Freitag, 8. Juni 2012

Nachgefragt: Ein Jahr neue Technik in Biel/CH

Vor etwa einem Jahr begann die spannende Suche nach adäquaten Lautsprechern und Audiotechnik für die Milonga in Biel. Damals hatte Klaus Schwarzwälder einen Gastbeitrag verfasst und ich hatte mir vorgenommen, nach einem Jahr nachzufragen und mir über die Entwicklungen und Erfahrungen berichten zu lassen. Mit den drei DJs der Milonga in Biel, Klaus Schwarzwälder, René Maurer und Peter Zankl, habe ich per Skype gesprochen.




Cassiel: Hallo nach Biel! Vor etwa einem Jahr habt Ihr die Frage der neuen Boxen in einem Vergleichstest entschieden. Klaus hatte damals einen Gastbeitrag darüber verfasst. Ich hatte damals angekündigt, nach etwa einem Jahr nachzufragen. Wie sind Eure Erfahrungen und Eindrücke nach einem Jahr neue Technik?

Peter Zankl: Sowohl als Tänzer als auch als DJ sehr gut. Als Tänzer schätze ich nicht nur den guten Sound, sondern auch, dass der Sound vor allem auf der Tanzfläche präsent ist und man sich am Rand sehr gut unterhalten kann. Es gibt keine Stellen im Raum, an denen die Boxen überlaut werden. Als DJ habe ich weniger Stress, weil ich darauf bauen kann, dass der Sound gut rüberkommt.

Klaus Schwarzwälder: Auch für mich ist die Audiotechnik in jeder Beziehung positiv, für mich so quasi die Bestätigung, dass sich der Aufwand gelohnt hat und für die Tänzerinnen und Tänzer alles viel entspannter ist. Als DJ gefällt mir, dass ich jetzt auch Sänger spielen kann, die ich vorher nie gespielt hätte.

Wir haben im Laufe dieses Jahr noch auf zwei Seiten des Saals vom Boden bis zur Decke reichende schwere Vorhänge bekommen. Dies hat den Klang noch einmal entscheidend positiv beeinflusst. Besonders wenn der Saal nicht so gut besetzt ist wird der Hall von den Vorhängen praktisch neutralisiert.

Abgesehen von den guten Klangeigenschaften haben sich auch die Einrichtungen zum Auf- und Abbau der Anlage gut bewährt. Das Handling ist einfach und schnell zu bewältigen. Wenn man für jede Milonga alles auf- und abbauen muss kann man das schätzen.

Wir neigen die Lautsprecher 20 Grad gegen den Boden. Der Abstrahlwinkel der Lautsprecher ist total 100 Grad also 50 Grad pro Seite. Das ergibt direkt unter den Lautsprechern theoretisch einen sog. toten Winkel von 40 Grad. Dies betrifft aber nur die hohen Frequenzen und nur in äußerst geringem Ausmaß. Leute, die in der Ronda tanzen, betrifft das sowieso nicht.

Wir haben jetzt eine Audiotechnik, die nicht mehr viele Wünsche offen lässt. Klar kann man fast alles immer noch besser machen, aber wenn man das will, steigen die Preise für noch bessere Technik exponentiell an. Also kaum hörbare Unterschiede kosten sehr viel Geld und ob sich das für eine Milonga lohnt wage ich zu bezweifeln. Dieses Geld investiert man besser in einen wirklich guten DJ, der es versteht eine abwechslungsreiche und inspirierende Musikauswahl zu treffen.

Mit dem Finalizer können wir viel zur Verbesserung der Musikqualität beitragen. Aber leider gibt es die “universelle Einstellung“ nicht. Was für eine Aufnahme gut ist muss nicht gezwungenermaßen für die andere auch stimmen. Wir arbeiten jetzt mit einer Einstellung, die alle Aufnahmen verbessert und viele Nebengeräusche fast unhörbar macht. Aber diese Einstellung könnte besser sein, wenn wir sie für jedes Stück anpassen könnten, was natürlich unmöglich ist, weil viel zu aufwändig. So hoffe ich, dass endlich auch für Tangoaufnahmen die beste Technik von kompetenten Leuten zur Restauration eingesetzt wird. Auf diesem Gebiet erhoffe ich mir in nächster Zeit den größten Qualitätsschub.

René Maurer: Ich bin von der neuen Anlage begeistert. Der Klang ist meiner bescheidenen Meinung nach herausragend. Die Anlage ist in der Lage einen sehr angenehmen und transparenten Klang an einer Milonga zu liefern. Als DJ bin ich sehr davon angetan, wie schön die Sänger nun klingen.

Cassiel: Das ist ja schön und gut und klingt begeistert in der Theorie. Könnte jeder von Euch ein, zwei oder drei konkrete Beispiele von Tango-Titeln nennen, die er früher nicht gespielt hat und die jetzt toll klingen?

René Maurer: Wie schon gesagt kommen gesungene Titel sehr gut zur Geltung. Als Beispiel kann ich fast das ganze Repertoire von Pedro Laurenz und Alberto Podestá nennen. Ich spiele das selbstverständlich als DJ auch auf anderen Anlagen ...aber bei uns kommen selbst eher schwierige Titel wie Todo (1943) oder Alma de bohemio (1943) sehr gut zur Geltung.

Klaus Schwarzwälder: Für mich sind alle d'Agostino-Titel mit Vargas einfach ein Highlight. D'Arienzo mit Echagüe tönt ebenfalls sensationell.

René Maurer: Natürlich hat auch die Auswahl der Quellen einen entscheidenden Einfluss auf den Klang! Als Beispiel möchte ich Aufnahmen aus den dreißiger Jahren von D'Arienzo nennen. Zum Beispiel Comme il faut (1936), La bruja (1938 mit Alberto Echagüe) und Milonga, vieja milonga (1937). Verglichen mit den bekannten Aufnahmen auf den CD Produktionen von BMG/Tango Argentino, EBCD und anderen tönen diese Aufnahmen auf den japanischen CD Produktionen von CTA und Audio Park umwerfend. Ohne Echo und mit gut hörbarem Kontrabass bringen diese Aufnahmen einfach noch viel mehr Hör- und Tanzvergnügen.

Cassiel: Haben sich Eure Besucherzahlen / die Zusammensetzung des Publikums geändert? Und woran liegt das?

Peter, René und Klaus: Nein, unsere Besucherzahlen haben sich nicht verändert. Wir haben manchmal grosse Schwankungen, aber der Besuch könnte insgesamt besser sein. Wir sind uns nicht einig ob sich die Zusammensetzung geändert hat. Wir haben Vermutungen aber wenn wir es genau wüssten könnten wir etwas ändern.

Cassiel: Woran liegt das? Ist Euer Angebot zu unbekannt? Der Raum problematisch? Der Termin ungünstig?

Klaus Schwarzwälder: Ich habe zum Thema "Nach welchen Kriterien wählen die Leute eine Milonga" einen längeren Text geschrieben [der Text ist am Ende dieses Beitrags angefügt]

Peter Zankl: Ich könnte mir vorstellen, dass die Fokussierung auf Musik der EdO zu einer Entmischung des Publikums führen könnte. Konkret gibt es vor allem ein paar junge TänzerInnen, die nicht-traditionelle Tangos vermissen. Das hat zwar nicht direkt etwas mit der neuen Anlage zu tun, aber indirekt erhält die Musik der EdO mehr Präsenz.

Cassiel: Das wäre für mein Empfinden eher untypisch. Nach meinen Erfahrungen boomen gerade die traditionellen Milongas - insbesondere bei fortgeschrittenen Tänzerinnen und Tänzern.

René Maurer: Unser Angebot ist gut bekannt und ich finde unser Raum hat ein schönes Ambiente. Ich vermute, dass es im Moment in unserer Gegend (40 km Radius) einfach zu viele Milongas gibt.

Cassiel: Auch zu viele traditionelle Milongas? Und noch eine Nachfrage zu Peter: Kündigt Ihr konkret die musikalische Ausrichtung pro Abend an?

Klaus Schwarzwälder: In der beschriebenen Region gibt es fast nur noch traditionelle Milongas, also es gibt keinen Mangel. Es ist eher die Distanz die man zurücklegen muss um zu uns zu kommen.

Cassiel: Besucht Ihr die anderen Milongas?

Klaus Schwarzwälder: Ja natürlich, am Dienstag in Bern am Mittwoch manchmal in Neuchâtel und am Freitag oder Samstag wieder in Bern.

René Maurer: Eher selten. Da wir noch unterrichten, fehlt manchmal einfach die Energie...

Peter Zankl: Im Schnitt jede Woche 2-3 Mal in Bern und Neuchâtel plus unsere eigenen Milongas. Noch zur Frage weiter oben: wir kündigen den DJ an, aber nicht die Ausrichtung der Musik. Aber die Leute wissen, dass René und Klaus klassisch auflegen und ich ein paar Non-Tango Tandas einstreue.

Cassiel: Woher wissen die Tanguer@s von Eurer Angebot? Oder konkret: Woher wissen das potentiell neue Besucher?

Klaus Schwarzwälder: Wir verschicken ca. 320 Einladungen per E-Mail und außerdem ist die Infoseite von René (cumparsita.ch) immer top aktuell und bei den TänzerInnen sehr bekannt.

