber der DJs ist der Veranstalter. Er wäre, in der Logik dieser verqueren Denke, derjenige, der für das Kapital der Gäste verantwortlich ist. Ein Encuentro ist aber doch keine Vollkasko-Veranstaltung, die jedem Teilnehmer den maximalen Spaß fürs Geld zusichern und gewährleisten kann oder will. Cassiel hat seine Motivation für den Kapitaleinsatz ja eingangs glasklar formuliert: Er wollte „dabei sein“. Nun sollte er aber nicht hergehen und DJs in die moralische Haftung dafür nehmen, dass sie nicht nach seinem Geschmack aufgelegt haben, indem er ihnen vorrechnet, was er investiert hat für den Trip.
Das Schöne an dem Text von Cassiel ist, dass er sich an verschiedenen Stellen selbst demaskiert. Kommt er vordergründig daher, um uns angeblich die Wirkung des DJ-Wirkens auf die Piste zu erklären, schreibt er, die Teilaspekte der DJ-performance „würdigen“ zu wollen. In aller Unverblümtheit setzt er die Vokabel würdigen in Anführungszeichen. Er will sie also keineswegs würdigen, er will, und da bleibt er sich im Folgenden ja durchaus treu, die DJs abrüffeln, ihnen zeigen, was er durchschaut/weiß/kann/will. Das ist beckmesserisch.
Dass es Moden gibt, bei Tango-DJs ebenso wie überall im menschlichen Kontext, ist überhaupt nicht verwerflich. Kein Tango-DJ muss sich dafür schämen, in Mode zu sein, kein Organisator sich dafür rechtfertigen, einen DJ zu engagieren, der gerade tatsächlich oder vermeintlich up to date ist. Hier versucht der Autor, offenbar ja selbst DJ, der allem Anschein nach unter einer gewissen Nichtbeachtung leidet, eine Neiddebatte zu entfachen, die keinem hilft. Mit „notwendiger Kritik“ hat dieser Blogbeitrag nichts zu tun. Es ist das Zeugnis eines Kritikasters, der verzweifelt nach Beachtung und Bedeutung strebt.
Jawolll so geht das Orion. Jetzt hast Du es dem Bloger mal so richtig gezeigt. Früher hätte man einen Jugendlichen der sich so aufführt ungestraft noch Rotzlöffel nennen dürfen heute ist das nicht mehr politisch korrekt. Dem durchaus ausgewogenen Ausgangstext begegnest du sehr aggressiv und feindselig. Hat Cassiel da vielleicht den Nerv getroffen? Bist Du DJ oder Veranstalter? Warum schreibst du dann nicht deinen Namen darunter? Ich finde es unanständig. Der Ausgangstext war nicht für die Kuschelgruppe geschrieben aber ich kann herauslesen was sich Cassiel gedacht hat ..... obwohl ich noch nie bei einem Enquentro war.
Halbwegs objektivierbar ist bei diesem Thema doch eigentlich nur die TECHNIK. Und hier kann ich Defizite allenfalls z. T. dem DJ in die Schuhe schieben. Der Veranstalter trägt da ein eine große Mitverantwortung. Als Tänzer möchte ich überall auf der Tanzfläche die Musik gut hören können. In einer Lautstärke, welche die sonstigen Raumgeräusche dominiert. Was die Klangqualität anlangt: Bei Edo-Tango hört man Schellacks! Vor 50 bis 80 Jahren aufgenommen! Das hat Charme, aber eben auch nichts mit unserer heutigen Aufnahme- und Wiedergabetechnik zu tun. MP3 oder nicht macht da denn Klang-Kohl auch nicht fett!
So, und der Rest ist Geschmackssache! Da hat chamuyo völlig recht: Es gefällt mir mehr, weniger oder gar nicht. Selbst in der kleinen Encuentro-Sekte, die ich nach den Beschreibungen in diesem Blog als sehr homogen gemutmaßt habe, gehen die Geschmäcker, wie Cassiel ja darlegt, offenbar weit auseinander.
Wie ich eine Milonga am Ende des Abends bewerte, hängt von so vielen Faktoren ab: Wie war ich allgemein und tänzerisch so drauf, mit wem habe ich getanzt, wie war die Stimmung, haben meine Schuhe gedrückt, wie war die Luft, die Location, gab es gute Getränke und und und... Der DJ ist EIN Rädchen in diesem Uhrwerk namens Milonga. Und die einzelnen Rädchen beeinflussen sich gegenseitig! Was kann ich da dem armen DJ fairerweise allein zurechnen? Mal ehrlich?!
Auch ganz ehrlich, aber nicht weitersagen: Wenn mir die Milonga nicht gefallen hat, gebe ich dem DJ die Schuld. Arme Sau, armer Sündenbock!
Sehe hier gerade die Diskussion und freue mich über die Beiträge. Darf ich noch einmal meine periodisch vorgetragene Bitte nach sorgsamen Umgang mit den Mitmenschen wiederholen? Ich gehe jetzt zum Tango. Vielleicht schreibe ich morgen noch einmal.
Ich wünsche allseits einen schönen Abend.
Hallo Cassiel,
interessant Dein Artikel - und regt zum Denken und zum Widerspruch an, weil ich das Gefühl bekomme, einiges wird überbewertet, anderes nicht wahrgenommen.
Mal einige Gedanken dazu:
1.) Technik und "MP3-Verbot": Es ist noch nicht sehr lange her, da tauchte - wie aus dem Nichts - eine Sammlung von MP3s von Raphael Canaro auf. Ich habe bis heute auch mit viel Mühe keine besseren Aufnahmen finden können. Trotzdem waren bei sehr vielen Milongas die Stücke zu hören - mit Erfolg. Ein DJ hat sogar extra das Wort ergriffen vor der Tanda und erklärt, daß es nicht der Francisco, sondern der Bruder sei. Ich finde die Stücke richtig toll und bereichernd für eine Milonga. Ich frage mich, ist es wirklich soooo wichtig, daß bei Aufnahmen, die ohnehin nicht in heutiger Studioqualität eingespielt wurden, derart auf die Wiedergabequalität Wert gelegt wird? Ich persönlich finde es schöner, wenn ein DJ Musik der EdO in guter Zusammenstellung spielt, als wenn jemand moderne Orchester in astreiner CD-Qualität spielt.
