Sonntag, 29. Dezember 2013

Bis hierher und weiter...

Ich sitze wieder einmal vor dem Rechner - wild entschlossen, diesen Artikel fertigzustellen, nicht zu kritisch mit mir selbst zu sein und ihn anschließend zu veröffentlichen...

"Bis hierher und so nicht weiter", das war die ursprüngliche Version der Überschrift für diesen Beitrag. Nachdem es hier aber gute Nachrichten geben soll, habe ich die Überschrift dann doch umformuliert. Ich habe mich eigentlich im letzten Jahr konsequent an einen Punkt geschrieben, an dem ich dann doch einmal über meinen Tangobegriff schreiben muss und mich damit der Gefahr aussetze, erneut als Wahrheitseigentümer, als arroganter Traditionalist etc. etikettieren lassen zu müssen. Dabei bin ich eigentlich ein sehr friedfertiger Mensch. Und so kam es, dass ich eine längere Pause des Reflektierens und Nachdenkens gebraucht habe.


In so mancher Diskussion (ob nun virtuell oder real) kommt man irgendwann an einen Punkt, an dem man eigentlich einmal den eigenen Tango definieren müsste um dann mit den Gesprächspartnern weiter zu kommen und so manche Entwicklungen im zeitgenössischen Tango kritisch hinterfragen zu können. An diesem Punkt wird dann häufig die Flucht aus dem konkreten Gespräch ergriffen und es wird mit sachfremden Argumentationsketten wortreich begründet, dass (a) niemand festlegen darf, was Tango ist und was kein Tango mehr ist - oder (b) die Vielfalt im Tango ein schützenswertes Gut ist und somit alles Tango sein kann - schließlich wird (c) die angebliche Weiterentwicklung des Tangos herangezogen und alles, was man als traditioneller Tangotänzer eher kritisch beobachtet, wird dann kurzerhand als beinahe zwangsläufige Folge einer evolutionären Entwicklung des Tangos erklärt und damit jeder Kritik entzogen. Nicht selten wird die Wahl eines Notausgangs aus einer Diskussion von ordentlichen Verbalinjurien begleitet. Den Diskutanten steht inzwischen eine solide Auswahl an diskriminierenden Begriffen zur Verfügung: Der Tango-Taliban (mit "Dank" an Annette Postel, die diesen Begriff in ihrem polemischen offenen Brief in der TangoDanza einem breiten Kreis zur Verfügung gestellt hat), der Ewiggestrige (eine wirkungsvolle Strategie, traditionellen Tangoliebhabern den muffigen Staub der Geschichte anzuheften), der Wahrheitseigentümer (auch nett - indem man lautstark dem Gesprächspartner unterstellt, er beanspruche, Inhaber einer Wahrheit zu sein, muss man sich mit seinen Argumenten nicht mehr befassen - sehr effektiv).

Diese - eher unangenehmen - Begleiterscheinungen in Diskussionen haben mich zu einer mehrwöchigen Pause beim Bloggen bewegt. Nach einer intensiven Phase des Nachdenkens muss ich aber heute meinen Tangobegriff definieren. Um den üblichen Argumenten gleich am Anfang den Wind aus den Selgeln zu nehmen, betone ich deutlich, es ist mein persönlicher Tangobegriff. Gerne lese ich über den Tangobegriff Anderer und diskutiere. Ich erwarte allerdings, daß mir dieser Tangobegriff einmal explizit aufgeschrieben wird.

Ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass der Tango für mich ein gegangene Umarmung zur Musik ist - nicht mehr und nicht weniger. Darin stecken für mich drei wesentliche Elemente: Der Gang, die Umarmung und die Musik. Wenden wir uns also zunächst dem Gehen zu: Gehen ist die natürlichste und ergonomischte Fortbewegung des Menschen - da wird weder in riesigen Schritten vorangeeilt, noch irgendein Hüpfen eingebaut. Gehen ist gleichmäßig, ruhig. Es kann erhaben wirken, gedankenvergessen oder verspielt, nie wird ein Gang zu zweit oder in der Gruppe jedoch derartig überraschende Momente bereithalten, dass man plötzlich als Solist da steht.
Ein zunächst einfacher und erst bei näherem Hinsehen schwieriger Punkt ist die Umarmung. Mal ganz ehrlich: Wer traut sich zu, ohne eine entsprechende Erfahrung als Tangotänzerin bzw. Tangotänzer einen fremden Menschen für drei Minuten in den Arm zu nehmen? Ich habe das bis zum Beginn meiner Tangokarriere auch nicht (oder nur unter Schwierigkeiten) gekonnt und bei meinen Beobachtungen am Rande der Tanzfläche habe ich den Eindruck, dass so manche Menschen im Tango es bis heute nicht können (an schlechten Tagen fällt mir es heute manchmal auch noch schwer).
Und als schließlich dritter Punkt ist die Musik zu nennen. Dazu habe ich hier im Blog schon ausführlich geschrieben und eigentlich wiederhole ich mich nur ungern. Die Musik im Tango hat keinen erkennbaren Beat, dann läuft man nämlich wie ein Uhrwerk los und tanzt stumpf den Takt. Aus diesem Grund ist zeitgenössische Non-Tango-Musik m.E. ungeeignet für den Tango.

In dem letzten Absätzen habe ich meine Definition des Tangos als Tanz bzw. Bewegung erläutert, es gibt aber auch eine innere Haltung, die für mich mit dem Tango untrennbar verbunden ist. In den diversen Tangozitaten klingt es immer wieder an. Der Tango ist Schmerz und Sehnsucht zugleich. Er ist Verletzung und Medizin. Und da knüpfen wir an die Tradition der Einwanderer am Rio del la Plata zu Zeiten des vorletzten Jahrhundertwechsels an. Wenn von einem traurigen Gedanken, den man tanzen kann die Rede ist, oder etwa gesagt wird, dass man die Stille tanzen soll und die Geigen, wenn große Tangueros davon sprechen, dass man die Pausen oder die Stille tanzt, dann ist so manche moderne Erscheinungsform des Tangos geradezu eine Karikatur dessen, was da ursprünglich mit Tango gemeint war. Auf den ersten Blick sind die seelischen Zustände heutiger Tangotänzerinnen und Tangotänzer nicht mit den Situationen der damaligen Einwanderer nicht zu vergleichen, das Gefühl der Einsamkeit, die offenen Fragen an das Leben und die Sehnsucht, für drei Minuten Erlösung in der gegangen Umarmung zur Musik zu finden sind aber vielleicht doch verbindende Berührungspunkte.

Nach diesen einleitenden Verbemerkungen möchte ich den Tangobegriff anhand weniger YouTube-Videos weiter diskutieren. Eröffnet wird diese Folge von Videos mit einem argentinischen Star, Chicho Frumboli. Mit seiner Partnerin Juana Sepulveda führte er im letzten Sommer etwas vor, was für mich kein Tango mehr ist: Die Bewegung als Kunst für sich - ohne Musik - über 1,5 Minuten.





Ich habe mir diese Video immer wieder angeschaut und versucht, ein Moment, eine Idee zu finden, die für mich nach Tango riecht. Es ist mir nicht gelungen. Ich sehe keinen Gang, ich sehe keine Umarmung und ich kann keinen Bezug zur Musik spüren und somit ist das in meiner Wahrnehmung kein Tango mehr. Es ist vielleicht Kunst, dann der Kunstbegriff muss immer subjektiv bleiben und der Künstler bzw. die Künstlerin definiert, was subjektiv als Kunst empfunden wird - aber Tango...? Nein, da steht für mich gank klar das Moment der Show, der Vorführung im Vordergrund, es gibt keinen traurigen Gedanken, da wird nicht die Pause und die Stille getanzt. Es gibt nach meiner Beobachtung keine Sehnsucht, keine offene Frage. Alles ist auf die äußerlich wahrnehmbare, möglicherweise artistische Bewegung fixiert.