Cassiel: Habt Ihr über Aktionen nachgedacht, die Besucherzahlen zu steigern? Was wollt Ihr unternehmen? Oder ist Euch das nicht so wichtig?

Klaus Schwarzwälder: Wir können die Leute nicht nach Biel prügeln. Entweder sie kommen oder sie kommen nicht. Mehr Werbung können wir nicht machen, sonst wird das für einen Teil der Leute penetrant.

Cassiel: Kommen wir nach diesem kleinen Exkurs (es hat mich einfach interessiert) zum eigentlichen Thema zurück. Nehmen die Besucherinnen und Besucher Eurer Milonga den Klang wahr oder ist das eher eine unterschwellige Angelegenheit und die Leute bemerken es weitgehend nicht einmal?

René Maurer: Unbewusst scheint der (gute) Klang auf die Tänzerinnen und Tänzer zu wirken. Ich erlebe unsere Milongas ruhiger und stressfreier als früher. Auch bei schnelleren Titeln wie zum Beispiel dem Vals Viejo portón (1938) von Rodolfo Biagi mit Teofilo Ibañez.

Klaus Schwarzwälder: Es gab sie, die Audiophilen, die sofort bemerkt haben, dass unser Sound viel besser ist, aber das sind 10-20%. Alle anderen merken das höchstens unbewusst. Ich möchte aber trotzdem eine Tanguera zitieren, die an einem Abend ziemlich lange nicht zum Tanzen kam, was normalerweise bei uns nicht passiert. Sie meinte: Bei uns macht es ihr viel weniger aus wenn sie einmal länger sitzt, denn man könne bei uns so schön Musik hören.

Cassiel: Darf ich noch einen kleinen Exkurs machen? Ich habe im Vorlauf mitbekommen, daß Ihr drei jeweils schon nach Bs As gereist seid. Wie hat das Euer Auflegen beeinflusst?

René Maurer: Bei mir hat das dazu geführt, dass ich noch traditioneller auflege (wenn denn das überhaupt noch geht ;-) und ich spiele auch mehr gesungene Titel: Rufino, Echagüe, Podestá, Berón, Vargas, Fiorentino, Castillo alle sind unverzichtbar geworden. Bei uns dauern die Milongas einfach nicht lange genug ;-)

Klaus Schwarzwälder: Ich war im Februar 2009 in BA und habe zu diesem Zeitpunkt erst angefangen aufzulegen. Es ist mir aber aufgefallen, dass  selbst in den wildesten Neo-Tango Schuppen nur traditionelle Tangos gespielt wurden. Ich werde aber diesen Herbst wieder länger dort sein und sicher mit viel Musik und neuen Ideen zurückkommen.

Peter Zankl: Einen direkten Einfluss sehe ich nicht. Ich habe wahrgenommen, dass neuere Orchester in den Milongas, die ich gehört habe, erstaunlich wenig Präsenz hatten und elektronische Sachen (z.B. Otros Aires) gerade mal als Cortina vorkamen.

Cassiel: So gehört sich das auch :-)

Cassiel: Wie geht es denn in Eurem Verein weiter? Habt Ihr konkrete Ziele für die Zukunft

Klaus Schwarzwälder: Was die Milonga betrifft geben wir uns noch mindestens ein Jahr Zeit. Danach sollte die Milonga aber selbsttragend sein. Die Hoffnung, dass sich die Musikanlage kurz- oder mittelfristig amortisieren wird, haben wir aufgegeben. Das nächste große Ereignis in unserem Verein ist der Musikvortrag und Workshop von Christian Tobler und Monika Diaz über die Musik der EdO. Wir sind sehr stolz, dass wir diesen Vortrag als erste in der Schweiz durchführen. Der Vortrag ist ausgebucht, aber wir führen eine Warteliste, damit wir evtl. kurzfristig freiwerdende Plätze noch weitergeben können. Informationen dazu auf unserer Website cumparsita.ch/musikvortrag.html

René Maurer: Ich kann mir vorstellen, dass wir ab und zu einen größeren Event organisieren um unsere Szene mehr zu beleben. Einen Anfang machen wir mit dem Musikvortrag von Christian und Monika. Wir freuen uns sehr auf diese Vortrag!

Cassiel: Dann bedanke ich mich herzlich bei Euch für Eure Zeit und wünsche Euch ein wunderschönes Wochenende mit dem Vortrag von Monika und Christian und demnächst schaue ich auch einmal in Biel vorbei... versprochen!

Klaus Schwarzwälder: Herzlichen Dank für deine Bemühungen. Wir schätzen deinen Einsatz für unsere Sache sehr. René und Peter schließen sich dem an!!!!


Und nun noch der im Interview angekündigte Text von Klaus:

Nach welchen Kriterien wird eine Milonga ausgewählt?
Überlegungen von Klaus Schwarzwälder

Über dieses Thema zu spekulieren ist eine unerschöpfliche aber interessante Sache. Je nach Prioritäten wird man ungefähr so viel verschiedene Antworten wie Milongabesucher erhalten. Ich glaube, es wurden in Deutschland schon grösser angelegte Untersuchungen gemacht mit dem Titel  „Was ist euch wichtig an einer Milonga“ o.ä. Ich fand bei dieser Untersuchung die Fragestellung nicht ganz glücklich, denn Fragen über Eintrittspreise und Getränkepreise standen im Vordergrund.

Schlüssig beantworten kann ich diese Frage natürlich nur für mich selbst und wie wir als Paar entscheiden. Die Reihenfolge entspricht unseren Prioritäten:

  • Das allerwichtigste ist die Musikauswahl. Wir erwarten eine in Tandas und Cortinas strukturierte Musikauswahl, die zu 80 bis 90 % aus Musik der EdO besteht. Sorgfältig ausgewählte Titel von modernen Orchestern können zu 10 bis 20% auch dabei sein. Aber keine Non-Tangos und Electro-Tangos. Die Musikauswahl sollte abwechslungsreich sein und auch thematische Brüche haben. Eine Auswahl die sehr gleichförmig ist wirkt schnell langweilig.
  • Ein guter Sound ist uns ebenfalls wichtig. Wenn alles andere stimmt können wir uns auch mit einem mittelmäßigen Sound abfinden, denn wir wissen aus eigener Erfahrung, siehe oben, wie viel ein guter Sound kostet.
  • Der Raum sollte mindestens 3 Meter hoch sein und eine angenehme Ambiance haben.
  • Das Niveau der Tänzerinnen und Tänzer darf durchmischt sein, sollte aber nicht von Anfängern dominiert werden.
  • Die Organisatoren sollten Gastgeber sein. Man sollte sich als Gast fühlen können.
  • Auf der Piste sollte es zivilisiert zu- und hergehen. Wenn es die Sitzordnung und das Licht zulässt bevorzugen wir Cabeceo, ist aber keine Bedingung.
  • Der Anfahrtsweg sollte nicht länger als 30 bis 40 km sein. Für einen besonderen Anlass kann es auch mal mehr sein.
  • Große Festivals besuchen wir nicht mehr, denn eine gute überschaubare Milonga bringt eindeutig mehr Tanzspaß und bessere soziale Kontakte.

Nun, alle diese Bedingungen und noch einige mehr pflegen wir in den von uns (Verein LOCOTANGO) organisierten Anlässen und trotzdem werden wir vom Publikum nicht überrannt. Was heisst, dass unsere persönliche Wertung für die Mehrzahl der TangotänzerInnen nicht maßgebend ist, sondern ganz andere Kriterien viel wichtiger sind.

Ich möchte hier ein paar Punkte, die wir vernommen haben auflisten:

Wir befinden uns in einer Kleinstadt etwa 30 km von der nächst größeren Stadt entfernt und viele Leute nehmen lieber Unzulänglichkeiten bei einer lokalen Milonga in Kauf als diese 30 km zu fahren.

Lange nicht allen Leuten gefällt unsere traditionell ausgerichtete Musikauswahl. (In diesem Punkt sind wir nicht bereit Kompromisse zu machen.)

Wichtige Leute, ob weiblich oder männlich, tauchen zwar auch bei uns auf, aber nicht zuverlässig. Deshalb bleiben die, die den Gurus nachreisen, weg.

Außerdem hat Facebook bei der Entscheidung wohin man zum Tanzen geht eine ganz wichtige Rolle übernommen, besonders bei den jüngeren Leuten. Man tauscht sich sehr kurzfristig aus wo man anzutreffen ist und eine einzelne beliebte oder wichtige Person (oder Guru) kann eine ganze Gruppe mobilisieren, und diese Gruppe mobilisiert wiederum zusätzliche Leute, denn man will ja dazugehören. Da spielen die oben genannten Kriterien kaum eine Rolle. Wir waren vor kurzem versuchsweise an einer solchen Veranstaltung. Der Saal war so voll, dass an vernünftiges Tanzen nicht zu denken war. Die Musikanlage so schmalbrüstig, dass zeitweise in einer Ecke die Musik im allgemeinen Lärm unterging und trotzdem schien das niemanden zu stören, denn die Stimmung war „Jubel Trubel“ und ich habe von niemandem vernommen, dass dieser Anlass eigentlich eine Zumutung war und man nicht mehr hingeht.