2.) Die "Performance" scheint ja eine gewisse Rolle zu spielen. Es gibt einige angesagte DJs, die hinter ihrem Pult auch eine gewisse Show abziehen. Manchmal empfinde ich das unangenehm. Einmal habe ich einen als aus BsAs angekündigten DJ erlebt, der lautstark jede Tanda angekündigt hat, als sei er norddeutscher Marktschreier. Die Tandas selbst fand ich großartig - aber diese Intermezzos katastrophal - sogar Dieter Bohlen hätte das einfühlsamer gemacht. Es gibt einen sehr bekannten (und teuren) DJ, der regelmäßg durch die Musik in Ektase zu geraten und manchmal dem Orgasmus nahe zu sein scheint :-) Das scheinen viele zu schätzen. Schließlich kenne ich einen, der einfach eine grandiose Ausstrahlung hat, nicht aufdringlich, aber immer in kleinen Gesten und verbalen Beiträgen. Manche sind auch einfach zurückhaltend und man sieht ihnen die Faszination für den Tango ganz einfach an den Augen an. Bei wieder anderen merkt man sehr deutlich, daß sie eigentlich überhaupt keine Lust haben und gute Miene zum ungeliebten Spiel machen. Ich habe sogar schon DJs erlebt, die deutlich über Anfänger oder so getuschelt haben. Was ich sagen will: Wo Du m.E. zu viel nach der Technik guckst, nimmst Du nicht wahr, daß es auch ein Umfeld und viele Nebenaspekte gibt, in denen der DJ agiert. Apropos: Darf ein DJ eigentlich selbst tanzen? Komischerweise gilt wohl gerade auf Festivals und Encuentros ein Tanzverbot - aber ich denke immer, ein DJ, der nicht tanzt, neigt womöglich dazu, die anwesend dafür zu bestrafen, daß er nicht tanzen darf - also sollte ein DJ zwingend selber tanzen (und schließlich muß er ja Musik nur auflegen - und nicht selber machen!).
3.) Für mich persönlich gilt: Es gibt einige DJs, die es auf zauberhafte Weise hinkriegen, daß es keine einzige Tanda gibt, die ich nicht tanzen mag. Andere wiederum spielen ständig Musik, bei der ich mir denke, wenn es nur so Musik gäbe, hätte ich nie zum Tango gefunden. Teilweise kann ich das benennen. Bei mir ist 100% EdO eine gewisse Garantie, daß es Spaß macht. Aber auch hier habe ich schon erlebt, daß es manche grandios hinkriegen, mich eine ganze Milonga zu langweilen. Aber so ist das halt. Umsomehr freue ich mich, wenn DJ "sowieso" auflegt. Manchmal habe ich schon gedacht, daß die Leute so auflegen, wie sie auch tanzen (-> DJ sollten unbedingt auch tanzen!). Also jemand der Wert auf kleine Schritte und Nuancen legt, wie ich, legt auch so auf, wie es mir gefällt. Und jemand, der seinen Kick beim Tango anders kriegt, legt halt anders auf. Das darf es alles geben - in einer immer mehr wachsenden Tangoszene sowieso. Es gibt m.E. immer weniger Grund, sich um den "wahren Weg" zu streiten.
4.) Ich habe schon einige "DJanes" gefragt: Keine fühlt sich bis jetzt diskriminiert. Warum auch. Schließlich war Tarzan (anders als in Mitteleuropa über Jahrhunderte gewohnt) eher der Minderbegabte und Jane die kultivierte und intelligente. Hat sie ihm nicht sogar das Sprechen beigebracht? (Apropos: Wo bleibt der Ruf nach einer DJane-Quote? :-))
Gruß Joh
Hallo Cassiel,
wer vier Sänger in einer Di Sarli-Tanda unterbringt, will die Aufmerksamkeit auf sich ziehen?
Wenn Du es so erlebt hast, war es wohl schauerlich anzuhören, tut mir leid.
Kannst Du Dir aber vorstellen, daß es auch DJs gibt, die solche Tandas kreieren weil sie ganz
einfach gut sind? Beispielsweise diese hier aus dem Jahr 2008:
buenos aires - Florio
tormenta - Pomar
navegante - Rufino
tu...el cielo y tu - Podesta
So eine Tanda ist aber nur dann gut, wenn Setting und Timing stimmen, also eher selten!
Wenn hierzulande Poser, Kopisten und wannabe Els, LAs und DONs damit hantieren,
wird der magic moment zum Stimmungskiller. Naja, nicht jeder DJ ist ein eitler Selbstdarsteller - aber viele.
Wer sein Handwerk beherrscht, umrahmt übrigens D'Arienzo ganz locker mit Biagi und Donato:
Biagi Amor
cafe de los angelitos
seamos amigos
pudo ser una vida
tus labios me diran
D'Arienzo
amor y celos
valsecito criollo
alma dolorida
mentías
Donato
la melodia del corazon
sinsabor
mi serenata
el adios
Stell ich mir dabei schwierig vor, das Verharren in einer Energie...
Die DJ's sind die Stars der Marathon und Ecuentro Szene, natürlich. Sie sind ein Erfolgs- oder eben Misserfolgsgarant dieser Veranstaltungen, nicht viel anders als bei gewöhnlichen Milongas. Sie sind dafür verantwortlich, wenn die Teilnehmer sich nach dem Set glücklich in die Arme fallen, oder verfrüht ins Bett.
Also stehen sie auch im Focus der Betrachtung, und der Bewertung. Wie kann ein Teilnehmer keine Meinung zu ihrer Darbietung haben, wieso sie nicht äußern.
Trotzdem ist es falsch, Ihnen allein die Last der Verantwortung für den Event aufzubürden. Hier wird die Leistung der Veranstalter unterschätzt, die den Veranstaltungsort auswählen und natürlich die Teilnehmer, sowie für all die Annehmlichkeiten nebenher sorgen. Die Kunst, ein funktionierendes Teilnehmerfeld zusammenzustellen, ist ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor, gleichstehend neben der DJ-Performance.