In einem weiteren Schritt kann man sich nun fragen, wie konnte das passieren?. Wie konnte der Tango derartig verfremdet werden? Ich denke, um diese Frage zu beantworten lohnt der Blick in die Geschichte. Dazu möchte ich ein beinahe 20 Jahre altes Video von einer Vorführung in Paris ausgraben. Wir sehen Pablo Veron mit seiner damaligen Tanzpartnerin Teresa Cunha bei einer Show zum Tangotitel Tanguera von Mariano Mores.



Vor längerer Zeit habe ich in diesem Blog mal ein Interview mit dem Maestro Carlos Gavito veröffentlicht. Im Bezug auf viele Lehrer sagte er damals (2004) folgendes:
Sie tanzen gut, sie haben eine Menge Technik, sie tanzen Ganchos hier, Ganchos dort... eine enorme Raserei und plötzlich, weil ein Violinsolo kommt, nimmt er die Frau in seine Arme und küsst sie. Das ist eine gewaltige Lüge! Man kann nicht mit dem Brecheisen aufeinander losgehen um anschließend kleine Küsse zu verteilen.
Ich musste an diese Worte denken, als ich das Video gesehen habe. Auch hier mag es wieder Kunst sein (denn die Schaffenden definieren, was Kunst ist). Es ist eine perfekte Körperbeherschung, es sind akurate Bewegungen; eine großartige Artistik! Aber Tango...? Nein, für mein Empfinden ist auch das kein Tango. Ich kann mir es nur so erklären, daß die tourenden Argentinier damals der Auffassung waren, nur so etwas könne man Gringos als Tango verkaufen. Es muss spektakulär sein, von außen gut wahrnehmbar.

Ich könnte diese Liste mit abschreckenden Beispiele beinahe endlos verlängern. Da sieht man beinahe unglaubliche Dinge bei YouTube. Um meine Idee vom Tango zu verdeutlichen brauche ich eigentlich nicht mehr viel zu schreiben. Meine englische Kollegin Ms Hedgehog hat in einem wundervollen Beitrag (Argentine Tango for TV Viewers) zusammengestellt, wo der Tango passiert. Sämtliche dort ausgewählten und präsentierten Videos zeigen Tango - so wie ich ihn verstehe. Ich möchte zusätzlich nur ein Video hier kurz vorstellen. Es ist bei dem Festival entstanden, bei dem Chicho und Juana ihre Bewegungsdemonstration (siehe Video oben) vorgeführt haben. Noelia Hurtado und Carlitos Espinoza haben dort Tango getanzt.



Natürlich ist der Titel ein treibender d'Arienzo - da ist von dem traurigen Gedanken, den man tanzen kann kaum etwas übrig geblieben. Für mich sind da aber die drei Kernelemente zu sehen: Gehen, Umarmung und das beachten der Musik. Deutlicher kann ich es nicht ausdrücken (und natürlich ist dies eine getanzte Demo - in dem oben erwähnten Artikel bei MsHedgehog kann man Noelia und Carlitos in einer sozialen Milonga beim ruhigen Tanzen in der Ronda sehen).

Abschließend bleibt mir eigentlich nur, noch einmal zu betonen, dass ich über meinen persönlichen Tangobegriff geschrieben habe. Selbstverständlich werde ich denjenigen, die eine andere Vorstellung vom Tango haben, ihre Freude an dem, was sie für Tango halten nicht nehmen. Ich möchte nur niemals auf einer Tanzfläche mit den Nachahmern von Chicho und Pablo tanzen müssen. Deswegen achte ich auf die Beschreibung von Milongas und für den Fall, dass ich Veranstaltungen organisiere, werde ich vorab immer sehr genau beschreiben, was die Besucherinnen und Besucher erwarten dürfen.

... unglaublich - ich habe den Gedanken vollständig beschrieben und ich bin mit meinem Text auch noch einigermaßen zufrieden - also traue ich mich einmal und drücke den Button "Veröffentlichen"...

Gerne diskutiere ich über meinen Tangobegriff - ich wünsche mir aber, dass nicht wieder auf die langweiligen Etiketten zurückgegriffen wird. Vertreter eines bewegungsorientierten Tangos mögen mir bitte ihren Tangobegriff beschreiben - dann diskutieren ich gerne. Vielen Dank!

85 Anmerkung(en):

Johannes Kuhn hat gesagt…

Hallo Cassiel!

Schön, daß Du wieder schreibst. Und auch schön, wie Du das formulierst. Schwierig, weil man es ja kaum beschreiben kann - man muß es erleben.

Aber vor allem finde ich wichtig, daß Du betonst, daß es nicht darum geht, denen, die es anders sehen, ihre Art von Tango zu nehmen oder auch nur madig zu machen, sondern Deine (=meine) Sicht zu fördern und zu pflegen.

LG Joh

cassiel hat gesagt…

Hallo Johannes,

Du beschreibst es sehr treffend, es geht um einen persönlichen Tango und wer es sportlicher mag, der soll das auch so leben können. Im umgekehrten Fall möchte ich aber auch für mich in Anspruch nehmen dürfen, dass es ebenso Tango-Veranstaltungen geben darf, auf der sich die Tanguer@s wohlfühlen, die es etwas inniger mögen. Mehr will ich in diesem Beitrag nicht ausdrücken.

Dir gute Zeit zwischen den Jahren...

c.

Anonym hat gesagt…

Hallo Cassiel !

Danke für den mutigen Versuch Deine Sicht zu beschreiben was die Essenz des Tango Argentino ist.
Die gegangene innige Umarmung in der Musik, ist auch für mich das Wesentliche was den Tango ausmacht. In der Musik gehört für mich mindestens ein Hauch von Sehnsucht und Melancholie dazu.
Diese kann ich in vielen Neo- oder Non-Tango Stücken nur schwer empfinden. Viele werden das anders sehen, und das ist auch gut so. Es soll die Vielfalt und auch die Entwicklung geben.
Es bleibt das Problem das heute alles vermischt wird, um es allen Recht zu machen. Aber das geht in der Regel nicht.
Mir ist es lieber man beschränkt sich auf ein klares Konzept bei einer Milonga, bei der klar ist auf was ich mich je nach Stimmungslage einlasse.

Liebe Gruesse

Ju er gen

Anonym hat gesagt…

Hallo Cassiel,

mein Tangobegriff ist etwas weiter gesteckt. Auch ich möchte hier ein Zitat anführen, welches für meine Philosophie des Tango steht „Tango ist eine unendliche Anzahl von Möglichkeiten“

Das beginnt beim Tanz selbst, in dem man nahezu eine unendliche Anzahl von Möglichkeiten hat, seinen nächsten Schritt zu setzen. Geht weiter über die Wahl der Tanzpartnerin bei verschiedenen Milongas für eine Tanda und endet bei der vielseitigen, sich immer weiterentwickelnden und -interpretierten Musik.
Tango ist ein Tanz, bei dem man nie das Gefühl hat, daß es einmal ein Ende seiner tänzerischen Weiterentwicklungsmöglichkeiten gibt und bei dem man auf einer Stufe stehen bleibt und nichts mehr dazulernen kann.

Ich denke, gerade diese Einstellung war auch die Grundeinstellung der Einwanderer in Argentinien. Ihnen war die alte Heimat zu eng und eingeschränkt und sie versprachen sich in der neuen Welt „eine unendliche Anzahl von Möglichkeiten“.

Aus diesem Grund ist mir deine Definition des Tangos zu eng und ich liebe es, auf abwechslungsreiche Milongas zu gehen, in der neben klassischen Tandas auch mal eine Neo Tanda aufgelegt wird oder in der neben Tangos der Guardia Vieja ebenso eine Tanda mit Tangos von Pugliese vorkommt.
Mich langweilen reine Neo- / Non-Tangoveranstaltungen genauso, wie ausschließlich „traditionelle Milongas“

Es zeichnet natürlich die Kunst des DJs aus, diese verschiedenen Richtungen in einen sinnvollen musikalischen Zusammenhang auf einer Milonga zu präsentieren, ohne daß es wie eine wahllose Aneinanderreihung von Tandas wirkt. Aber auch hier gibt es eine „unendliche Anzahl von Möglichkeiten“, bei denen ein DJ immer etwas Neues dazulernen kann – und sollte.