Nein, ich bin nicht neidisch auf diesen Erfolg, aber verwundert.

Es gibt noch die unfairen Veranstalter. Diese haben aus irgendwelchen glücklichen Umständen einen Saal gratis zur Verfügung. Sie organisieren die Milonga als quasi privaten Anlass und zahlen weder Suisa (GEMA) noch sonst irgend welche Abgaben. Das ist zwar illegal aber solange niemand denunziert fliegt das nicht auf. Eintritt bezahlt man als freiwillige Kollekte, Softdrinks und kleine Snacks sind gratis. Auf dieses Thema möchte ich nicht weiter eingehen, denn es ist klar, wer Miete bezahlt und Gebühren ordnungsgemäß entrichtet hat dagegen keine Chance.

Wir hoffen noch immer, auch wenn es ein bisschen utopisch erscheint, dass die Qualität das wichtigste Kriterium wird und unsere Milonga plötzlich en vogue ist.

39 Anmerkung(en):

Anonym hat gesagt…

Ich moechte mich zum zweiteren Teil dieses Beitrags ("Nach welchen Kriterien wird eine Milonga ausgewaelt?") auessern. Eine kurze Erklaerung vorher: ich wohne und tanze in Buenos Aires, fahre mit dem Bus zu den Milongas, und bin nicht im Paeaerchen, bin also meistens alleine unterwegs.

Das allerwichtigste fuer mich ist, welche Taenzer zu der Milonga hingehen werden. Wenn die Milonga in allen anderen Hinsichten wunderschoen ist, es aber niemanden gibt, mit denen ich tanzen will (oder der mit mir tanzen will) werde ich dort nicht hingehen. Zu manchen Milongas gehe ich, weil ich weiss, dass einige Maenner, mit denen ich besonders gerne tanze, dort sein werden. Aber meistens gehe ich einfach hin, wenn ich weiss, dass das Tanz-Niveau gut ist und dass ich dort viel und vergnueglich werde tanzen koennen.

Die Musik ist mir natuerlich auch wichtig. Allerdings sind diese zwei Sachen so eng miteinander verbunden, dass sie nicht auseinandergehalten werden koennen. Denn, ist die Musikauswahl auf einer Milonga schlecht, gehen die besseren Taenzer eh nicht hin. Ich erwarte eigentlich IMMER 100% Musik aus der EdO zu hoeren, fast immer in Tandas mit Cortinas. (Es gibt sehr wenige Milongas, die ueberhaupt dieses Muster brechen und ich habe seit langer Zeit keine alternative oder modernere Musik auf einer Milonga gehoert).

Was den Raum, die Akustik und die architektonischen Bedingungen angeht, kann ich nicht waehlerisch sein. Es gibt wenige Milongas hier die ein gutes Sound-System haben. Und die besten Taenzer gehen oft zu den Milongas in den schlechtesten Rauemlichkeiten.

Die Entfernung spielt schon eine Rolle -- und die Buslinie, die mich mit der Milonga verbindet. Vor allem jetzt im Winter ist nicht so schoen eine Stunde an der Bushaltestelle zu warten. Und wenn man danach noch 45 Minuten Busfahrt hat -- da kann man leicht mehr Zeit unterwegs als beim tanzen verbringen. Allerdings, soll die Milonga besonders gut sein, bin ich auch bereit, an der kalten Bushaltestelle mir eine Weile die Fuesse zu stampfen. Allerdings wuerde ich nie auf die Idee kommen, 30 oder 40km mit dem Bus zu fahren, um in eine Milonga zu gehen.

Also, kurz gesagt: der DJ ist mir sehr wichtig. Aber wichtiger sind mir die Taenzer.

Klaus Schwarzwälder hat gesagt…

Hallo Terpsichoral, schön, dass du unseren Beitrag kommentierst. Ich bin ein fleissiger Leser deines Blogs, dabei wird allerdings mein Englisch immer aufs härteste getestet.

Ich bin mit dir einverstanden, wenn alles stimmt aber die guten Tänzer und Tänzerinnen fehlen macht auch die schönste Milonga keinen Spass. Aber die "Schönen und Coolen" die andere mobilisieren sind nicht gezwungenermassen auch die guten bis sehr guten TänzerInnen. Ich behaupte sogar, unbescheiden wie ich bin, das Tanzniveau ist in unserer Milonga eher überdurchschnittlich, auf unsere Region bezogen.

Wenn man nicht nur auf der lokalen Milonga einer Kleinstadt tanzen will, muss man gezwungenermassen 30 bis 100 km fahren, denn
so viele Milongas auf so kleinem Raum wie in BA können wir in der Schweiz nicht erwarten, denn die ganze Schweiz hat bei weitem nicht so viele Einwohner wie BA.

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank für dieses äusserst informative Interview. Ich persönlich finde die Frage, warum kommen nicht mehr Besucher bei wohl excellentem Klang sehr spannend. Es scheint ja wohl auch so zu sein, dass die DJs alle sehr erfahren sind. Also ..... was ist es? Ich will nicht unhöflich sein, aber ist es vielleicht das Alter der Veranstalter? Ist der Raum "uncool"? Ich hätte mir da noch etwas mehr Diskussion gewünscht. Bin leider am Vortragswochenende ausgebucht, sonst wäre ich gerne gekommen. Gibt es denn noch freie Plätze?

Peter Fangmeier hat gesagt…

Hallo Klaus,
weniger einwohner aber dafür auch weitaus mehr berge... aber spass beiseite...
die erreichbarkeit spielt auch eine große rolle, den 100 km autobahn ist oft schneller als 50 km land/stadtstraßen und ausreichend parkplätze sollten auch in angenehmer reichweite vorhanden sein. der rest ist einfach ausgerdückt eine kombination aus dem kommen von begehrten tänzerinnen und tänzern und dem gastro-konzept und optischer gestaltung der milonga.

bg Peter Fangmeier

eine tänzerin hat gesagt…

@anonym
"Vielleicht ist es das Alter der Veranstalter?" Warst du schon mal in Buenos Aires? Dort sind die Veranstalter der erfolgreichsten Milongas oft sehr alt (was immer das heissen mag) und die ziemlich alten Milongueros sehr begehrt (die Milongueras auch, aber mit Einschränkungen). Also ??

Unknown hat gesagt…

"Aber die "Schönen und Coolen" die andere mobilisieren sind nicht gezwungenermassen auch die guten bis sehr guten TänzerInnen. …das Tanzniveau ist in unserer Milonga eher überdurchschnittlich, auf unsere Region bezogen."

... und es ist alles anderes als "cool" – eure Milonga. Es ist eine traditionelle, entspannt angenehme, soziale Milonga, wo "uncoole" Tänzer introvertiert und rücksichtsvoll auf die Tanzfläche agieren. Sowas mögen nicht alle...

Ein Fan von der Milonga im Biel/Biene

LOCOTANGO-Team hat gesagt…

Liebe Tangoleute,
"Anonym" stellt die Frage nach freien Plätzen für den Vortrag vom 16./17.6. zur Musik der EdO. Nachdem der Beitrag von Cassiel aufgeschaltet wurde, war alles ausgebucht. In der Zwischenzeit haben wir aber drei Absagen erhalten, die mit der Warteliste nicht aufgefüllt werden konnten. Also, wer Interesse hat, hat noch Chancen, einen Platz zu ergattern.
Herzlich, das LOCOTANGO-Team

Klaus Schwarzwälder hat gesagt…

@ Sweti,

ja wir haben solche Fans, die nicht nur 30 oder 50 km fahren für unsere Milonga sondern 600 km. Schon bald werden wir wieder unsere genussvollen Runden gemeinsam in Biel drehen können!!!! :-))))

@ anonym

daran habe ich jetzt wirklich noch nie gedacht. Das Alter der Veranstalter soll eine Rolle spielen? Aber ich kann dich beruhigen, wir sind als Veranstalter der Verein LOCOTANGO und somit ein Kollektiv zwischen gut 40 - bis knapp 70 Jahre alt. Ist es möglich, dass du das Restaurant XY obwohl es excellent ist nicht besuchst nur weil der Koch schon 62 Jahre alt ist. Oder hörst du keine Musik von Orchestern, deren Dirigenten schon über 70 sind, und, wenn du Popmusik magst, musst du auf Qualität verzichten, denn die wirklich guten sind alle über 60 Jahre alt.

Als Tänzer und Mitveranstalter hatte ich bis jetzt noch nie das Gefühl unser und im speziellen mein Alter spiele irgend eine Rolle.

B. G. hat gesagt…

Ich finde das Interview sehr aufschlussreich, allerdings an manchen Stellen etwas seicht; Cassiel, da bin ich anderes gewohnt.

Für mich stellt sich die Frage, warum eine augenscheinlich hervorragende Milonga nicht explodierende Besucherzahlen aufweisen kann. Aber vielleicht ist diese Frage vergesellschaftet mit der landläufigen Meinung, traditionelle Festivals (wie z.B. das FcA) sind nur etwas für elitäre Snobs (was natürlich Unfug ist).