Ob dann die Veranstaltung das Geld wert war, welches die Teilnehmer insgesamt aufwenden mußten, um dabei zu sein? Wer so rechnet, sollte vielleicht Veranstaltungen an attraktiven Orten auswählen, Hamburg, Dresden, München, Amsterdam, Brügge, usw, und so konsequent sein, die Tanzschuhe gegen Straßenschuhe zu tauschen, wenn einem die DJ's nicht gefallen.
Gutes DJing ist mMn eine Kunst und unterscheidet sich vom Handwerk. Es gibt keine Regeln, nach denen ein Kunstwerk hergestellt werden kann, es entsteht kein Meisterwerk bei 'Malen nach Zahlen'.
Wenn es um DJ geht war schon immer und bleibt die Frage: Hat der DJ gemixt?
Es ist immer wieder schön zu sehen, wenn die Bluetooth Übertragung vom Macbook zur PA als große Errungenschaft gesehen wird. Erinnert euch mal an früher. Da war doch was? Ach ja, der DJ hat Kopfhörer auf. Warum nur? Jetzt weiß ich es wieder! Zum Vorhören...
Was wir meist sehen ist ein Abspielen einer Playlist. Das ist ein DJ Unding. Wie kann man aber mit seinem Ipad vorhören? Verrate ich ein anderes mal...
Gruß Tom
@ Chris
Die DJ's sind die Stars der Marathon und Ecuentro Szene [...].
Die Kunst (des Veranstalters), ein funktionierendes Teilnehmerfeld zusammenzustellen, ist ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor, .
Genau deshalb gehe ich nicht an Marathons.
Aber irgendwo schreibst Du es selbst (in einem irgendwie falsch zusammengesetztem Satz) : Die Teilnehmer, also auch ich, werden völlig unterschätzt. Wir sind sozial inkompetent, tragen tänzerisch wie auch musikalisch Scheuklappen und wollen uns permanent nur wohlfühlen ohne Anstrengung und Herausforderung.
Richtig, Chris, der Veranstalter wie auch der DJ tragen grosse Verantwortung. Und werden, ist dann mal eine Tanda nicht so wie erhofft, sofort in den Fokus der Kritik gebracht. Statt vielleicht der Tanzpartner oder das eigene Unvermögen.
Entschieden widerspreche ich, Chris, dass bei gewöhnlichen Milongas der Schwerpunkt beim DJ läge. Definitiv nicht. Wohl kann er den Tanzabend oder einen Teil des Abends ruinieren, aber eine Erfolgsgarantie liegt woanders, m.E. in uns, den Tangueros und Tangueras.
Veranstalter sowie TJ´s bzw. DJ´s haben keine Chance es allen Recht zu machen. Insofern habe ich herzlich gelacht über das Eingangszitat zu diesem Thema:
"Deutschland hat 80 Millionen Bundestrainer"
Ja, so ähnlich fühlt sich das für mich langsam im Tango Argentino, betreffs Veranstalter und TJing, an.
Der eine beklagt sich über dieses, der andere über jenes und nicht selten sind das bei ein und der selben Milonga diamentral gegenüber stehende Meinungen. Ja, da frage ich mich, wie viel Sinn macht es an Veranstaltern oder TJ´s herumzukritisieren, wenn es nicht um grundlegende Dinge geht ? Die persönlichen Erwartungen werden immer höher und höer geschraubt. Ich fände es in vielen Fällen schlicht und erfreifend angemessen mit unvoreingenommener Freude, Engagement und Großzügigkeit in eine Milonga zu starten und von dieser nicht zu erwarten, dass sie für mich den Himmel auf Erden verkörpern muss,andernfalls meine Laune in unabsehbare Tiefen stürzt. Wenn sie das tut, wunderbar, und klar hätte man das gerne öfter. Tut sie es mal nicht, ist das kein Hals und Beinbruch und geht das Leben weiter.
Tanzen ist leben aber das Leben besteht nicht nur aus Tanzen.
ich verstehe schon Gorriòn, Du magst Marathons nicht, und wohl erst recht keine Encuentros, obwohl Du noch nie eines besucht hast. Wozu auch. Du weißt ja wie es da so ist und wer da so ist, menschlich, tänzerisch, intellektuell und wahrscheinlich überhaupt unter deinem Niveau, Leute, die lieber andere in die Pfanne hauen als mal in den Spiegel zu schauen, eben nicht so toll wie DU. Wenn Du jetzt auch noch lesen könntest und richtig zitieren, Wahnsinn.
@tangopeter: hat denn deine vorgeschlagene tanda (buenos aires - Florio / tormenta - Pomar / navegante - Rufino / tu...el cielo y tu - Podesta) schon mal funktioniert? Du schriebst ja, dass Zeit&Raum stimmen müssen und das wäre nur selten der Fall - 'selten der Fall' heißt aber nicht unmöglich... Persönlich finde ich, dass die Titel, die nun mal untrüglich im Maximalwert der Aufnahmezeit 13 Jahre auseinander liegen, recht deutlich in zwei Blöcke zerfallen... Das klingt unzusammenpassend. Vier Sänger hingegen gehen in Ausnahmefällen - zwei sind besser (siehe deine Biagi-tanda, wenn 'La melodía del corzón' durch 'Te busco' mit Horacio Lagos getauscht werden würde).
Weiß schon, das ist viel zu konkret, darum ging's Cassiel gar nicht.
Wie bereits erwähnt, allen recht machen kann es ein DJ dem gemischten Publikum auf der eher 'normalen' Milonga ohnehin nicht und aus Erfahrung weiß ich, dass ich mit unterschiedlichen eigenen Befindlichkeiten an verschiedenen Abenden die stimmungsmäßig ähnliche Musikauswahl auch anders höre. Will sagen, wir Hörer/Tänzer und Hörerinnen/Tänzerinnen lieben auch nicht immer alles gleich... Encuentros besuchte ich bisher nicht aus recht profanen nämlich finanziellen Gründen - kann dazu also nur rein spekulativ schreiben. Das Publikum ist auf diesen Veranstaltungn wohl eher homogener und insofern kann ich Cassiels Eingangsgedanken durchaus nachvollziehen - die Teilnehmer sollten vom DJ/von der DJane erwarten dürfen, dass sich der Beitrag, den sie bezahlt haben, um teilzunehmen, zumindest musikauswahltechnisch gelohnt hat... Und ich rede gar nicht über andere Menschen, Technik, Boden, Deko, Getränke, Parkplätze und was sonst noch so wichtig ist.