Liebe Grüße
Stefan

Raxie hat gesagt…

Lieber Cassiel, vielen Dank für den spannenden Artikel! Meine erste spontane Frage war: Kann Bühnentango per se echter Tango sein? Wenn man für andere tanzt und nicht für sich selbst?
Ich bin mir bei der Antwort letztlich nicht ganz sicher. Aber es gibt einige Showtänze, wo die Tänzer ihr Publikum komplett vergessen (zu scheinen) und für sich zu tanzen scheinen. Wenn beide glücklich lächeln, dann ist es für mich meist Tango.
Ich wünsche Dir - in diesem Sinne - für das neue Jahr viele beglückende Tänze!

cassiel hat gesagt…

... da sind ja noch drei Kommentare gekommen...

@Ju er gen
Wir dürfen nicht vergessen, dass der Tango bei so manchen zu einer echten oder erhofften Einnahmequelle mutiert. Ich beobachte ebenso wie Du mit Sorge, dass so manche DJs und Veranstalter einem vermeintlich größeren Publikum hinterherlaufen und keine Linie bzw. Struktur in ihrem Agieren erkennbar ist.

@Stefan
Schön, wenn Du für Dich herausgefunden hast, was Dir im Tango gefällt - ich finde es vollkommen in Ordnung, dass es Liebhaber gemischter Milongas gibt - so lange ich so etwas nicht besuchen muss. Ich bin inzwischen ein großer Fan von rein traditionellen Veranstaltungen (um Missverständnissen vorzubeugen: Pugliese hat vor 55 selbstverständlich traditionellen Tango komponiert und gespielt). Deine Sicht der Motivation für die Auswanderung Anfang des vorletzten Jahrhunderts ist mutig. Ich denke nicht, dass die Auswanderer die unendlichen Möglichkeiten in Argentinien gesucht haben - sie sind eher vor der Armut und dem Krieg in Europa geflohen (so jedenfalls meine Interpretation). Wir können natürlich den Tangobegriff bis zur Unkenntlichkeit aufweichen. Ich denke, wir tun uns damit keinen Gefallen. Deswegen habe ich geschrieben.

@Raxie
In der Tat ist es eine spannende Frage, ob vorgeführter Tango überhaupt noch Tango an sich sein kann. Über die Frage könnte man lange debattieren. Für mich ist es in der Milonga sehr einfach zu entscheiden: Wenn nach einer Demo oder Show eine große Unruhe in der Ronda ist, dann war es vermutlich kein Tango. Stört eine Demo (z.B. von Lehrern) den anschließenden Tanzfluss nicht, dann spricht viel dafür, dass es Tango war. :-)

Anonym hat gesagt…

Hallo Cassiel,

eine Auswanderung/Flucht ist immer mit der Suche nach neuen Möglichkeiten und Chancen verbunden. Man möchte der aktuellen prekären und einschränkenden Situation entfliehen.

Gruß
Stefan

Anonym hat gesagt…

Hallo Cassiel,

für mich ist Tango Argentino Körperkommunikation in unmittelbarster Form.
Das schließt selbstverständlich sowohl die Musik (als zugrundeliegende Stimmung und als Thema), die jeweiligen Partner(innen) als auch die gesamte Ronda mit ein. Innerhalb dieses Rahmens stehen jedoch tatsächlich unendliche Möglichkeiten zur Verfügung, da stimme ich übrigens Stefan völlig zu.

Für eine gelungene, gute und befriedigende Kommunikation ist allerdings eines vor allem wichtig: Respekt, oder - milder ausgedrückt - die Bereitschaft, sich auf die Rahmenbedingungen einzulassen; und damit meine ich alle obengenannten Komponenten.

Insofern betonst du, Cassiel, auch völlig richtig, dass das letzte Video von Espinoza & Hurtado eine "getanzte Demo" ist, denn mit Noelias "Beinarbeit" hätte ich bei einer engen Ronda doch große Bauchschmerzen oder doch vielleicht eher Beinschmerzen ;)
... in diesem Zusammenhang habe ich übrigens auch schon schmerzvoll erlebt, wie nach einem ähnlich schwungvollen Auftritt eben dieser beiden tatsächlich eine große Unruhe in der Ronda war. Dennoch hatte das meiner Meinung nach nichts damit zu tun, dass sie keinen Tango getanzt hätten, sondern beruhte vielmehr auf mangelnden Respekt Einzelner der Ronda gegenüber - soweit möchte ich dir also ein bisschen widersprechen ;)

Besonders schön lässt sich die Definition des Tango als "unmittelbare Kommunikation mit Musik und Partner innerhalb der Ronda" im Ursprungsland beobachten: Sowohl in Montevideo als auch in Buenos Aires verstehen sich die DJs in erster Linie als Dienstleister in Sachen "gute Gesprächsgrundlagen": Sie bieten der Kommunikation lebhaftere Thenmen, wenn die Stimmung zu schwermütig wird, und sorgen umgekehrt für Beruhigung, falls die Leidenschaft beim Dialog für zu heftiges "Gestikulieren" sorgen könnte.

Gleichzeitig wird beiderseits des Rio de la Plata stets den Platzverhältnissen angemessen getanzt: Bei Platzmangel ist engstmögliches Tanzen ohne ausladende Bewegungen selbstverständlich, bei treibenderen Rhythmen UND falls mehr Raum zur Verfügung steht, kann man durchaus auch größere Ganchos, Boleos o.ä. wie im 3. Video beobachten (natürlich passend zur Musik)...

Und nie, wirklich niemals habe ich dort (übrigens auch nicht in Spanien, Italien Skandinavien, Osteuropa... ich tanze überall, wohin ich reise oder geschäftlich unterwegs bin) erlebt, was mir deit einigen Jahren vor allem in Deutschland auffällt: ein äußerst seltsames Verständnis des Begriffes "tango milonguero".
Ich meine damit die Unsitte der Folgenden, sich so eng an ihren Partner zu klammern und soviel Gewicht an den Führenden abzugeben, dass eine Torsion und damit gute Führung schier unmöglich wird, sowie die korrelierende Unart der Führenden, ihre Partnerinnen nicht zu umarmen, sondern stattdessen mit einem würgeähnlichen Griff auf die Brust zu heben oder an den Bauch zu pressen, je nach Körperbau. Mit dem mir bestens vertrauten "abrazo", einer liebevollen, innigen Umarmung, hat das nichts mehr zu tun und ist vielmehr eine Verballhornung von "innig" zu "je enger gedrückt und geklammert, desto besser". Das ist eine direkte Folge des mangelnden Respekts vor dem Partner/der Partnerin, aber selbst das wird folgerichtig sofort und direkt kommuniziert, und hat für mich folgedessen auch nichts mehr mit meiner Definition des Tango vom Rio de la Plata zu tun.

Liebe Grüsse, Beate

cassiel hat gesagt…

@Stefan

Vielen Dank, dass Du noch einmal geschrieben hast. Ich muss da leider doch noch einmal einhaken. Für mich sind die Folgen der Emigration deutlich gravierender als das Bild, das Du entstehen lässt. Ich denke, wir verharmlosen die Situation der damaligen Migranten, wenn wir da ein Bild von Abenteuersuchern zeichnen. Viele sahen in ihrer wirtschaftlich prekären Situation die Auswanderung als letzten Ausweg (häufig genug sind die Männer zuerst nach Südamerika aufgebrochen um ihre Familien später nachzuholen - das erklärt z.B. auch den exorbitanten Männerüberschuss in der argentinischen Einwanderergesellschaft). Viele dieser Träume sind dann aber auch geplatzt. Um es mal in einen aktuellen Kontext zu übersetzten: Ich denke nicht, dass die Menschen aus Afrika den gefährlichen Seeweg über das südliche Mittelmeer wählen, weil sie eine Herausforderung suchen. Es ist der nackte Drang zu Überleben, der sie antreibt.