Natürlich stellt klassische Tangomusik höhere Anforderungen an die Tanzenden. Wer sich irgendwann mit seinem einmal gelernten Tango zufrieden gibt, der mag vielleicht eine solche Milonga oder ein entsprechendes Festival nicht besuchen.

Das klingt unter Umständen etwas negativ aber ich könnte mir vorstellen, dass ich nicht ganz unrecht habe. Ich würde mir wünschen, dass sich Tanzende permanent fortbilden (sei es tänzerisch, musikalisch oder auch theoritsch). Dann kann sich beim Tango noch wunderbares entwickeln. Der Vortag von Christian scheint auch so ein unverzichtbares Fortbildungsangebot zu sein (Christian, wann kommst Du endlich mal nach Norddeutschland?).

Klaus, Rene und Peter Euch gebührt Dank für den unermüdlichen Einsatz - Cassiel, Du hast daran gedacht und nach einem Jahr nachgefragt (ich hatte das schon wieder ganz vergessen).

Viele Grüße

Anonym hat gesagt…

@Klaus Schwarzwaelder Da fuehle ich mich aber sehr geschmeichelt, dass ausgerechnet du meinen Blog gelesen hast.

Auch in Buenos Aires stimmt es, dass es Milongas gibt, die rappelvoll sind, wo aber das Niveau, meiner Meinung nach, nicht so hoch ist. Und hier bin ich oft etwas hin und hergezogen. Ich ziehe traditionelle Milongas, mit getrennten Sitzplaetzen fuer Maenner und Frauen, Cabeceo, Holzboden, Kellner, usw vor. Ich ziehe auch gerne schoene Klamotten an. Aber viele meiner Lieblingspartner bevorzugen Milongas wo auf haertem Boeden, in Raeumlichkeiten wo Cabeceo nicht so einfach ist (trotzdem benuetze ich es fast immer) und in Jeans getanzt wird. Ich versuche da also zwischen dem Traditionellen und dem Modernen abzuwechseln. Fuer mich uebrigens kann kein Taenzer 'cool' sein, wenn er nicht auch sehr gut tanzt. Das ist aber offensichtlich subjektiv.

Aber ich weiss, dass bei euch ganz andere Bedingungen herrschen als bei uns. Deine Milonga hoert sich sehr schoen an. Ich hoffe sie irgendwann besuchen zu koennen.

Liebe Gruesse aus dem winterlichen Buenos Aires.

TwoToTango hat gesagt…

Es gibt noch einen anderen Einfluss. Das Lokal ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln leider nicht so gut erreichbar. Ich fahre in Bern 10 min zum Bahnhof, dann von Bern mit dem Zug nach Biel 25 min und dann nochmals 10 min mit dem Bus innerhalb von Biel. Das mag für sich genommen nach nicht so viel Zeit klingen. Aber wenn abends die Fahrpläne nicht mehr so optimal getaktet sind und ich daher die Milonga ziemlich früh wieder verlassen muss, um einigermassen zu einer vernünftigen Zeit ins Bett zu kommen, schreckt es mich eben schon ab.
...was ich sehr bedauerlich finde, weil ich sowohl Sound als auch Musikauswahl und üblicherweise anwesende Tänzer sehr schätze...

Ratatouille hat gesagt…

Dieses Zitat passt zwar nicht unbedingt in diese Diskussion, aber ich kann es mir nicht verkneifen:

Wir wollen wieder 100 Prozent Sound, nicht diese lumpigen, nach nichts klingenden MP3. Ein neuer Stil, von dem du nur 5 Prozent mitkriegst, wird nichts bewirken.
"Neil Young" in <> vom 6. Juni 2012

Ratatouille hat gesagt…

Nachtrag:

Das Zitat stammt aus"Die Zeit" vom 6.Juni

cassiel hat gesagt…

@Ratatouille

Wieso sollte das Zitat hier nicht passen? Sehr schlauer Mensch dieser Neil Young...

Anonym hat gesagt…

100% sound statt mp3:

super, finde ich wichtig

edo:

super, tanze selber seit jahrzehnten am liebsten darauf - unbestritten der zenit in der geschichte der tanzmusik

der vortrag von Christian und Monika:

rethorisch wie sprachlich enttäuschend, präsentation langatmig, inhaltlich bedenklich mager, menschlich befremdend, sektiererisch bis assozial

der TJ:

kein flair für atmosphäre trotz super sound

dann sah ich die beiden tanzen und wunderte mich ob der unverfrorenheit dass solch schwache tänzer tanzkurse anbieten und sich dabei noch als gralshüter der edo aufspielen

fazit:

lieber Christian, liebe Monika, eure begeisterung in ehren, geniesst die musik, den sound und euer tanzen für euch alleine, aber bitte bleibt zuhause und verschont die welt mit eurem missionarischen eifer

cassiel hat gesagt…

@Anonym

Prinzipiell kann hier jeder seine Meinung artikulieren. Mich haben jedoch einzelne Formulierungen gewaltig gestört und die gesamte Anmerkung hat für mein Empfinden einen zutiefst destruktiven Grundcharakter.

Die Veranstaltung war als "Einführung" angekündigt; insofern kann man ihr nicht das Attribut "inhaltlich bedenklich mager" geben. Über Details des Vortragsstils und einzelne Ansichten kann man sicherlich debattieren und natürlich kann man über den Tango von Monika und Christian geteilter Meinung sein, aber sie wurden nicht als Showtänzer sondern als Vortragende gebucht. (Nebenbei bemerkt: Vielleicht müssen wir tatsächlich einmal über die Frage diskutieren, ob Lehrer spektakuläre Tänzer sein müssen.)

Wenn Du sachlich Deine Kritik untermauern kannst, dann schreibe bitte etwas präziser. Ich kann (und werde) es nicht zulassen, daß mein Blog zu einem Austragungsort unmotivierter Verbalinjurien verkommt.

Nichts für ungut...

Anonym hat gesagt…

Lieber Cassiel, ich wähle andere Worte, aber meine Botschaft ist ähnlich. Ich finde, Christian vergreift sich häufig im Ton und der Vortragsstil (abgelesen) ermüdet mich.

Warum kann er nicht so gelassen und "open minded" wie du sein? Dann würden seine Worte auch häufiger auf fruchtbaren Boden fallen. So wie ich ihn erlebt habe muss ich in Opposition gehen obwohl ich eigentlich fast immer seiner Meinung bin. Schade.

Di Sarli hat gesagt…

@Anonym

ich finde plakativen, effektascherischen Schlagzeilenstil" der Sache nicht angemessen! Außerdem wäre es vielleicht auch eine Überlegung Wert gewesen, es wie Patrick zu machen und auch tatsächlich die ganze Veranstaltung an beiden Tagen zu besuchen un dann, nach einer Nacht "drüber schlafen", die Kritik ausdifferenzierter einzubringen.

Christian hat von Anfang an gesagt, dass es auch mal deutlich werden würde.

Auch habe einige Aussagen als sehr überspitzt, teilweise auch schon anmassend empfunden, aber Christian ist in dieser Hinsicht sehr konsequent und im wahrsten Sinne des Wortes "radikal".

Dennoch vertrete ich mich meine, wohlgemerkt rein subjektive, Auffassung, dass seine akribischen, schon als detektivisch anzusehenden Recherchen gat nicht hoch genug eingeschätzt werden können!

Anonym hat gesagt…

@ anonym 1
Na na na, du hättest es gut etwas sanfter formulieren können, ist dir wohl in der Hitze des Gefechts so rausgerutscht, aber abgesehen davon muss ich mich deiner Meinung leider voll und ganz anschliessen. Ich war streckenweise sprachlos angesichts des herben Mangels an Feingefühl.

@ anonym 2
schön gesagt

@ di Sarli
Einige Äusserungen waren schlicht beleidigend, verletzend und unfreundlich. Das hat für mich mit deutlich, konsequent und radikal nicht viel zu tun. Anmassend passt da schon besser.

Die akribischen Recherchen sind beeindruckend und ich weiss diese zu schätzen, doch gilt: "Schuster bleib bei deinen Leisten" oder gut schweizerisch:" Machet den zun nit zu wit!"

mittelalt hat gesagt…

@ Di Sarli und andere,
nun ist also doch eine Diskussion über diesen Vortrag entbrannt.
Ich stimme zu, dass Christian von der Sache sehr akribisch arbeitet. Auch ich habe gehört, das er "deutlich wird" oder "klare Position" bezieht.

Allerdings, dabei fiel er ca. 1-2 mal pro Stunde in eine Gossensprache, dass es mir die Nackenhaare aufgestellt hat. Wie kann man sprachlich so weit vom Inhalt entfernt sein? Das Thema war schließlich die Faszination und Einmaligkeit der EdO. Die Unwiederholbarkeit der klassischen Epoche. Durch den unangemessenen (post-modernen, juvenilen) Sprachgebrauch hat er seinen eigenen (klassischen) Aussagen viel genommen. Schade.