Ein klitzekleines Bisschen sind wir ja auch selbst fürs Gelingen des Abends zuständig.
Natürlich sind die Erwartungen an die DJ-Leistungen bei solchen Events höher als normal. Das bezahlte Geld spielt dabei aber m. E. eine eher untergeordnete Rolle. Zuerst kommen die aufgewendeten Emotionen - die Vorfreude, die auch noch durch die Veranstater kräftig geschürt wurde. Dann kommt die aufgewendete Energie, dann die Zeit und dann erst das Geld. Zumal die wenigsten Besucher sich den Beitrag vom Munde absparen müssen.
Kritik an den DJs ist, zumindest bei den von mir bislang besuchten Encuentros, meist Jammern auf hohem Niveau. Die Leistungen waren rundweg solide, selten überragend, dafür aber auch nie wirklich daneben. Das war bei Marathons anders, die DJs scheinen hier mutiger zu agieren. Ob ds daran liegt, dass sie sich hervortun wollen? Mag sein. Das ist mir aber zu kurz und zu einseitig gedacht. Auf der anderen Seite steht die Erwartungshaltung eines Publikums, das schon alles gehört hat und alles kennt und sich trotzdem gerne überraschen lässt. Dass dann solche Überraschungen nicht immer positive sind und nicht allen gefallen, liegt in der Natur der Sache. Hohes Risiko, hoher Gewinn - oder Verlust.
Das Encuentro-Publikum hat es da lieber etwas konservativer. Dafür werden dann aber auch schon kleinste Abweichungen von der "Norm"* registriert und bemoppert, wie etwa eine D'Arienzo-Tanda mit Echagüe und Mauré. Mag ich auch überhaupt nicht aus diversen Gründen und halte ich für schlechtes Handwerk.
Aber die Auflegenden bekommen von mir einen Vorschuss. Wenn sie nicht allzuviel davon verspielen, find ich's gesamt gesehen okay, es trübt meine Laune nicht und ich motz nicht ständig rum.
* Ich setze "Norm" in Anführungszeichen. Weil es keine Norm oder im eigentlichen Sinne ist, sondern best practice. Wenn der DJ das besser machen will, muss er sich schon sehr genau überlegen, wieso. Nur um es anders zu machen reicht jedenfalls nicht.
@ Chris, bin ich Dir auf die Füsse getreten? Glaub mir, das war keinesfalls meine Absicht - genau wie beim eigentlichen Tanzen auch nie. Im Gegenteil, ich meine, Du schreibst in Bezug auf Cassiels obenstehenden Text was ich empfinde.
Lediglich, ich musste über mich selbst schmunzeln, als ich den (von mir dann zitierten) Text las und dabei eben dachte, dass ich womöglich deshalb nicht mehr an Marathons gehen mag. In meiner Gegend gibt es keine Encuentros und Tangoreisen vermag ich zeitlich leider wenig, deshalb erwähne ich sie auch nicht.
Du brauchst mich nicht auf dem hohen Ross zu sehen, dem ist nicht so. Und gerne gönne ich den Leuten, an Marathons und Encuentros teilzunehmen.
Da sich Cassiels Text auf diese beiden Anlässe bezieht, wollte ich lediglich darauf hinweisen, dass sich das Gesagte bei gewöhnlichen, regulär regelmässigen Milongas m.E. anders verhält und die Besucher unter meinen Beobachtungen durchaus gewillt sind, tanz- und sozialmässige Risiken auf sich zu nehmen.
Umfrageergebnis
Lieber Cassiel, liebe Mitdiskutierer,
seit 15 Jahren lege ich Musik auf, mehr als 1000 Mal schon, und sicher habe ich das anfangs nicht so bewusst und aufmerksam getan, wie ich es jetzt seit einigen Jahren mache, auch, weil der Anspruch der Szene und meiner Gäste in den Jahren gestiegen ist. Ich lerne stetig weiter dazu, und in drei Jahren mache ich bestimmt noch "bessere" Musik als heute - aber was genau sind überhaupt die Kriterien für "besser"? Darum dreht sich ja u.a. die aktuelle Diskussion hier, und zwei Erfahrungen oder Aspekte dazu möchte ich gerne mitteilen, in der Hoffnung, die Kriterien vielleicht genauer zu erkennen, und wenn andere Ihre Kriterien oder die "der Szene" benennen mögen, fände ich das sehr spannend, denn darüber wird mehr spekuliert als dass es harte Fakten gäbe. Ein hartes Faktum kann ich beisteuern:
1) Immer wieder wird diskutiert, ob überhaupt und wenn ja wie viel nicht-traditionelle Musik gespielt werden soll auf einer Milonga, wenn sie denn nicht ausdrücklich zu 100% traditionell angekündigt ist. Das ist bei einem Encuentro wohl eher kein Thema, weil die Ausrichtung auf traditionelle Musik durch die Veranstaltungsform (wohl) vorgegeben ist (oder gibt es Encuentros, auf denen auch mal ein Non-Tango zu hören ist?) Bei einer "normalen" wöchentlichen Milonga (in einer Stadt, in der es nicht jeden Abend drei oder vier Milongas gibt, in der die Kunden also keine große Wahl haben) ist das schon etwas anderes, hier möchte ich gerne der breiten Masse die Musik bieten, die sie wünscht, sonst verliere ich an der einen oder der anderen Seite des schmalen Grats die Menschen. Genau das aber ist schwer zu wissen, weil manchmal Gralshüter beider Seiten lautstark ihre Favoritenmusik zur alleinig richtigen erklären, die 100%-Traditionalisten oft mit dem Zusatz, es sei ja "wie in Buenos Aires", was sowohl historisch wie aktuell nicht stimmt (kleine Einschübe mit Tropical, Swing/Jazz/Fox und Paso Doble sind vielerorts üblich, wie auch ein Chacarera - aber auch auf Encuentros??). Um der Diskussion eine Grundlage zu geben, habe ich bei einem Ball mit Livemusik von "Beltango" vor zwei Wochen die Gäste gebeten, mit einem Klebepunkt auf einer Tafel zu markieren, wie hoch der Anteil traditioneller Musik im Verhältnis zu Non-Tangos oder Neo-Tangos sein soll. Zur Wahl standen von 100/0 über 90/10 etc bis 50/50 sechs Kategorien. Hier das Ergebnis: Nur 20% (von knapp 80 abgegebenen Stimmen) wollten zu 100% traditionell versorgt werden, das bedeutet im Umkehrschluss: 80 % wünschten sich eine Mischung mit wie auch immer gearteten Anteilen. Immerhin 18% wollten sogar 50/50 hören, weitere 10% 60/40 und nochmal 22% 70/30. Der Mittelwert lag bei etwas über 75%, im Schnitt wurde also eine Aufteilung von dreiviertel zu einviertel gewünscht.