@Beate
Danke für Deine Anmerkung. Klar ist die Demo von Noelia und Carlitos so nicht für die Ronda geeignet. Hast Du das erwähnte Video bei MsHedgehog gesehen (Noelia und Carlitos in der Ronda)?

Vielleicht ist aber auch ein anderer Aspekt Ursache für den momentanen Erfolg der beiden: Er tanzt so, dass sie gut aussieht. Ich habe so manchen Tanguero getroffen, der mir gesagt hat, das Geheimnis ist es die Frau gut aussehen zu lassen. Ich würde vielleicht sogar noch einen Schritt weiter gehen (das ist ein Gedanke aus dem Interview mit Melina und Detlef aus der TD; ich denke, das war 2009): Es geht nicht nur darum, dass die Frau gut aussieht, sie soll sich gut fühlen! Das ist ein entscheidender Unterschied. Dazu muss - wie Du richtig angemerkt hast - die Kommunikation im Paar stimmen. Es sollte ein Dialog sein - kein Monolog des Führenden.

Anonym hat gesagt…

Macht doch keine Religion daraus. Der Stil ergibt sich aus dem Umgebung. Beispiele aus Showeinlagen gehen doch nur begrenzt. Es gibt auch schöne Bsp. wie z.B die Reihe
Viejos Milongueros Buenos Aires años 90 - xx/18
z.B.
http://www.youtube.com/watch?v=QrqWvPwBR44
auch die tanzen teilsweise offen, nennen sich aber auch Milongueros.
Die Schritte sind immer dieselben egal welcher "Stil". Was man dann macht oder weglässt entscheidet der freie Raum.
Bei Espinoza & Hurtado kommt es mir ein wenig wie das Spiel von Kindern vor. Andere machen eben Nuevo, beides ist wilder getanzt, aber damit holt man junge Leute ins Boot.
Wenn man die Einwanderer erwähnt, die haben bestimmt kein "Milonguerostil" getanzt.
Tango lebt von Wechsel, Dynamik, dem Spiel, also lasst Sie doch das tun. Es ist doch egal was man tut, wenn man es beherrscht. Manchmal hat man auch das Gefühl, der Verweis auf den Milonguerostil wird als Ausrede verwendet sich nicht weiterzuentwickeln. Da sind manchmal die Grenzen fliessend zwischen Schunkeln und Tango

Gruss

Paul hat gesagt…

an den letzten Anonym. Jede deiner Behauptungen kann widerlegt werden. Beginnen wir von Anfang an. Wir machen keine Religion daraus - wir wollen bloss ungestört unserer Leidenschaft nachgehen.
Die Umgebung hat bisher noch keinen gehindert die heute gelernten Tricks auf der heutigen Milonga zu üben...
Die Reihe der Milongueros viejos zeigt nur dass nicht alle Portenios tolle Milongueros sind.
Die Schritte sind nicht immer dieselben - da würden alle das gleiche tanzen.
Tja, ich bezweifle dass das was Noelia und Carlitos tanzen ein Kinderspiel ist (wer das glaubt soll versuchen das nachzutanzen).
Tango lebt nicht von Dynamik Wechsel und Spiel, sondern vom genauen Zuhören - von Aufmerksamkeit und von Rücksicht auf die Mittänzer und den Partner. Und nicht zuletzt von Erfahrung und wie häufig und wo man tanzen geht. Ein bisschen Talent schadet auch nicht. Gute Nacht!

cassiel hat gesagt…

@Anonym 01:24

Es ist etwas schwierig zu Deinem Beitrag zu schreiben - ich will es trotzdem versuchen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Du meinen Artikel wirklich gelesen hast, den von Dir verwendeten Begriff Milonguero-Stil habe ich kein einziges Mal erwähnt.

Wenn Du davon schreibst, daß die Schritte immer dieselben sind, dann meinst vermutlich einen Schritt nach vorne, einen nach hinten, einen zur Seite oder eine Drehung. Klsr! Diese Schritte sind vom Prinzip her immer gleich. Aber darum ging es auch nicht.

Es geht um Musikalität, um die Umarmung, um den Gang... vielleicht zusätzlich noch um Detailfragen des Dialogs zwischen Führendem und Folgender (abhängig davon wie isoliert bzw. generalisiert man das Gespräch führen will). Da sind wir gar nicht bei Stilfragen.

Das von Dir erwähnte Video ist toll. Es zeigt wie sich viele Paare gemeinsam in der Ronde bewegen. Das ist der KErn des sozialen Tangos. Ich denke, da wollen wir alle irgendwie hin.

Dir ein schönes Sylvester :-)

Beste Grüße

Cassiel

P.S. Wenn Du hier länger mitdiskutierst ist es einfacher, Du wählst Dir ein Pseudonym - "Anonym 01:24" ist kein besonders schöner Name...

Anonym hat gesagt…

@Anonym 01:24

vielen Dank für deinen Beitrag, das von Dir erwähnte Video zeigt ziemlich genau, wie ich Milongas in Buenos Aires erlebt habe. Sei es im Salon Canning, in der Villa Malcolm oder in der Milonga Cochabamba.
Tango ist dort ein soziales Ereignis, bei dem man sich trifft, unterhält und respektiert. Jede Form von Dogma hat dort keinen Raum.

Gruß
Stefan

cassiel hat gesagt…

Hallo Stefan,

bist Du der Veranstalter von "Tango sin Dogma"? Fein, dass Du hier mitdiskutierst. Ich habe die Ankündigung der Veranstaltung bei FB natürlich mitbekommen und der Titel hat mich nachdenklich gemacht.

Zunächst ist für mein Empfinden mit dem Titel eine klare Wertung ausgedrückt. So wie ich es gelesen habe ist mit dem Begriff "Dogma" bei Dir eine klare (negative) Konnotation verbunden. Das ist zunächst Deine persönliche Entscheidung, die zu respektieren ist.

Meines Erachtens sollte dann aber die Frage erlaubt sein, wann bei Dir ein Veranstaltung eine beliebige Tanzveranstaltung ist und wann eine Veranstaltung "Tango Argentino" ist.

Du hattest ja noch ein klärenden Post bei FB nachgeliefert, der erläutert hat, wie die Regeln von "Tango sin Dogma" sind.

Ich persönlich kann zunächst an klar definierten Regeln für Veranstaltungen nichts schlimmes finden. Helfen sie doch potentiellen Besuchern vorab einzuschätzen, ob sie sich auf der Veranstaltung wohlfühlen werden.

Solange sich all Deine Besucher mit Deinem vorab klar beschriebenen Konzept wohlfühlen ist ja alles in Ordnung. Wenn Du aber Veranstaltungen abwertest, die auf klare Regeln ("Dogmen") setzen, finde ich das problematisch bzw. schade. Ich z.B. fühle mich auf Veranstaltungen wohler, bei denen ich mich auf ein gewisses Verhalten meiner Mitmenschen in der Milonga verlassen kann.

Ich will Dir ja nicht die Freude an Deiner Art des Tangos nehmen, fände es aber sehr freundlich, wenn ich im Gegenzug auch mein Verständnis vom Tango ohne verbale Abwertung in Veranstaltungen umsetzten kann.

Einstweilen viele Grüße

c.

Anonym hat gesagt…

Hallo Cassiel,

Diese Beschreibungen kommen meist nur nur Stilvertretern einer Art, dem "Milonguerostil", daher habe ich ihn verwendet.Da man die Sehnsüchte etc ... in den Tango hineindichtet, obwohl die Anfangszeit ziemlich ruppig gewesen sein dürfte, sieht man sich alte Clips an, wie auch manch alte Milgueros, die eher pressen wie Umarmen.
@Paul ich meinte nicht Abfolgen laufen, sondern verwendete Elemente. Genauso wenig die Leichtigkeit eines Kinderspiels, sondern die Art wie sie tanzen.
" Aufmerksamkeit und von Rücksicht auf die Mittänzer und den Partner." sollte immer dabei sein. Auch nur drei Schritt gehen kann eine Figur sein. Damit kann man auch auflaufen.