@A So wie ich ihn erlebt habe muss ich in Opposition gehen obwohl ich eigentlich fast immer seiner Meinung bin.
So geht es auch mir und vielen, mit denen ich mich nach dem Vortrag ausgetauscht habe.

cassiel hat gesagt…

Ich möchte an dieser Stelle herzlich den Bericht von Patrick in seinem Blog zur Lektüre empfehlen. (leider wird der Link nur so lange gültig sein, bis Patrick den Beitrag ins Archiv verschiebt). Gerade habe ich bei Patrick kommentiert. Nachdem es immer etwas dauert, bis Patrick die Kommentare freigibt, kopiere ich meine Anmerkung vorab schon einmal hierher.

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Geneigter Kollege, darf ich einmal provokant fragen, was ist eigentlich in der Schweiz los? Da stampft jemand einen Vortrag aus dem Boden, den es in der Form und Ausführlichkeit bislang nicht gab und dann spricht dieser Referent am 2. Tag vor gelichteten Reihen? Wie soll ich das denn bittte verstehen? Oder betrachten wir den Umstand, daß dieser Vortrag erst einmal zwei volle Sääle in Deutschland gebraucht hat um dann auch mal in der Schweiz Beachtung zu finden. Gilt etwa der Prophet im eigenen Lande nichts?

Ich hatte das zufällige Glück, daß ich die Entstehung des Vortrags vom ersten "Man müsste einmal..." bei einem Glas Wein in Zürich anläßlich eines Besuchs bis zur Uraufführung beobachten konnte. Ich einnere mich noch sehr lebhaft an einen Abend in Zürich im letzten Sommer als Christian einmal die erste Stunde zur Probe vortrug. In dem Vortrag steckt unglaublich viel Arbeit. Damit es für keinen Besucher der Veranstaltung zu bösen Überraschungen kommt, wurde auch ein detailliertes Programm als PDF mitgeliefert und im Vorfeld gab es einen Bericht von Klaus Schwarzwälder im Netz. Ich denke, Monika und Christian werden sich in Biel genau an diese Gliederung gehalten haben. Also kann niemand behaupten, er habe nicht gewußt, auf was er sich einlässt.

[Längenbeschränkung bei Kommentaren Teil 2 im nächsten Kommentar]

cassiel hat gesagt…

[Teil 2]
Daß Christian in manchen Formulierungen sehr deutlich seine Meinung formuliert ist mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Umstand geschuldet, daß man ihn sonst möglicherweise überhört. Es ist zweifelsohne das Verdienst von Christian, daß er die Musik der Epocha de Oro wieder auf die Tagesordnung des Tangos im deutschsprachigen Raum gesetzt hat: Ohne Kompromisse. Seit dem Buch von Arne Birkenstock und Helena Rüegg aus dem Jahr 1999 und der Artikelserie von Jürgen Bieler in der TD (zwichen 2001 und 2006) gab es nach meinen Beobachtungen keinen derartig nachhaltigen Versuch, den Zugang zur klassischen Tangomusik breiten Schichten von Tänzerinnen und Tänzern zu erschließen.

Nun im Einzelnen auf jede Deiner Lästereien einzugehen ist mir zu mühsam, es bringt wahrscheinlich auch nichts, wenn ich Dir beispielsweise schreibe, daß De Angelis mi noche triste 1964 - also lange nach der Epocha de oro eingespielt hat, oder daß es eine zusätzliche enorme Schwierigkeit ist, mit drei Quellen (2 Laptops und einem Mikrofon) statt mit einer Klangquelle (wie üblich auf Milongas) zu operieren und mit dem technisch unbefriedigenden Video-Material zu arbeiten (Christian ist einer der wenigen DJs, die vor jeder Milonga ihre Playlist auf eine möglichst homogene Lautstärke einpegeln - bei Videos, die über eine Keynotepräsentation zugespielt werden geht das technisch nicht).

Im Kern bleibt es bei der Frage, ob man sich den (vielleicht partiell unbequemen) Wahrheiten von Monika und Christian stellen will oder ob man sich an einzelnen Formulierungen reibt. Das bleibt jedem selbst überlassen. Wir können weiterhin Tanguera von Mariano Mores auflegen und das tanzen, was wir für Tango halten (keine Frage, bevor ich die Musik der EdO kennengelernt habe, fand ich das Stück auch ganz nett). Wir können uns aber auch entschieden, das reichhaltige Repertoire der klassichen Tangomusik für uns zu erschließen und langfristig wird unser Tango besser. Monika und Christian haben jedem aufmerksamen Besucher einen Leitfaden an die Hand gegeben. Jede Zuhörerin / jeder Zuhörer kann sich frei entscheiden, ob sie / er den mühsamen und spannenden Weg gehen will oder nicht.

bird hat gesagt…

Hi all,

auch ich habe diese Vorträge gehört, tuti und inkl. anschließender Milonga,in Deutschland.
Die Kritiken die hier geäußert wurden kann ich im großen und ganzen verstehen und bestätigen und hoffe Christian liest mit und ist bereit diese Informationen über sein Tun offen anzunehmen, zu überdenken und vielleicht das ein oder andere zu berücksichtigen und zu integrieren.
Seine Vorträge würden mit Sicherheit davon profitieren, denn, so wie ich das hier verstehe und selber sehe und erlebt habe, will kein Kritiker hier grundsätzlich die enorme Arbeit und auch die vielen inhaltlich wertvollen Beiträge die Christian weiter gibt schmälern.

bird hat gesagt…

Ergänzen möchte ich noch, was ich ganz große Klasse fand.
Endlich konnte ich bei einer Milonga sehen nach, was ich tanze, wer der Orchesterleiter ist, wer der Sänger und sogar was vorraussichtich als nächste Tanda gespielt wird.
Mich hat das riesig gefreut.
Hierfür ein herzliches Dankeschön an Christian.

Unknown hat gesagt…

Lieber Cassiel,
ganz nebenbei, sprichst du eine wichtige Frage an: "ob Lehrer spektakuläre Tänzer sein müssen". Ja, Cassiel, ich denke, sie müssen. Sie müssen, weil sie gewerbetreibende Dienstleister sind. Potentielle Kunden, die wenig bis gar keine Ahnung von Tango haben, besitzen eine vage Vorstellung was dieser Tanz darstellt. Diese Vorstellung wird noch negativ durch Klischees, die durch die Medien in der letzten Zeit massiv verbreitet werden, beeinflusst. Genau diese geistigen Bilder müssen (Tanz)Lehrer bedienen um eine erfolgreiche Akquise zu betreiben. Ich denke, das ist auch legitim. Einige, meist erfahrene, Tangotänzer haben verstanden, dass der extrovertierte Tanzstil des Bühnentangos in dem soziallen Umfeld einer Milonga nicht unbedingt erwünscht ist und versuchen introvertiert zu tanzen. Da diese Gruppe Tänzer nicht die Zielgruppe von Tangolehrer ist, entsteht der Konflikt, was du angedeutet hast.

Um auf die aktuelle Diskussion zu kommen, kann man die Frage stellen, ob Workshopleiter begnadete Redner sein müssen. Reich nicht aus, dass umfangreiche und fundierte Vorbereitungsarbeiten zu sehr spanende Inhalte geführt haben? Ich denke, die Antwort diese Frage ist auch von der Zielgruppe abhängig. Im akademischen Umfeld ist es eher typisch, dass die Inhalte in Vordergrund stehen und die Form der Darstellung eher nebensächlich ist. Da sich bei der Vortrag von Christian um eine Einführung für Tänzer handelt, war die Zielgruppe eindeutig definiert – es wurden nicht Lehrer, nicht TJs, sondern es wurden Tänzer angesprochen, die (meistens) das Tangotanzen als Freizeitbeschäftigung betreiben. Ich denke, für diese Zielgruppe sollen die Inhalte didaktisch entsprechend vorberietet sein und rhetorisch gut rübergebracht werden.

Ich habe den Vortrag von Christian in Regensburg besucht. Die angesprochen „Mängel“ (und auch einige anderen) sind mir aufgefallen, gestört haben die mich nicht. Ich war von den Inhalte und vor allem durch die immense Arbeitsaufwand der dahinter steckt, so begeistert, dass ich einige Wertungen und Kraftausdrücke gerne verzeiht habe.

Ganz entschieden möchte ich mich gegen die Kritik an den Tanz den beiden währen. Ich empfinde den Tanzstil von Monika (mit Christian habe ich noch nicht getanzt) als ganz angenehm. Musikalität und eine ausgesprochen gute Körpergefühl führten zu wunderbare Tänze.

Anonym hat gesagt…

@Cassiel: ich werde vermutlich von Dir ermahnt werden, aber es muss jetzt einfach einmal raus. Sonst platze ich.

[rant]
Mir geht die Stänkerei, die offensichtlich überwiegend von Neid motiviert ist, gewaltig auf den Wecker. Es ist so typisch für den Tango und das kotzt mich immer mehr an. Da wird ein toller Vortrag angeboten und was passiert? Es wird hauptsächlich über den Vortragsstil debattiert (abgelesen, nicht abgelesen, Formulierungen etc.).
Und dieser Blogger in Basel ist ja wohl der Größe. Er lässt sich erst einladen zu einer Veranstaltung, die er nachher niederschreibt. Da muss man schon ganz schön abgebrüht sein. Oder gab es nicht genug "Schoggi"? Ekelhaft!
So ihr Bedenkenträger in Formulierungsfragen: Habe ich euch jetzt enttarnt? Weil ihr Christian inhaltlich keinen Fehler nachweisen könnt geht es halt um Stilfragen. Großartig!
[/rant]
(Einschränkung, dieser Rant bezieht sich auf unsachliche Kritik. Argumentativ begründete und konstruktive Verbesserungsvorschläge meine ich nicht.)