Nun kann man dieses Ergebnise in vielerlei Hinsicht in Zweifel ziehen, sei es, weil nur 6 Wahlmöglichkeiten da waren (wären es mehr gewesen, wäre der Schnitt tiefer gerutscht), oder weil vielleicht eine Vorab-Selektion stattgefunden hat durch das Orchester (das sowohl traditionell perfekt tanzbar spielt wie auch einige moderne Stücke). Aber meine Stadt ist eben nicht Berlin, wo ich mir aussuchen kann, auf welche Milonga ich gehe, und jeder seins kriegen kann, den ganzen Abend von 100/0 bis 50/50, vielleicht sogar auch 0/100 manchmal. Ich muss hier Kompromisse machen und bin darauf angewiesen, eine Mischung zu finden. Ich bin froh über das Ergebnis und auch seine öffentliche Sichtbarkeit an dem Abend, weil es den Hütern der Wahrheit etwas Wind aus den Segeln nimmt und ich bin versucht, es als Appell an die gegenseitige Toleranz zu interpretieren, das fände ich sinnmachend.
Meine provokante These ist, dass hier womöglich eine Diskussion (der Eliten?) geführt wird, die an der Masse vorbei geht, mit der Gefahr, viele Menschen zu verlieren, statt sie vom Tango zu begeistern.
zweiter Teil folgt.
Jemand hat in einer früheren Diskussion schon die Frage aufgeworfen, wie denn die Einsteiger und Anfänger zu Encuentro_Besuchern werden (mit den entsprechenden Kennissen der dort gültigen Regeln sowie den über lange Jahre zu erwebenden Fähigkeiten, sie auch einzuhalten!), wenn nicht dadurch, das sich auf "normalen" Milongas die Niveaus durchmischen, und lernende TänerInnen dank der umsichtigen und einfühlsamen (Ein)Führung erfahrener TänzerInnen mehr und mehr den Charme des Tangos erfahren und die Schönheit des Tanzes kennen und schätzen lernen.
Ich verstehe sehr gut die Sehnsucht vieler erfahrener TänzerInnen, die Anzahl schöner Tänze zu maximieren, oder, wie es eine Dame formulierte: Anfangs gehe es darum, die "guten" Tänzer zu kriegen, später eher darum, die "nicht so guten" Tänzer zu vermeiden. Der Besuch eines Encuentros scheint da die richtige Lösung zu sein. Ich glaube aber auch, dass die Szene auf Dauer ausblutet, wenn alle vermeintlich oder tatsächlich "guten" Tanzenden (könnte bedeuten: gepflegten, musikalisch-einfühlsam-technisch sauber Tanzenden) nur noch unter sich tanzen.
Vielleicht erklärt mir jemand nochmal, wie die Evolution der Tangotanzenden ohne die langjährig Tangotanzenden vonstatten gehen soll. Habe ich etwas übersehen? Haben andere schon mal eine echte Umfrage nach Musikwunsch und Kriterien von "guter Musik" und "gutem Tanzen" gemacht? Ich kenne nur die von Melina Sedo von vor Jahren und bin für Hinweise dankbar.
2) Zweite provokative These: Kaum einer meiner Gäste kann, aus Mangel an echter Fachkenntnis, die Sänger der Orchester unterscheiden, oft noch nicht einmal die Orchester selber, vermutlich nicht einmal die Jahrzehnte, aus denen die Musik stammt - von den wenigen Gralshütern einmal abgesehen, und selbst die vertun sich manchmal erheblich!
Was für die meisten Gäste wirklich zählt nach meiner Erfahrung, ist eben genau das, was einer der Diskutierenden hier bereits geäußert hat: Die Energie! Eine schöne Welle mit Steigerungen und Phasen der Entspannung. Mit Abwechslung zwischen bekannten und weniger bekannten Stücken. Mit ruhigen Valses und peppigen Milongas. Natürlich tragen eine geringe Anzahl an Brüchen innerhalb einer Tanda zur Harmonie bei, im Verhältnis zum Ganzen aber ist der Einfluss eventuell doch weniger gewichtig.
Vielleicht sollte also eine Milonga viel mehr unter diesem Aspekt ihrer Energie betrachtet werden (was wieder die Diskussion nach sich zieht, wie diese Energie denn mit welchen Krierien zu beschreiben ist...)?
Fazit: Ein Encuentro in meiner Stadt würde an 80% der Menschen vorbei gehen - sie würde vielleicht sogar kommen, aber es würde ihnen etwas fehlen.
Herzliche Grüße,
Marcus
@Tangomaurkus,
recht hat du, das wird aber gern ignoriert. Was ist traditionelle Tangomusik, diese gibt es nicht, hier in D. schon garnicht, wir haben keine Tangotradition. Läuft man einem Bild hinterher, das nicht unbedingt mit dem Vorbild über einstimmt, Filterung machts möglich. Unterscheiden sollte man da eher Gardia Vieja, Gardia Nueva, Nuevo. Ich denke das passt besser.