Gruss Anonym 01:24 oder Bert

Anonym hat gesagt…

Hallo Cassiel,

nein, ich bin nicht der Stefan aus Linz. Es gibt viele tangotanzende Stefans auf dieser Welt ;)

Für mich drückt der Begriff Dogma genau das aus, was er bedeutet:

"Unter einem Dogma (altgr. δόγμα, dógma, „Meinung, Lehrsatz; Beschluss, Verordnung“[1]) versteht man eine feststehende Definition oder eine grundlegende, normative (Lehr-)Meinung, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich festgestellt wird.
Insbesondere in der christlichen Theologie wird der Begriff Dogma wertneutral für einen Lehrsatz gebraucht, der, unter Berufung auf göttliche Offenbarung, die Autorität der kirchlichen Gemeinschaft bzw. des kirchlichen Lehramts oder auf besondere Erkenntnisse als wahr und relevant gilt. Die systematische Entfaltung und Interpretation der Dogmen wird Dogmatik genannt.
Hingegen wird der Begriff vor allem als Adjektiv (dogmatisch) pejorativ gebraucht von Personen, die die entsprechenden Lehrsätze als nicht hinreichend fundiert ansehen, zum Beispiel weil sie die Lehrautorität der Kirche nicht anerkennen oder weil sie Weltanschauungen und Wertvorstellungen prinzipiell skeptisch gegenüberstehen, die den Anspruch erheben, als allein wahr, allgemeingültig oder verbindlich zu gelten oder gar für alle Zeit gültig zu sein."

Dogmen haben daher im Tango nichts verloren. Hier gibt es zum Glück mehr als eine Wahrheit.

viele Grüße
Stefan

deartango hat gesagt…

Hallo!

Die Kernelemente "Gehen, Umarmung und das beachten der Musik." finde ich auch fuer mich zutreffend. Es deckt sich auch mit dem, was ein Lehrer von mir eins immer betonte: "Die Verbindung zum Boden (~Gehen), die Verbindung zur Partnerin (~Umarmung), die Verbindung zur Musik."...ist es nicht gerade das Wesen von "Tango de Salón"?

Ich moechte noch erwaehnen, dass es mich sehr freut hier ein Video von Carlitos und Noelia vorzufinden. Ich dachte schon, ich bin der Einzige der ihnen gerne zuschaut. Seit ich mit dem Tango angefangen habe, bin ich auf beide unabhaengig von einander, damals noch mit ihren jeweils anderen Tanzpartnern (z.B. hier fuer Noelia), aufmerksam geworden. Und dann, hach, ...auf einmal tanzten sie zusammen :)

@Raxie schreibt "Aber es gibt einige Showtänze, wo die Tänzer ihr Publikum komplett vergessen (zu scheinen) und für sich zu tanzen scheinen." - Ja, die gibt es zum Glueck. Es gibt Taenzerinnen, den sieht man gerade zu an, wie die Musik sie durchdringt. Dazu gehoert fuer mich Noelia. Aber auch Geraldine Rojas, hier z.B. mit Gavito (ab 02:35 finde ich es sehenswert). Wie man sieht, ist sogar der gute alte Gavito da ab und an etwas ueberfordert mit der expressiven Musikalitaet von Geraldine :) Aber daran sieht man u.a. auch die guten Taenzer, die der Dame auch Raum fuer ihren ihren Ausdruck, ihre Interpretation lassen (muessen ;)).

Wo wir schon bei huebschen Videos sind. Hier ist Miguel Zotto und Milena Plebs zu Gallo Ciego. Als ich das Video zum ersten mal aufgerufen habe, habe ich es gar nicht bis zum Ende geschaut (da war ich blutiger Anfaenger ;)). Ich fand es grauenvoll und konnte damit nichts anfangen. Inzwischen ist es eins meiner Lieblinge. Ein schwieriges Lied, ein hohes taenzerisches Niveau, eine schoene Umarmung.

Um auf die Kernelemente zurueckzukommen sei noch gesagt, dass alle drei beguenstigt werden, je enger es auf der Milonga wird.

Saludos,
deartango

Anonym hat gesagt…

Hallo Cassiel,

mir erscheint es manchmal als typisch deutsches Phänomen, vieles bis zur Unkenntlichkeit bzw. ins absolute Extrem zu überspitzen; kurz gesagt, päpstlicher sein zu wollen als es der Papst je verkündet hat (hier also die Tanguer@s vom Rio de la Plata):
das fängt an bei der bereits erwähnten Würge-Umklammerung statt „abrazo“ unter dem Deckmäntelchen des falsch verstandenen „estilo milonguero“. Dieser „Stil“ ist interessanterweise im Herkunftsland kaum jemals eine unter allen Umständen und immer anzuwendende spezielle „Technik“, sondern einfach eine besonders innige Spielart des „tango de salon“. Und wie dann tatsächlich getanzt wird, entscheiden beide Partner gemeinsam während der ersten Schritte durch Körperkommunikation, sowie passend zu Musik und Platzverhältnissen. Das ist tatsächlich ganz wunderbar in dem von Bert verlinkten Video zu sehen, wie du, Cassiel, ja auch schon erwähntest – Danke, Bert!

Ich bin mir nicht sicher, aber es klingt für mich letztendlich so, dass sowohl Bert als auch Stefan einfach Probleme mit dem hierzulande grassierenden Vorschriftenwahn haben.

Das ist in Montevideo/BA völlig überflüssig, weil jede(r) jede(n) sozialverträglich Tanzende(n) respektiert und akzeptiert. Und sozialverträglich heißt konkret: weder seine(n) Partner(in) an sich zu pressen noch völlig „aus dem Ruder“ laufen zu lassen, weder (bei ausreichendem Platz) so eng wie irgendmöglich auf das vorhertanzende Paar „aufzutanzen“ bzw. zu „Stehtänzern“ zu mutieren, noch (bei engen Raumverhältnissen) ins diametrale Gegenteil des rücksichtslos ausladenden „Showtanzens“ zu verfallen. Und dabei wird selbstredend ohne Probleme respektvollst mit der Musik umgegangen…

Meiner Meinung nach ist das dort so einfach, so unkompliziert und so schön, WEIL ES KEINE REGELN, ABER SEHR WOHL RAHMENBEDINGUNGEN GIBT: Jeder weiß vorher ganz genau, wie die Veranstalter organisieren und die DJs auflegen, welche Altersgruppe(n) eher die Lokalitäten frequentieren und was und wie dementsprechend dort getanzt wird. Die Konsequenzen für „Fehlverhalten“ sind ebenso einfach und unkompliziert, wenn auch für die Betroffenen unschön: kein Mensch wird an diesem Abend mehr mit ihnen tanzen. Punkt.
Es bleibt ihnen aber die Wahl, entweder andere Milongas aufzusuchen, die ihnen eher entsprechen (es gibt auch „Anfänger-Milongas“, denn auch Portenos werden nicht tanzend geboren ;) ), oder aber ohne weitere Diskussion die Rahmenbedingungen zu akzeptieren, wenn sie denn das nötige tänzerische Repertoire und Können auf Lager haben.
ABER: Eine Milonga ist dort viel mehr ein soziales Gefüge als hier – d.h. kein Veranstalter muss lange erklären, was er wie und warum macht; er tut es einfach und jeder weiß entweder Bescheid, orientiert sich vorher, passt sich an oder verlässt die Milonga.
Dabei ist es weder ein „Qualitätssiegel“, sehr eng bei „Cachirulo“ zu tanzen, noch mit Wertungen versehen, den größeren Raum des „Sunderland“ zu bevorzugen und auszunutzen, oder aber sich bei den überwiegend „jungen Wilden“ in der „Milonga 10“ auszutoben – es IST einfach.