Das musste mal geschrieben werden.

Peter Fangmeier hat gesagt…

Hallo Sweti,

muß dir wiedersprechen, lehrer im tango etc. müssen keine spektakuäre tänzer sein. sie sollten gute lehrer sein, den stoff beherschen und in der lage sein ihn zu vermitteln. überspitzt ist ein weltmeister immer nur der zweite.... wird er doch von einem besseren trainiert.

ich hab christian's vortrag auch in regensburg gehört, fand aber seine formulierungen soweit ok, den einen oder anderen schärferen ausdruck verzeihe ich ihm, vielecht nutzt er die wortwahl um wieder aufmerksamkeit auf thema zu lenken !! das thema ist kompliziert und interessant zugleich aber überrascht bin ich das hier über 1% des vortrages diskutiert seitenlang geschreiben wird und alle den kleinen rest der 99 anderen % vergessen.

cassiel hat gesagt…

@letzter Anonym
Bei allem Verständnis für Deine hochkochenden Emotionen muss ich auch bei Deinem Beitrag intervenieren. Nur weil Du das schon vorausgesehen hast, ist es noch lange nicht in Ordnung. Und dabei spielen m.E. zwei Aspekte eine wichtige Rolle. Zum Einen will ich verhindern, daß hier Diskussionen aus dem Ruder laufen und solche Beiträge wie Deiner leisten einer Verrohung des Umgangs Vorschub. Das will ich nicht. Zum Zweiten gibt es einen Aspekt, der subtiler und langsamer wirkt: Wenn man in solchen Kategorien denkt und spricht, dann vergiftet es einem das Tango-Karma (klingt esoterisch - ist aber so).

Es mag also durchaus sein, daß Neid bei den verbalen Merkwürdigkeiten eine treibende Kraft war (ich gestehe, ich hatte auch solche Gedanken). Es bringt nur überhaupt nichts, das dann auch derartig plakativ vorzutragen. Natürlich sind die Beschwerden hier rein zahlenmäßig in der Überzahl und das entspricht nach meinen Erfahrungen überhaupt nicht dem Stimmungsbild einer Veranstaltung. Diejenigen, die etwas auszusetzen haben schreiben viel flotter als diejenigen, denen es gut gefallen hat. Das ist vielleicht unbefriedigend, aber es ist nicht zu ändern.

Abschließend eine Bitte: Wenn Du an Patrick etwas auszusetzen hast, dann kläre das bitte direkt mit ihm und spiele nicht hier über Bande. Natürlich fand ich Patricks Bericht auch eher ... bemerkenswert (neutrales kann ich es nicht formulieren), aber das muss er vertreten.

Ich wünsche mir dann für den weiteren Verlauf eine sachliche Diskussion.

Vielen Dank.

Christian Tobler hat gesagt…

@ alle,

mit den hier und bei Tango-Blogger Patrick aus Basel geposteten kritischen Stimmen muss ich als Macher leben, das ist lediglich die anderer Seite ein und derselben Medallie. Wenn solche Äusserungen für einmal geballt kritsch ausfallen, kann es für Aussenstehende allerdings schwierig werden einzuschätzen, was Sache war an so einer Veranstaltung. War die tatsächlich so eine Katastrophe oder wurden da lediglich einige Vorurteile entlarvt?  

Über die vernichtende Kritik von Anonym 01:46 kann ich nur schmunzeln. Der fehlt das Fleisch am Knochen: enttäuschend, langatmig, mager, befremdend und asozial sind deutliche Adjektive - vermeintlich. Aber diese Deftigkeit hängt in einem argumentativen Vakuum. Sie ist nicht an glaubhaften konkreten Beispielen festgemacht. Ich denke, Leser wissen ganz von allein, was von solchen Argumentationen zu halten ist. Die diffuse Formulierung verunmöglich sachliche Antworten, jeden konstruktiven Disput. Dahinter steckt natürlich Absicht. Anonym 01:46 will niedermachen ohne das Risiko einzugehen sich einem Disput stellen zu müssen, was anonym natürlich besonders einfach ist. Dazu werde mich daher kein zweites Mal äussern.

Blogger Patrick aus Basel empfehle ich, ein einziges Mal was ähnlich Komplexes, Anspruchsvolles auf die Beine zu stellen und durchzuführen. Hinterher können wir gerne miteinander debattieren. Schlecht machen was andere auf die Beine stellen ist dagegen ein etwas mageres Konzept. Da halte ich mich lieber an die vielen Teilnehmer, welche sich bei uns persönlich bedankt oder uns ein Mail geschrieben haben. Denn diese Teilnehmer umfassen zahlenmässig ein Vielfaches der herben Kritiker in zwei Blogs.

Wie zu Beginn des Wochenendes angekündigt, gab es für alle Teilnehmer zum Abschluss eine Diskussionsrunde zwecks Beantwortung von Fragen, Äusserung von Kritik. Davon hat rund ein Drittel Gebrauch gemacht. Diese Gespräche haben über eine Stunde gedauert, waren spannend, teils durchaus kontrovers und auch für Monika und mich wertvoll, weil sie aller unterschiedlicher Positionen zum Trotz im einem konstruktiven Rahmen stattfanden, der uns tatsächlich hilft herauszufinden, wo wir uns verbessern können.

Denn eines ist klar: wir sind natürlich weit davon entfernt, alles richtig zu machen und hören hin, wenn kritische Äusserung auftauchen - solange konstruktive Aspekte dabei nicht vollkommen unter die Räder geraten und das Thema Tango Rioplatense bleibt. Monika und ich haben in dieser guten Stunde einige wertvolle Anregungen erhalten, die es uns erlauben den Vortrag bis zum nächsten Termin in September in Österreich nahe Linz nochmals zu verbessern.  

Die Ausschreibung der Veranstaltung hat präzis beschrieben was vom Wochenende zu erwarten war. Wer hier im Blog in der Vergangenheit gelegentlich mitgelesen hat, wusste was ihn Biel erwartet. Ich habe noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Hinterher die Ausrichtung des Wochenendes und die Eindeutigkeit der Aussagen überrascht und pikiert zu kritisieren halte ich für bigott. Auf diesem Niveau zu streiten ist nicht zielführend. Daher möchte ich dieses eine mal Fotos sprechen lassen. Auf Facebook gibt es ein öffentliches Album mit einem Dutzend Fotos vom Anlass in Biel.

öffentliches Fotoalbum auf Facebook vom Vortrag in Biel

Alle die in Biel nicht dabei waren, haben dort Gelegenheit sich die Teilnehmer dieses Wochenendes selbst anzuschauen, ihren Gesichtsausdruck zu studieren und dann selbst zu entscheiden, ob diese Menschen die zwei Tage genossen oder erlitten haben.