Gruesse Bert
@TangoMarcus:
Danke für das beigesteuerte Umfrageergebnis. Es deckt sich mit meiner subjektiven Einschätzung der Milongas, die ich so besuche. Meine Schmerzgrenze beim Anteil trad. Tango liegt bei 85%. Wieviel darunter hängt sehr von der konkreten Musikauswahl ab, und das ist natürlich wieder subjektiv. (Auf ein Encuentro würde ich also höchstens mal ein Stündchen zum Zugucken gehen. Interessieren würde mich das Tanzniveau und wie Brillenträger wie ich das Cabeceoproblem lösen. Aber vielleicht liegt der Kontaktlinsenanteil ja auch bei 100% - grins)
@Marcus
Schön, dass Du geschrieben hast. Für mein Empfinden bewegst Du Dich allerdings mit „Umfrageergebnissen“ -möglicherweise unfreiwillig- auf sehr dünnem Eis. Es hängt immer vom Publikum ab. Dort wo ich auflege, werde ich vermutlich einen sehr hohen Anteil an Liebhabern traditioneller Musik vorfinden. Ein NeoTango-DJ wird vermutlich beinahe 100% Zustimmung für seine Musik erhalten. Das Argument zieht in meinen Augen nicht so richtig.
Ein zweiter Gedanke: Wenn ich als DJ nach „Umfrageergebnissen“ meine Playlist zusammenstellen würde, dann wäre es vermutlich sehr schnell mit meiner Leidenschaft für die Muisk vorbei. Nach meiner Ansicht steht ein DJ für einen bestimmten Musikmix und wird deshalb von Veranstaltern gebucht. Das gilt für den eher traditionell orientierten DJ genauso wie für den NoeRave-DJ.
Ich habe auch etwas Erfahrung im DJ-ing (wenn auch lange nicht so viele Jahre auf dem Buckel bzw. unter den Füßen). Auch meine Art des Auflegens ändert sich ständig (auch innerhalb des sog. traditionellen Tangos).
Möglicherweise gehen viele Diskussionen in diesem Blog (wie Du richtig bemerkst) an den Massen vorbei. Ich suche ja nicht die Massen, ich schreibe für Menschen mit ähnlichem Geschmack. Das unterscheidet mich beispielsweise von einer Zeitung oder einem anderen Medium, das seine (u.U. zahlenden) Leserinnen und Leser suchen muss. Ich bin in der Beziehung vollkommen unabhängig und es gibt ein paar Menschen im Tango, die die Dinge ähnlich wie ich sehen.
Eine weitere Behauptung von Dir betrifft die Fähigkeit des Publikums, Orchester und/oder Sänger zu erkennen. Da vermute ich wiederum, es kommt sehr stark auf das Publikum an. Ich gehe davon aus, dass es auch Veranstaltungen gibt, bei denen ein ganz großer Teil der Besucherinnen und Besucher nach ein paar Takten einer neuen Tanda Orchester und Sänger benennen können.
Ob Encuentros die lokalen Szenen beeinträchtigen, kann ich nicht ausschließen. Vielleicht sollte man es aber auch anders herum betrachten. Die Encuentros beflügeln Teilnehmer und diese bringen ihre neuen Eindrücke in ihre lokalen Szenen zurück.
@Bert
Auch Du erliegst m.E. dem Irrtum, extern begründen zu wollen, warum es keine reinen „traditionellen“ Angebote geben darf. Damit machst Du unbewusst das, was immer den eher „traditionell“ orientierten Tanguer@s unterstellt wird: Der Versuch, den Tango zu normieren. Warum darf es denn keine reinen EdO Angebote geben? Du musst da ja nicht hingehen, wenn es Dir nicht gefällt.
@Haribold
Wenn Du maximal 85% „trad. Tango“ erträgst, dann solltest auch Du Dir entsprechende Angebote suchen und m.E. nicht versuchen, den Tango gemäß Deiner Präferenzen hinzubiegen. Kannst Du mir erklären, warum es keine Encuentros geben darf, wenn Du es dort maximal eine Stunde aushalten würdest? Es wird von liberaleren Kreisen immer gerne eine Freiheit postuliert, die eigentlich niemand in Frage stellt. Häufig sind es die Protagonisten dieses liberaleren Tangobegriffs, die erstaunlich engstirnig werden, wenn es um die Freiheit der Liebhaber der EdO geht.
Und zu Deiner Frage, wie die Brillenträger das „Cabeceo-Problem“ lösen: Ganz einfach, sie behalten während der Cortina und zu Beginn einer Tanda die Brille auf und legen sie zum Tanzen auf einen Tisch. Wo ist das Problem?
@TangoMarcus.
Es wurde ja schon x-mal debattiert
und ich fasse mich deshalb kurz:
Die Frage ist doch,ob man den Tango rioplatense als hochwertigen kulturellen Wert (der uns sehr erfreut)anerkennt und ihm zumindest soweit Respekt entgegenbringt, dass er mit seinen
wesentlichen Grundwerten überleben kann.Oder ob man ihn als beliebiges Vehikel benutzt,das dann natürlich auch bald in der Beliebigkeit stirbt.
Tja,und diese Vehikel-Benutzung beobachte ich nun einmal zu oft in diesem Land. Alles unter dem
werbeträchtigen Namen "Tango".
Bin aber sicher,dass Du die optimale "Mischung" beherrscht!
@Cassiel:
Danke für die Aufklärung zu Cabeceo für Brillenträger. Etwas umständlich, mag so gehen, aber für's europäische Auffordern brauche ich halt keine Brille.
Übrigens habe ich nirgendwo geschrieben, dass es keine Encuentros geben darf. Finde ich sogar gut für Leute, die das mögen!
@cassiel
"Ganz einfach, sie behalten während der Cortina und zu Beginn einer Tanda die Brille auf und legen sie zum Tanzen auf einen Tisch. Wo ist das Problem?"
…nicht auf einen Tisch, sondern auf den Tisch, wo die Dame abgeholt wird. Nach der Tanda begleitet man die Dame zu Tisch und setzt man die Brillen wieder auf. Diese Vorgehensweise hat mehrere Vorteile: in Falle, dass die Sehbehinderung doch groß ist und den Tisch ohne Brille nicht mehr zu finden ist, hilft die Damen wahrscheinlich gerne und man weiß immer wo die Brillen liegen...