Vielleicht meinst du, Bert, genau das?

Und da das Tanzengehen generell sehr sozial betont ist, kann ich mir am Rio de la Plata z.B. auch keine „milonga sin palabras“ vorstellen, auf die ich neulich aufmerksam wurde – für mich eine sehr seltsame Überspitzung: So etwas würde den an den Tischen und zwischen den Tänzen äußerst kommunikationsfreudigen Argentiniern und Uruguayanern wirklich niemals einfallen!

Ein körper- und auch sonst sehr kommunikatives Silvester mit vielen angenehmen Umarmungen wünscht euch allen

Beate


P.S.: Cassiel, ich würde sogar noch weiter gehen als Detlef und Melina und behaupten, dass eine Frau, die sich in der Umarmung wohl fühlt (weil die Kommunikation stimmt), IMMER gut aussehen wird und ihrerseits dadurch den Führenden zum „Strahlen“ bringt.
Und dann, liebe Raxie, da hast du es wirklich auf den Punkt gebracht, entsteht dieses selbstvergessene Lächeln…
In diesem Sinne nochmals: ein fröhliches neues Jahr!

Anonym hat gesagt…

Allen ein frohes neues Jahr!

@ Cassiel: Vielen Dank für einen neuen Beitrag!

Allerdings sehe ich die Dinge nicht so "puristisch". Ich stimme Bert zu:

Macht doch keine Religion daraus.

Das Thema sind eigentlich nicht Stilunterschiede oder das verschiedene Verständnis, was der Tango ist. M.E. geht es eigentlich um etwas anderes.

Ich denke, ein wesentliches Problem in Deutschland ist, dass es viele Leute gibt, denen einfachste Grundlagen von angemessenem Sozialverhalten fehlen. Das ist etwas, was ich - und das möchte ich betonen - in allen Altersgruppen beobachte. Solche Leute sind dann in der Lage, auch in einer weniger gefüllten Milonga eine Stimmung von Sparring auf der Tanzfläche zu verbreiten, so dass man das Gefühl bekommt, man sei nicht auf einer Milonga, sondern auf dem Jahrmarkt im Autoscooter. So etwas wird hierzulande mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit geradezu zelebriert. Der gelebte, mangelnde Respekt vor dem Mitmenschen. So etwas erkennt man eben am deutlichsten, wenn viele Menschen auf engem Raum aufeinander treffen und dabei sich noch durch Bewegung, Tanz eben, ausdrücken wollen.

Das zweite wichtige Problem ist m. E. die mangelnde Fähigkeit vieler Leute, zwischen Bühnen- und Showtango und dem Tanzen auf einer Milonga zu unterscheiden. Viele Leute scheinen nicht verstanden zu haben, dass es im (ich nenne es mal so) auf der Milonga getanzten Tango nicht um Tricks und Artistik geht - die haben in der Show berechtigt ihren Platz (darum heisst sie ja auch so) - sondern um körperliche Paarkommunikation zur Musik. Zu diesem falschen Bild kommt dann das Unvermögen - aufgrund fehlender körperlicher Voraussetzungen oder mangelndem Training - die aufgeschnappten Tricks ordentlich durchzuführen.

Vielleicht müssten einfach die Studios mal verstärkt den Leuten auch Basics des Verhaltens auf der Tanzfläche zu vermitteln anstatt um Kundengunst durch Vermittlung noch extrovertierterer Figuren zu buhlen…

Grüsse,
Frank

Anonym hat gesagt…

Anonym-G:zum Kommentar Anonym-Frank,1.1.,19.09Uhr.Ja-Frank-im Prinzip hast Du recht.Aber es sind nicht viele,die grob gegen allgemein angemessenes soziales Verhalten verstoßen,sondern einige wenige(dazu kommen allerdings viele,die sich nicht an allgemeine Tanzregeln halten-das ist aber änderbar).Viele tolerieren diese wenigen Rüpel-wohl um des lieben Friedens wegen.Das ist eben in BsAs anders-dort tanzen die Frauen eben nicht mit diesen Typen-womit sich das Thema erledigt hat!

Anonym hat gesagt…

Hallo Anonym-G,

danke für Deinen Beitrag, aber ich sehe es tatsächlich etwas krasser. Denn die allgemeinen Tanzregeln resultieren ja aus der Grundhaltung: Wie können möglichst viele Menschen auf begrenztem Raum tanzen, ohne dass sich alle gegenseitig stören?

Sie sind nicht etwas künstlich geschaffenes, was nur für den Ballsaal gilt, frei nach dem Motto: heute gehen wir zur Milonga und tanzen Tango, da gilt es dann, ein paar spezielle Regeln einzuhalten, sondern resultieren aus allgemeinen Sozialstandards, eben adaptiert für die Milonga.

Ich war mal auf einer Milonga, da war es sehr voll und es ging plötzlich nicht mehr voran. Ein Herr neben mir versuchte einen Seitschritt zu führen und stieß naturgemäß dabei immer auf mich. Ein simpler Seitschritt. Nichts mit Neo oder so. Der hat es tatsächlich viermal versucht, stiess viermal mit mir zusammen und als ich ihn dann fragte, ob er nicht merkt, dass das nicht funktioniert und was er sich dabei denke, wurde er aufgebracht und fühlte sich angegriffen. Ok, vielleicht ein etwas extremes Beispiel, aber ich beobachte sehr häufig, das Leute anderen Leuten "reintanzen" und sich dann bei den unfreiwilligen Hindernissen auch noch beschweren und sich dabei im Recht fühlen! Und das sind nicht nur Leute, die man als die üblichen Chaoten bezeichnen würde.

Hier kommt wahrscheinlich das Prinzip: Hoppla, jetzt komme ich! zum tragen. ICH MUSS jetzt meinen Seitschritt machen, ICH MUSS jetzt die und die Figur auch genau so, wie ich das im Kopf habe, umsetzen, egal, ob überhaupt Platz dafür vorhanden ist. Weg da, aus dem Weg. Und da wird m.E. genau eine Grundhaltung sichtbar, die man dann garantiert auch in anderen Lebensbereichen beobachten kann.

Gruss,
Frank

cassiel hat gesagt…

So. Der Jahreswechsel ist vorbei. Ich hoffe, alle sind gut ins neue Jahr gekommen und ich wünsche allen Tangueras und Tangueros ein gutes Jahr 2014 und viele erfüllte Tandas.

Ich will hier kurz noch einmal auf einige Kommentare, die zwischenzeitlich eingegangen sind, eingehen. Zunächst bedanke ich mich für die rege Teilnahme an der Diskussion.

@Stefan (31. Dezember 2013 13:33)
Ich bedanke mich für Deine Bemühungen, aber die Arbeit mit Copy & Paste hättest Du Dir nicht machen müssen. Wikipedia findet hier wohl jeder. Aber sei's drum. Es geht nicht um Dogmen, sondern es ging zunächst um (m)einen persönlichen Tangobegriff. So habe ich meinen Beitrag geschrieben und gemeint. Die (bewusste ?) Eskalation der Diskussion zu einer Frage von elementaren Dogmen läuft an den ursprünglichen Gedanken vorbei. Selbstverständlich sollen Menschen, die das wollen, ihren Freistil-Tango weiterhin genießen dürfen. Mir ging es um die Möglichkeit, eine Daseinsberechtigung für einen etwas engeren Tangobegriff zu formulieren.

@Beate (31. Dezember 2013 15:51)
Ich finde es schwierig, von einem Vorschriftenwahn im Tango zu sprechen, den Du hierzulande wahrzunehmen meinst. Noch einmal: Es ging mir nicht darum, irgendetwas generell festzulegen, es ging mir darum meinen Tangobegriff vorzustellen. Wenn Veranstalter dann Wünsche an das Verhalten von Besuchern ihrer Veranstaltungen formulieren, dann hat das m.E. nichts mit einem Vorschriftenwahn zu tun. Es ist eine mögliche Gestaltung vom Tango.