herzlich - Christian

Eva und Wolfgang hat gesagt…

Ich beobachte mit etwas Erstaunen die Diskussionen um Christian Toblers Vortrag in Biel. Vorab muss ich sagen, dass ich in Biel nicht dabei war, aber den Vortrag und die Milonga von Regensburg besucht habe und zusammen mit einigen Mitstreitern hier den Vortrag mit Milonga in Augsburg organisiert habe. Ich gehe mal davon aus, dass die Veranstaltungen im Großen und Ganzen vergleichbar sind, wenn auch, wie von Cassiel angemerkt, die Inhalte sich weiterentwickelt haben.
Wir (meine Frau Eva und ich) haben vor ca. 4 Jahren begonnen, Tango zu tanzen, nachdem unser Sohn Tanzkurse besucht hat und wir etwas für uns machen wollten. Vor allem ich wurde von meinem Schöpfer mit wenig Tanztalent ausgestattet und ich muss mir alles erarbeiten. Wir bezeichnen uns heute übrigens als „fortgeschrittene Anfänger“, ohne Anspruch auf Richtigkeit, aber mit viel Spaß an der Sache. Nach etlichen Kursen, Workshops, Praktikas, Einzelstunden und Tanzabenden haben wir festgestellt, dass wir nur sehr wenig bis garnichts über die Musik, also den Ursprung des Tanzes wissen.
Auf dieser Suche nach dem Ursprung des Tangos sind wir über einen Artikel in der Tangodanza auf Monika und Christian gestoßen und haben diese angeschrieben. Ich war absolut überrascht von der Freundlichkeit und dem Umfang der Antwort, woraus sich über Wochen ein Austausch mit vielen Anregungen und Möglichkeiten für unser „Problem“ ergeben hat. Das Ergebnis war der Entschluss, seinen Vortrag im Augsburger Raum zu veranstalten. Um zu wissen, worauf wir uns einlassen, habe ich den Regensburger Vortrag als Gast besucht und ich war schon dort begeistert vom Inhalt, dem Umfang und der Qualität der Musik. Beeindruckt hat mich die Musik an der Milonga. Ich habe über viele Stunden entspannt zuhören und tanzen können, ohne dass es mich gestresst hat. (Für mich war das neu.)
An jedem Vortrag (auch beruflich), den ich bisher besucht habe, gab es auch etwas auszusetzen, aber für mich ist es immer wichtig, ob ich Impulse bekomme, die mich weiterbringen.
Tangotänzerisch sind wir fast seit Beginn unseres Tango-Lebens Schüler von Stravaganza in Berlin und somit wirklich nicht auf „Schrumpeltango“ aus den EDO Jahren geeicht gewesen. Unsere Lehrer, Ulrike Schladebach und Stephan Wiesner, sind eher für den moderneren Bühnentango bekannt, der von den „Traditionalisten“ ja so kritisiert wird. Sie tanzen extravagant und gerne auch zu guten modernen Tangostücken oder Klassik oder zu den Highlights der EDO, wobei sie auch Piazzolla nicht verschmähen. So außergewöhnlich ihre Bühnenperformance ist, so klassisch und konservativ unterrichten sie. „Denn nur wer die Achse, Bewegung und das Miteinander beherrscht, kann auch extravagante Dinge tanzen“.
Der Vortrag hat uns, vielen unserer Tangofreunde hier in Augsburg und vielen Besuchern aus ganz Deutschland (wie ich die Feedbacks bekommen habe) eine ganze Reihe von Impulsen gegeben und bei mir die Liebe zur Musik aus den goldenen Jahren des Tangos entfacht. Unser Tanz hat sich seit Februar in unserer Gruppe Stück für Stück verändert. Es ist Bezug zur Musik entstanden und wir sind bemüht, das immer besser umzusetzen, was leider nicht von heute auf morgen funktioniert. Das ist der Verdienst von Christian und Monika, erreicht durch den Vortrag.
Ja, auch bei uns haben sich Teilnehmer an der „unerbittlichen“ Liebe von Christian zu guter Wiedergabetechnik und Musik der EDO gerieben, das ändert aber nichts daran, dass er uns diese beiden Themen nahe gebracht hat. Wir sind ihm dafür dankbar!

Bei all den „Tangoprofis“, die sich hier zu Wort melden und harsche Kritik (teilweise deutlich unter der Gürtellinie äußern), muss ich mich fragen, warum diese sich zu einem Vortrag mit dem Titel „Einführung in die Epoca de Oro…“ anmelden? Vielleicht hat ja mancher nur darauf gewartet deutliche Kritik loszuwerden und war von Beginn an auf „Krawall gebürstet“?
Macht es besser, ich freue mich über jede Gelegenheit mein „Tangowissen“ verbessern zu können.

DRico hat gesagt…

Die Arbeit, die Recherche, das Engagement in Ehren (Dank dafür!). Aber das ist doch wie ein Vortrag über das Verbot von Kinderarbeit vor der Uno. Da haben die meisten schon die "richtige" Meinung. Es fehlen Details und Maßnahmen. Keks gegessen, Kuh vom Eis, Drops gelutscht.
Richtig ist und richtig gut ist, seine "Sache" überzeugend und mit dem Schwerpunkt auf den Inhalt (sic!) zu transportieren. "Abweichler" wird es immer geben. Und da muss sich der Vortragende durchaus Kritik gefallen lassen, ob er nicht durch die vielleicht zu forsche Vereinnahmung der eher unstrittig konsenzfähigen Meinung einfach und allein durch sein polarisierendes Auftreten so die Meinung spaltet und soviel Mißtrauen säht, dass die ausgewogenen und abwägenden Leute dem platten Pfad nicht so simpel folgen wollen. Die Maximalwirkung wird verfehlt, evtl. das Gegenteil erreicht. Schade. Falsche Eitelkeit für nix.
Typisch Tango.
Nichts für ungut.
DrR

Anonym hat gesagt…

Ach du meine Güte!
Als Skandinavierin, die seit Jahrzehnten in D lebt, und seit Jahren Tango tanzt, kann ich nur sagen : wie deutsch! Alles zerlegen, alles analysieren, Fehler suchen.
Eine Bereicherung! ist das doch, wenn sich einer mit der Musik des Goldenen Zeitalters dermassen intensiv auseinandersetzt. Ob " dogmatisch " vorgetragen oder nicht - lernen kann man sicherlich davon, wenn man selber " zu faul " ist, um diese investigative Arbeit zu leisten. Tango hat, vielleicht, für jeden von uns eine ganz persönliche Bedeutung. Musikalisch,Emotional, oder ... Bewegungstechnisch. Seien wir doch froh, wenn sich Einer mit einem Aspekt dieser Sache, die wir alle lieben, so intensiv auseinandersetzt!
Kerstin

Dominio hat gesagt…

Liebe Konsumenten,

wohlwissend, dass ich jetzt am ursprünglichen Thema ein wenig vorbei schreibe und mein Beitrag vielleicht auch Oberlehrer-mäßig daher kommt....

Ich möchte zum Thema Feedback geben/Kritik äußern an einige aus Funk und Fernsehen ganz allgemein bekannte Regeln erinnern, weil nahezu alle Kritiker s.o. dagegen verstoßen. Vielleicht ja, weil "Motzen statt Machen" immer einfacher ist, vielleicht auch, weil eigener Frust unter dem Deckmantel der Anonymität gut abgeladen werden kann. Vielleicht auch, weil ihnen das bißchen Etikette unbekannt ist.
Grundsätzlich sollte Kritik möglichst direkt an die betreffende Person zurück gemeldet werden. Christian hat hierfür als letzten Programmpunkt einen Rahmen angeboten, den jeder Teilnehmer hätte nutzen können.
Kritik sollte immer höflich, ausführlich und konstruktiv vorgebracht werden, damit sie dem Kritisierten auch weiter helfen kann.
Dabei sollte der Kritiker möglichst konkret BESCHREIBEN, was er beobachtet hat und dabei auch POSITIVES nennen (ich bin der Meinung, dass man an jedem Vortrag, und sei er noch so schlecht, auch etwas Positives finden kann). Rundumschläge sind vernichtend! Hübsch ist es außerdem, wenn der Kritiker seine Aussagen auf sich bezieht (Ich-Botschaften, ein alter Hut).
Noch hübscher ist es, wenn die Kritik auch HILFREICH ist und dem Kritisierten einen Ausweg bzw. eine Lösung offen hält und der Kritisierte sein Gesicht behalten kann.
Die vermeintliche Kritik der ganzen Anonymen weiter oben ist für mich reine Lästerei und sagt mehr über den Schreiberling, als über den Vortrag von Monika und Christian aus.

Nun zum zweiten Thema, dem Vortrag (den ich allerdings in Augsburg gehört habe):
Da mir der Vortrag der beiden ausgesprochen gut gefallen hat, habe ich ihnen ein Feedback per Mail zukommen lassen und auch Freunden begeistert davon berichtet. Ich habe das Bedürfnis, dass Bild, das die Anonymen gemalt haben, ein bißchen zu verändern. Nicht zuletzt, weil vielleicht auch Interessierte mitlesen, die mit dem Gedanken spielen, den EDO-Vortrag irgendwann mal zu besuchen.
Ich danke Monika und Christian für diesen, alle Sinne einbeziehenden Vortrag! Sie haben 21 Orchester vorgestellt, Hörvergleiche (EDO vs moderne Orchester) angestellt, die Teilnehmer tanzen lassen, Tanz-Videos gezeigt, das Tanzen musikalischer Phrasen initiiert und manchmal auch mit markigen Sprüchen ihre ganz persönliche Position unterstrichen.
Ich habe Hintergrundinformationen und biographisches Material zu den Musikern erhalten, welche ich vorher nicht hatte.
Monika und Christian haben mich noch süchtiger gemacht, mehr über die Musik der EDO zu erfahren.
So empfand ich die Zeit als zu knapp bemessen. OTV in 5 Minuten abzuhandeln geht gar nicht ;-)!!!! Ich würde sofort und regelmäßig an einem fortlaufenden Workshop teilnehmen, in dem sich für jedes Orchester ein ganzer Tag Zeit genommen wird.
Es wirkte so, als mußte sich Christian zwingen, sein Wissen zu den jeweiligen Orchestern auf das Nötigste zu reduzieren. Was für eine Aufgabe....Hätte er frei gesprochen, dann hätte er sich wahrscheinlich, so wie ich ihn kennengelernt habe, verrannt. Eben weil er so viel erzählen könnte.
Christian hat außerdem eine große Affinität für die technische Ausstattung einer Milonga (wahrscheinlich mit dem Ziel, möglichst viel des originalen EDO-Sounds auf die Tanzfläche bringen) und hat auch dieses Wissen zur Verfügung gestellt (interessant für TJs und Veranstalter). Als TJ hat er auf der sich anschließenden Milonga tolle Musik gespielt, die vielleicht so manches Mal die Tänzer überfordert hat (das Tanzniveau war mittelmäßig). Ein paar Smash-Hits fehlten ;-)
Aber: es war eine rundum gelungene Veranstaltung und ich würde sie ein weiteres Mal besuchen.
Und einmal mehr habe ich die älteren Pugliese-Stücke für mich entdeckt.....