Ein Brillenträger mit doch starke Sehbehinderung, der ausschließlich per Cabaceo auffordert
genau, Sweti.
Brillen dort ablegen wo man sich zum Tanz findet.
Sonst würde dieser Maulwurf seine Brille nie wiederfinden, und das wär dann doof...
Dj-ing, Unfragen, Encuentros, Marathons, Milongas, Festivals…
Nachdem ich auch schon das Vergnügen hatte an Encuentos teilzunehmen, mußte ich feststellen, daß auch dort die vielfach hoch angepriesenen Dj`s auch nur mit Wasser kochen und daß von dem ein oder anderen Star – Dj bestenfalls Mittelmaß übrig blieb. Gähnend langweilig zusammengesuchte Tandas in vorbereiteten Playlists, oftmals schlechtes oder gar kein (?) Soundsetting, etc. Dabei ist es auch eigentlich völlig egal, ob es sich um Encuentro, Marathon, Milonga oder Sonstetwas handelt.
Encuentro heißt doch nicht automatisch gute Musik, gutes Dj-ing! Auch wenn ich noch so viele Tandas auf meiner Homepage veröffentliche oder in den sozialen Netzwerken poste, ist das noch lange kein Garant für ein für die meisten Besucher der Veranstaltung zufriedenstellendes, oder besser noch „beglückendes“ Dj-ing. In Ermangelung sonstiger „Stars“ avancieren bei diesen Veranstaltungen die Musikaussucher zu Stars. Eigentlich eine traurige Entwicklung, geht doch durch den Fortfall der Livemusik m.M.n. eine ganze Menge wunderbarer Tangokultur verloren.
Aus Veranstaltersicht ist das natürlich der einfachere Weg, weil viel weniger finanzielles Risiko, welches bei Encuentros eh gegen Null läuft, da ich es hier mit fest zu planenden Kosten bei einer ebenfalls feststehenden Teilnehmerzahl zu tun habe. Im Gegensatz zu Marcus bin ich der Meinung, daß man ein Encuerto sogar auf Lummerland veranstalten könnte, erst recht in OWL.
Als Möchtegerngast muß ich ersteinmal ein Auswahlverfahren durchlaufen, werde gefragt, wieviel Tanzerfahrung und welche und wieviele Encuentros ich schon besucht habe, etc. D.h. ein noch nicht so erfahrener Tänzer kommt gar nicht erst zu dem Vergnügen den „sozialen“ Tango, die geordnete Ronda, etc., was sich die Encuerto – Gemeinde ja so auf die Fahnen schreibt, kennenzulernen, oder in den Kreis der upper-Ten aufzusteigen.
Es ist zwar so, wie Marcus darlegt, daß es in Bielefeld (ups, jetzt hab ich`s verraten…) kaum eine Milonga – Auswahl gibt, aber in OWL gibt es doch ein bemerkenswertes (fast tägliches) Tangoangebot. Und die Tangonauten sind bereit zu ihren Lieblingsmilongas auch längere Strecken zu fahren, und ich denke an den Besucherströmungen im Verhältnis zum Musikangebot kann man viel eher den Musikgeschmack der Leute erkennen. Hier erkennt man eindeutig, daß eben die Milongas mit dem ausschliesslich bis überwiegend klassischem Musikangebot die mit Abstand bestbesuchten sind.
Aber zurück zu Marcus` Umfrage. Natürlich kann sie nicht repräsentativ sein und höchstens die Meinung der Anwesenden des besagten Abends ansatzweise darstellen. Aber die Verhältnismäßigkeit der gespielten Musikstile sagt doch nichts über ein gutes oder schlechtes Dj-ing aus. Sagen wir mal es wird angekündigt, die Musikauswahl wäre etwa 80/20 trad./nuevo, dann habe auch ich als eher Traditionslastiger kein Problem damit, wenn es in Tandas sauber getrennt und erkennbar ist und ich mich als Tänzer darauf einstellen kann, daß nach z.B. einem Drink wieder trad. Tango gespielt wird, wenn ich denn gar nicht nach modernem, oder neuzeilicherem Tango tanzen will.
Der Dj hat dann seinen Job gut gemacht, wenn er in jeder Stilrichtung die Tanzenden auf der Tanzfläche hält und zufriedenstellt. Nontango hat auf einer “Tango“-Veranstaltung höchstens in einer Spaß-Tanda spät nach Mitternacht (…wie manchmal in BsAs) etwas zu suchen, aber das ist meine pers. Meinung. Gutes Dj-ing ist für mich eine abwechslungsreiche, spannende und Spannung erzeugende Musikauswahl, sauber strukturierte Tandas mit Cortinas, ständige Aufmerksamkeit für die Tanzfläche, etc. Ganz wichtig auch eine gute Abstimmung / Einstellung der Musikanlage, nachregeln der Lautstärke und des Klangs, usw. Was nutzt die als hervorragend deklarierte hochmoderne Saal- beschallungsanlage, wenn sie nicht ordentlich eingestellt ist? Soviel Zeit, liebe Dj-Kollegen sollte doch sein, daß man sich ab und zu mal anhört, was da aus den Boxen schallt.
Saludos aus OWL!
@tangochristian
Nur zwei Aspekte dazu: Die Umfrage ist eine Totalerhebung bei allen anwesenden Besucher, sie stellt deshalb die Meinung nicht nur ansatzweise, sondern tutti kompletti dar. Das mag dir nicht schmecken, ist aber kein Grund zu versuchen, die Aussagekraft zu schmälern: 80% wollten an diesem Abend keine 100%, die Mischung macht's, basta.
Zweitens: Die Kriterien, die die Menschen zum Besuch einer Veranstaltung lenken und eine Abstimmung mit den Füßen bedeuten, wurden und werden nirgendwo wirklich erfasst, es ist von allen, die sich hier äußern, hoch spekulativ zu behaupten, es sei die Musik. Selbst das wenige Feedback, das manchmal gegeben wird, ist hoch selektiv, in beide Richtungen.