@Frank (1. Januar 2014 19:09)
Es bleibt Dir unbenommen zu fordern: Macht doch keine Religion daraus. Für meine Begriffe geht das aber wieder am Thema vorbei. Hier hat niemand versucht, einen traditionellen Tangobegriff als allgemein verbindlich vorzuschreiben. Noch einmal: Ich finde es legitim, einen solchen Tangobegriff vorzustellen und für entsprechende Veranstaltungen zu werben. Mit Religion hat das m.E. nichts zu tun.

Zu den eher generelleren Anmerkungen zum Verhalten auf der Tanzfläche fällt mir ein, dass es nach meinen Beobachtungen für Lehrer kaum möglich ist, reine Basistechnik in Workshops anzubieten. Solche Angebote werden nicht (oder nur ganz selten) angenommen. Das ist schade. Deswegen kommt es m.E. häufig zu unschönen Erscheinungen in der Milonga. Gute und beständige Arbeit an der eigenen technischen Basis ist nach meinen Erfahrungen immer gut investierte Zeit und Energie.

Ich verstehe häufig nicht, warum es hier und andernorts so eine Aufregung gibt, wenn man schlicht über einen etwas traditonsorientierten Tango schreibt. Niemand hat gefordert, den als allgemein verbindlich festzuschreiben. Es ging mir lediglich darum, ein solchen Tango zu beschreiben und in einem weiteren Schritt wünsche ich mir (wie vielleicht auch ein paar andere im Tanguer@s), dass entsprechende Veranstaltungen möglich sind, ohne dass gleich: Tango-Taliban, Ewiggestriger, Wahrheitseigentümer, Vorschriftenzahl, Dogma oder Religion gerufen wird.

Anonym hat gesagt…

Anonym-G.Hallo Frank!Ja,stimmt alles,was Du schreibst.Sehe aber Veränderungen.Die unfallträchtige Grundschritt-Eröffnung entgegen Tanzrichtung ist bei uns seltener geworden.Geblieben ist das nervende Autoscooter-Tanzen über alle Bahnen und das ewige Kurbeln auf der Stelle(mit zunehmender Geschicklichkeit der Führenden beim gegenseitigen Ausweichen,schmerzhafte Treffer sind seltener geworden).Ich hoffe auf zunehmendes Qualitätsbewusstsein in der Szene.Keine Hoffnung habe ich bei einigen wenigen langgedienten "routinierten" Störenfrieden(hormongesteuerte Anklammerer und/oder egomanische Permanent-Kreiselmäher mit ausgefahrener Fußsense);da hilft nur Abmahnung und Isolierung(Tangotänzerin jammert:"der presst einen immer so aufdringlich an sich"/ich:"dann tanze doch nicht mit dem Typ"/sie:"ich kann nicht nein sagen,wenn ich aufgefordert werde").Alles in Allem sehe ich in der Tangoszene eine Menge Leute mit sozialem Ausgangs-Potential.Herzliche Grüße.

Anonym hat gesagt…

@Frank:
Du drückst genau das aus was ich meine. Es braucht keine Regeln, um sich angemessen auf einer Milonga zu bewegen, sondern nur ausreichendes Sozialverhalten.
Denn man drängt sich nunmal nicht in einen vollen Raum, sondert wartet bis ausreichend Platz ist.
Man rückt seinen Mitmenschen nicht auf die Pelle oder behindert sie.
Wenn ich auf eine neue Miloga komme, schau ich mir zuerst an, wie es dort läuft. Wird mit Carbeceo aufgefordert, mach ich das auch. Ist es eher unüblich, weil beispielsweise die Raum- und Lichtverhältnisse ungünstig sind, muss ich eben auf die Tänzerinnen zu gehen.
Aber muss sowas erst unterrichtet werden?
@ Cassiel:
Nach deinem Kommentar vom 31. Dezember 2013 11:47 war mir nicht klar, ob dir die Definition von Dogma klar ist. – Polemik ENDE ;)
Ich möchte mich nicht als „Freestyle“ – Tänzer sehen, sondern eher als Allround Tänzer, der angemessen bezogen auf Partnerin, Platzverhältnisse und Musik tanzt und der Abwechslung liebt.
Auf Neo Stücke passt eben eine offene Tanzhaltung besser als eine geschlossene; auf Alfredo de Angelis ist es umgekehrt.
Ich möchte als Tango Konsument hier jedoch meinen Bedarf ausdrücken, nachdem ich in letzter Zeit feststelle, daß es immer mehr „Sparten Milongas“ gibt. Das finde ich schade und langweilig. Ich möchte hier den Veranstaltern ein Feedback aus Kundensicht geben. Bitte gestaltet eure Milongas abwechslungsreich und geht auf die Stimmung auf eurer Veranstaltung ein. Haltet nicht auf Teufel komm raus das Schema ein 2 Tandas Tango zu je 4-5 Stücken im Wechsel mit einer Tanda Vals oder Milonga, das langweilt auf Dauer. Geht bitte mehr auf eure Kunden ein, denn ihr seid als Veranstalter Dienstleister.

Allen noch ein schönes neues Jahr mit vielen abwechslungsreichen Tänzen.

Gruß
Stefan

Chris hat gesagt…

Hallo Cassiel,

wie schön, daß Du wieder schreibst. Allem voran wünsche ich Dir ein gutes neues Jahr mit Inspiration für deine Schreibe und deinen Tanz.

Mit den letzten Atemzügen des vergangenen Jahres hast Du eine ganz schwierige Frage in den virtuellen Raum gestellt.

Irgendwann gelangt wohl jeder Tänzer zu der Frage, was eigentlich noch Tango ist und was nicht mehr. Klar ist eigentlich nur, meiner Ansicht nach, daß es eine Grenze gibt. Irgendwann ist es was anderes, z.B. HipHop, Joggen, Couchpotating. Irgendwo dazwischen gibt es eine Grenze. Ich hab' sie nie fassen können. Inzwischen ist sie für mich aber auch nicht mehr relevant.

Wichtig ist mir, die eigenen Grenzen zu erweitern und einen eigenen Stil zu finden. Dabei jedoch in der Lage zu bleiben, mit möglichst vielen Tänzern tanzen zu können.

Zu den Videos wurde schon einiges geschrieben, ich muß das nicht wiederholen.
Ich teile nicht deine Begründungen. Und ich vermisse ein Wort zu den Tangueras. Tanzen die auch keinen Tango? Weil ihre Partner ihnen das verweigern oder weil sie es selbst nicht können? Ich finde Juana Sepulveda großartig, ganz unabhängig von Chicho. Und der, immerhin, läßt sie gutaussehen. Auch das macht einen guten Tanguero aus.

cassiel hat gesagt…

Hallo Stefan,

Du schreibst: Geht bitte mehr auf eure Kunden ein, denn ihr seid als Veranstalter Dienstleister. Grundsätzlich bin ich einverstanden, aber ich biete etwas an und biedere mich nicht an oder verbiege mich für die Wünsche von Gästen.

Es entspricht meinem Verständnis von Angebot und Nachfrage, dass bei mir vorab(!) klar ist, was potentielle Besucher erwartet, nämlich traditioneller Tango. Jeder bzw. jedem steht es frei, andere Milongas zu besuchen. Niemand ist gezwungen zu kommen.

Sicherlich gibt es - aus meiner Sicht erfreulicherweise - zunehmend traditionelle Angebote. Das muss man nun aber nicht den Veranstaltern vorwerfen. Wenn also jemand gemischte Angebote bevorzugt, dann sollte er entsprechend aktiv werden und selbst solche Angebote machen (statt diese lautstark einzufordern).

Es ist im übrigen wie im echten Leben. Wenn alle ein identisches Verständnis von Sozialverhalten hätten, dann bräuchten wie keine Regeln (weder im Straßenverkehr noch im Tango Argentino). Da dies aber offensichtlich nicht der Fall ist, helfen Regeln, dass sich alle wohlfühlen können.