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir bisher noch niemand begegnet ist, der mit dieser großen Leidenschaft recherchiert und sein Wissen vermittelt.
Danke!

cassiel hat gesagt…

@Coqueta

Ein sehr schöner und ausführlicher Beitrag (fast so etwas wie ein Schlußwort). Ich möchte allerdings noch einen Punkt zum Thema Kritik ergänzen, den ich wichtig finde.

Für mein Empfinden wird von Kritisierenden häufig übersehen, daß Aufführende (egal ob Musiker, Schauspieler, Tänzer, Organisatoren oder - wie in diesem Fall - Vortragende) unmittelbar nach einer Darbietung einfach leer und erschöpft sind. Ich denke so ein Wochenende ist sehr kräftezehrend. Anreise, Aufbau, Vortag, Milonga, noch einmal Vortrag, Abbau, immer präsent sein für Teilnehmer, Fragen beantworten, bei Gastgebern wohnen und mit diesen auch Zeit verbringen usw. usf.

Da verbietet es sich für meine Begriffe von selbst, mit verletzender Kritik vorstellig zu werden. Nun sind die Toleranzen bezügl. dessen, was verletzend ist und was nicht, sehr verschieden. Insofern ist größtmögliche Rücksichtnahme durchaus angebracht.

Simon hat gesagt…

Zunächst einmal muss ich sagen, Coqueta hat Recht, die negativen Kritiken gehen fast nur auf die negativen Aspekte ein.

Aber: Mir fehlt hier etwas!
Ich sehe negative Kritiken (z.B. von Patrick), und "Inhaltsangaben" (z.B. der Beitrag von Coqueta, oder der Blog Gastbeitrag von Klaus Schwarzwälder, der zu mindestens 2/3 einfach den Inhalt erzählt, den ich auch dem Program entnehmen kann. Aber wo sind postive oder neutrale Kritiken?

Das soll jetzt keine Wertung darstellen, es wundert mich nur.

Gruß,
Simon

Terpsichoral hat gesagt…

Bis ich den Blogeintrag des Schweizer gelesen hatte, hatte ich eigentlich nicht die geringste Ahnung, worum die ganz Kritik am Vortrag ging. Es scheint mir jetzt, die Kritiker fanden Christians paedagogischen Stil etwas schwer verdaulich. Aber inhaltich scheint der Vortrag sehr interessant gewesen zu sein. Ich zumindest waere gerne dabei gewesen.

Terpsichoral (Entschuldigung -- ich verstehe nicht, warum ich nicht von Google aus posten kann, aber es geht nicht).

avetango hat gesagt…

Ein Rückblick (auf den Vortrag in Linz / St. Valentin am 15./16. September 2012)

Nach seinem Musikvortrag in Biel erntete Christian Tobler harsche Kritik. Rauhe Töne, teilweise deutlich unter der Gürtellinie ließen mich zweifeln. War es richtig, mich für seine Darbietung in Linz anzumelden? Ich muss in meiner knapp bemessenen Freizeit einen längeren Weg auf mich nehmen und was wird mich dann dort erwarten? Provokation? Trennung? Destruktive Diskussionen?

Auf der anderen Seite will ich die Veranstaltung selbst erleben, um mir mein eigenes Bild machen zu können und so entschied ich mich für die Reise nach Linz.

Von den dortigen Veranstaltern wurde ich für´s Erste schon mal sehr herzlich empfangen, es herrschte eine ruhige, vorfreudige Stimmung und die wilde Über-Kopf-Boxen-Konstruktion ließ darauf schließen, dass sich hier einer etwas dabei gedacht hat. An Ideenreichtum war dieses zusammengebastelte schwarze Etwas kaum zu übertreffen und da stellte sich mir natürlich die Frage, lohnt sich dieser Aufwand einer Seilschaft zwischen Decke, Aktiv-Boxen, Passiv-Boxen und sonstigen Geräten überhaupt?

Auf Pünktlichkeit wurde Wert gelegt und so startete das Wochenende für die Sinne.
Monika Diaz und Christian Tobler führten gekonnt durch die verschiedenen Grand Orchester der Epoca de Oro, kurzweilig, spannend, sehr interessant gestaltet mit Bildern aus längst vergangenen Tagen, Hintergrundwissen zu den verschiedensten Konstellationen der damaligen Könner und natürlich mit viel, viel Musikbeispielen.

Und da wurde mir klar, was für eine geniale Konstruktion da über mir hing. Was für eine Wohltat für meine Ohren, vollkommen stressfrei und entspannt kam da eine Klangqualität daher, wie ich sie vorher noch nie erlebt hatte.
Es war wie der Blick in einen klaren See. Auf dem Grund sah ich die Musiker spielen und ihre Töne kamen unverfälscht bei mir an.

Habe ich jemals eine Trichtergeige wahrgenommen? Oder die sanften Klänge einer Harfe? War mir bewusst, wie lustvoll ein Piano klingen kann? Oder wie fordernd ein Bandoneon?
Ist mir überhaupt schon jemals aufgefallen, wie phantastisch, vielfältig und tief die Musik der Epoca de Oro war?
Für die meisten der hier Lesenden ist das wahrscheinlich schon längst klar. Für mich war das gesamte Wochenende eine Entdeckungsreise in ein Land, von dem ich dachte, ich würde es kennen, aber ich wurde definitiv eines Besseren belehrt.

(Ende Teil 1 - Längenbeschränkung)

avetango hat gesagt…

(Teil 2)

Ein paar Worte zu meinen Reiseleitern: Monika Diaz und Christian Tobler waren während des gesamten Wochenendes stets präsent, erreichbar für jede Frage und, das war für mich ganz wichtig nach meinen Zweifeln am Anfang, sie wollten eine Verbindung schaffen und keine Trennung. Die Verbindung zwischen allen Tänzern ist die Musik und je differenzierter ein Tänzer die Musik hört, umso feiner wird die Verbindung.
Deshalb war die Botschaft für mich durchaus ein Aufrütteln und die Aufforderung, aus meinen eingefahrenen Gleisen herauszutreten, damit ich die unzähligen Feinheiten dieser Musik erkennen kann und damit mir klar wird, diese Musik wurde für mich gemacht, für mich als Tänzer.
Und, sorry, aber ich erkenne den enormen Anspruch, den die Musik an mich stellt. Ich bin noch lange nicht so weit, aber ich weiß nach diesem Wochenende genau, wo ich hin will und das haben Monika und Christian bei mir erreicht.

Noch einmal zu dem schwarzen Ungetüm in der Mitte des Raumes über den Köpfen der Anwesenden:
Am Samstagabend fand die Milonga statt und ich war erstaunt, mit welcher Freundlichkeit mir überall begegnet wurde. Ein Hallo hier, ein Lächeln da, irgendwie waren die Tänzer und Tänzerinnen berührt und entspannt. Ich stellte mich an eine Ecke des Raumes und begann das Geschehen zu beobachten und meines Erachtens ging die Ruhe von der Musikqualität des TJ´s Christian aus, aber auch, und das war sehr spürbar, von der Klangqualität im Raum.
Der Klang war rein, unverfälscht und klar und ging offensichtlich stressfrei in die Ohren der Tänzer. Erstaunlicherweise hatte die Klangqualität nichts mit Lautstärke zu tun, denn nicht tanzende Menschen konnten sich wunderbar unterhalten, ohne dass sie sich anschreien mussten.
Nochmal, wahrscheinlich ist das den meisten klar, für mich war es eine wunderbare und erfüllte neue Erfahrung.

Ein Kompliment an die Linzer Szene für ihre Pistenkultur mit cabeceos, einer wunderbaren ronda und das Leeren der Tanzfläche bei jeder cortina.
Auch das ist für mich nicht selbstverständlich.

Alles in allem war das Wochenende die Reise mehr als wert, die neuen Informationen und Eindrücke wollen natürlich verarbeitet werden, aber eines habe ich gleich mitgenommen, ohne, dass ich darüber nachdenken muss:

Ein tiefes Gefühl – Die Musik der Epoca de Oro hat mich sehr berührt.

Elisabeth hat gesagt…

Wir haben lange überlegt, ob wir die weiter Strecke fahren sollen. Gott sei Dank haben wir uns entschlossen und so sind wir in einer großen Tangofamilie gelandet. Die Aufnahme war familiär, sehr herzlich!
Wir waren und sind begeistert. Von der Musikqualität (da konnten wir viel lernen), vom Konzept des Vortrages,..einfach von Allem.
Wir sind froh, dass es noch solche "Tangonarren,Tangobegeisterte" gibt.
Ein echter TJ ist kein Verdiener, er ist einer, der seine Begeisterung mitteilen möchte.
Das ist völlig gelungen.
Ein großes Danke an die Veranstalter (und den vielen Helferlein, ohne die man nicht auskommt).
Es war anstrengend, aber es hat viel hinterlassen.
Die EDO ist unsere Zeit.
Die Disziplin auf der Piste (findet man nicht überall, auch das leere Parkett bei der Cortina !), das Tanzkönnen,.... super!
Wir haben das schon beim Tangofestival in Linz sofort bemerkt.

Abschluss: DANKE es war wunderbar!!!

Un abrazo
Elisabeth