Gegen die Annahme "die Musik macht's" spricht zweierlei Erfahrung: Milongas mit 100% traditioneller Musik sind durchaus auch schon mal gestorben in dieser Republik, allein in Berlin wohl um die 100, schätzt Michel Rühl, sicher nicht alle traditionell, aber einige. Selbst Festivals sind schon gestorben im dritten oder vierten Jahr. Es muss wohl doch noch einen Haufen anderer Gründe geben dafür. Und zweitens, Milongas mit kunterbunt gemischter Musik, die gerade mal Kriterien wie Tandas entsprechen, werden von vielen Menschen auch kontinuierlich besucht, vielleicht ja auch mangels Erfahrung und besseren Wissen, aber Obacht, das ist schnell hochmütig daher behauptet. Sie werden ihre Gründe haben, nur kennen wir die nicht!
Ich behaupte deshalb, die Mischung an Gründen ist so dermaßen individuell unterschiedlich und sogar von Anlass zu Anlass so verschieden, dass wir die wahren Gründe darüber, wer wann auf welche Veranstaltung geht, nie erfahren werden. Wenn schon alle fröhlich in ihrem eigenen Sinne vor sich hin spekulieren, werfe ich doch schnell mal meine spekulative Rangreihe der Gründe in den Topf:
1) Es ist wie an der Börse: am wichtigsten ist die >Erwartung<, nicht auf der "falschen" Veranstaltung zu sein, heißt: da, wo erwartet wird, dass wenig los ist, will keiner sein. Im Umkehrschluss: Wo viele sind (oder auch nur erwartet werden!), kann ich nicht irren und falsch sein: ich teile dann den Geschmack vieler, ich komme mit größerer Wahrscheinlichkeit auf ein paar Tänze (und davon auch ein paar schöne, gute, wie auch immer), habe aber zumindest nette Gespräche, wenn ich wider Erwarten doch viel sitze, und kann zur ganz großen Not noch etwas gaffen, weil es sind ja viele da, die sich zur Schau stellen. Musikauswahl? Ist zumindest nicht primär wichtig. Erwarte ich viele sehr gute Tanzende, und ich bin mit dabei und gehöre (subjektiv oder objektiv, egal) dazu, pinselt das das Ego ungemein, da gehe ich wieder hin. Viele Menschen mit der gleichen Meinung (oder dem gleichen Geschmack) wie der eigenen Meinung verringern die gefühlte Diskrepanz. Andersartigkeit will nicht immer ausgehalten werden.
2-10) in wechselnder Wichtigkeit und Reihenfolge spielen eine Rolle: Neugierde, wenn eine Veranstaltung noch nicht so lange am Markt ist; die Qualität des Parketts; der/die Djane und seine/ihre Musik; das Platzangebot auf der Tanzfläche; ob es was zu Essen gibt und wie gut es schmeckt; ob die Toiletten sauber sind; ob die Erreichbarkeit gut ist und sicher; ob die Luft gut ist, ob man wenigsten ein Mal da gewesen sein muss; ob die zu erwartenden Damen/Herren attraktiv sein werden; und noch manches mehr.
Mein Fazit: Wir wissen es einfach nicht genau. Und selbst eine Umfrage würde nicht die von den Menschen unreflektierten und daher unbewußten Gründe hervorbringen können, erst recht nicht die absichtlich verheimlichten oder auch nicht die peinlichen Gründe, sie würde womöglich nur Vorurteile darstellen.
Einzig die Zeit wird es zeigen. Ich finde, unter diesem Aspekt ist es erst mal kein schlechtes Omen, wenn eine Milonga schon 14 Jahre besteht.
Von Spekulationen und Behauptungen habe ich schon lange genug.
Echte Ergebnisse hat keiner zu bieten, oder?
Herzliche Grüße,
Marcus
@tangochristian & TangoMarcus
Ich habe Eure Beiträge gelesen und wünsche mir, dass es nun nicht im Eifer der Diskussion zu einem edlen Wettstreit zwischen dem Großraum Bielefeld und Ostwestfalen-Lippe kommt. :-)
Natürlich kann man auf dem breiten Publikumsgeschmack schielen, aber ich halte das aus verschiedenen Gründen für gefährlich. Ich denke, es ist natürlich, dass sich der Geschmack und das, was man im Tango sucht, im Laufe der Zeit wandelt. Deswegen ist es m.E. nur natürlich, dass Jüngere im Tango etwas anderes suchen als Diejenigen, die schon eine Weile dabei sind. Nach meinen Beobachtungen entwickelt sich fast immer ein Trend zur ursprünglichen Musik. Und die ist nun einmal vom Charakter her eher verhalten und nicht unbedingt Party-geeignet. Und Marcus, ich könnte ebenfalls Beispiele für Besucherschwund bei gemischt-musikalischen Veranstaltungen nennen. Da kann Dein Eindruck u.U. verengt sein.
Ganz generell möchte ich die Frage stellen, ob die Besucherzahl der einzige Indikator für eine erfolgreiche Veranstaltung ist, oder ob es nicht noch andere - weniger messbare - Parameter gibt, die für die einzelnen Besucher wichtig sind. Ich kann nur berichten, dass ich auch schon Veranstaltungen mit über 150 Besuchern organisiert habe, bei einer Folgeveranstaltung kamen dann nur etwas mehr als 50 zahlende Gäste. In diesen beiden Fällen sagte die reine Besucherzahl nichts über die jeweilige Tanzqualität und Zufriedenheit der Besucher aus.
Gerne möchte ich an eine Umfrage erinnern, welche Tangoinfo in der Schweiz 2003 gemacht hat 'Was ist eine schöne Milonga?'
http://tangoinfo.ch/milonga2002.shtml
Zugegeben, das ist doch etwas alt und damals gab es noch keinen Electro-Tango und Nontango wurde nicht gespielt. Nuevo war damals jedem bekannt, aber kaum an Milongas so wie ich mich erinnere. Aus diesem Grund musste man heute eine neue Umfrage starten (Wo Electro-Tango zumindest bei den Musikern bereits tot ist).
Vielleicht liest der eine oder andere hier die Analyse zur Umfrage, vorgängig könnte man sich selber die frage stellen.
Kommentar veröffentlichen