Anonym hat gesagt…

@ chris: Danke, du schreibst mir gerade aus der Seele.


@ cassiel: ich habe mich an keinem Punkt kritisch zu deinem Tangobegriff geäußert; das wäre auch völlig widersinnig, denn ich hatte nur die Absicht zu ergänzen, was für mich darüber hinaus den Tango ausmacht – siehe ausführlich oben.
Ich nahm an (anscheinend eine Fehlinterpretation meinerseits), du habest genau dazu aufgefordert und wolltest darüber diskutieren. Daher habe ich mich auch sehr gründlich darum bemüht, meine Ergänzungen – unterlegt mit Beispielen aus dem Herkunftsland – darzulegen (siehe oben). Nicht mehr und nicht weniger. Und dazu hast du dich eigentlich überhaupt nicht geäußert, sondern nur zu einem einzigen Wort, das aus dem Zusammenhang herausgelöst wurde (nochmals siehe oben)

Nun, beim Tango mit guten Tänzern führen „Fehlinterpretationen“ meist zu interessanten neuen Schritten…

In diesem Sinne, liebe Grüße,
Beate

haribold hat gesagt…

Mir gefällt die Diskussion bis hierhin: Mal nicht nur die Traditionalisten unter sich im eigenen Saft...

Tango kann man glaube ich ziemlich objektiv definieren (ich verzichte auf copy and paste einschlägiger Definitionen). Hier scheint es mir mehr darum zu gehen, welchen Tango man persönlich und subjektiv bevorzugt (Cassiel spricht von „seinem Tangobegriff“).

Mir ist unter den Beiträgen Stefan sehr nahe.

Aber mir fehlen noch Dinge, die für mich zu (subjektiv!) gutem Tango gehören.

Z.B. ELEGANZ: Gavito hat sie, Pablo Veron ist in seiner Geschmeidigkeit und Exaktheit elegant, aber dieses Video von Espinoza/Hurtado ist – sorry - gräßlich: Klar tanzen sie Tango. Aber er: Gedrungener Körperbau, für die Partnerin zu klein, zappelig-stampfende Schritte – irgendwie plump. Und sie mit Hohlkreuz und gespreizter Pranke auf seinem Rücken. Für mich tanzen sie nicht miteinander, sondern kämpfen gegeneinander. Passend dazu das Ambiente, eine Sporthalle. Und die Meute im Hintergrund feuert die Kombattanten an...

Ich war mal bei einem Workshop, wo der Tanzlehrer eine Art Trainingsanzug trug. Er tanzte Tango. Ging für mich gar nicht!

Wichtig ist für mich zweitens HARMONIE: Das Paar muss harmonieren – miteinander und mit der Musik. Wenn diese Drei Eins werden, dann ist es für mich harmonisch.

Als Drittes: EMOTION. Das Paar muss die Emotion der Musik fühlen und tanzend ausdrücken. – Wenn mir beim Tanzen oder Zuschauen die Tränen kommen, dann ist es (für mich) Tango!

Chris hat gesagt…

Stefan wrote: "Haltet nicht auf Teufel komm raus das Schema ein 2 Tandas Tango zu je 4-5 Stücken im Wechsel mit einer Tanda Vals oder Milonga, das langweilt auf Dauer. Geht bitte mehr auf eure Kunden ein"

Milongas that play as you describe do so because that's what most of their customers want. The kind of customer who is bored with this goes elsewhere. I see no problem here.

Anonym hat gesagt…

"Vielleicht meinst du, Bert, genau das?"
@beate ja genau.
@Cassiel Ich sehe den Begriff "Traditionell" auch etwas problematisch. Was heist das? Ist es von 1920-36 Berlin? Sonst haben wir keine Tradition im Tango. Jeder Stadtteil in BA hatte seine Art des Tangos. Aber keiner weiss genau wie er ausgesehen hat. Damit könnte man vieleicht ehestens den Canyengue verbinden. Die Tradition hier neueren Datums wäre der Bühnentango, was man hier in den 90ern verkauft hat. Der Milonguero/Salon kam später hierher, wäre also eigentlich der Nuevostil.

Die Definition als guten Tango zu bezeichen wie:
Achtsam auf andere, Richtung halten, Musikalität, etc .. ist keine spezielle Eigenschaft des Tangos, sondern gilt für alle Tänze, wie Std/L etc ...
und wird wie dort aus den gleichen Gründen miss- und beachtet.

LG Bert

estrella hat gesagt…

Ich möchte hier eine Lanze brechen für Noelia & Carlitos. Ihren Stil als "grässlich" zu empfinden, gelingt mir nicht trotz der Kritik von Haribold angesichts des hier präsentierten Video-Beispiels nicht. Die sehr profane Umgebung einer Sporthalle, in der sie ihren Job zu machen haben, kann man den beiden wohl nicht ernsthaft vorwerfen. Ebenso wenig wie die Äußerungen des Publikums. Dass Carlitos Espinoza von anderer körperlicher Statur als der erwähnte Carlos Gavito, macht den ERstgenannten nicht zum plumpen Tanzbären "mit stampenden Schritten". Dass die beiden jungen Leute mit anderem energie-Einsatz tanzen als es der alternden Gavito mit seiner eigentümlichen Vorliebe für dramatische Seitschritte und reichlich Volcadas getan hat, erscheint mir persönlich mehr als verzeihlich. Die beiden können übrigens auch elegant, wie dieses Videobeispiel schön zeigt: http://www.youtube.com/watch?v=kaiXgxEjmZc&list=PLDD6835FDF5E87CE0
Romantischer Fresedo sieht bei den beiden anders aus als treibender, kompromisslos rhythmischer D'Arienzo. Und das ist gut so, weil es für mich ein Zeichen dafür ist, dass dass sie die Musik in Bewegung umsetzen, mal mit, ja meinethalben "stampfenden Schritten" von C., dann aber, wie im obrigen Video zu sehen, mit sehr geschmeidigen. Mir vermittelt sich der Eindruck, die beiden verstehen die Musik. Ach ja, und die "gespreizte Pranke", die sollte, wen's stört, Noelia einfach nachsehen als ihre Eigenheit.

Theresa hat gesagt…

Ich möchte jetzt nicht umfassend in die Diskussion einsteigen, sondern nur zu @haribold etwas anmerken, worüber ich heftig gestolpert bin.

Haribold schreibt zurm Thema Eleganz: "dieses Video von Espinoza/Hurtado ist – sorry - gräßlich: Klar tanzen sie Tango. Aber er: Gedrungener Körperbau, für die Partnerin zu klein, zappelig-stampfende Schritte – irgendwie plump. Und sie mit Hohlkreuz und gespreizter Pranke auf seinem Rücken. Für mich tanzen sie nicht miteinander, sondern kämpfen gegeneinander."

Eines der wirklich tollen Dinge am Tango ist doch gerade, dass es für gutes Tanzen nicht auf Schönheit, Jugend und Körperbau ankommt. Wenn man sich mit dem Partner und der Musik verbindet, ist es egal, ob der kleine Dicke mit der großen Schlanken tanzt oder umgekehrt. Und verbunden miteinander und mit der Musik sind die Carlitos und Noelia: Sie tanzen jede Betonung, jedes kleinste Innehalten in der Musik und lösen die Umarmung nicht einen Millimeter. Und die wilden Bewegungen passen genau zur wilden Musik, und sie sind alles andere als gegeneinander, sondern sie stacheln sich gegenseitig noch an. Da kann Noelia auch stampfen (und Carlitos ist übrigens die ganze Zeit katzenartig geschmeidig). Und sie können auch laszive langsame Schritte, wenn das Geigensolo nach dem Gesang kommt. Für mich ein herausragendes Beispiel vom Tanzen zu dritt: Mann, Frau und Musik.

Theresa

haribold hat gesagt…

Anscheinend kann man auch über Eleganz sehr geteilter Meinung sein – aber gut.

Noch ein Wort zur UMARMUNG anhand des interessanten Videos von Espinoza/Hurtado: Eine elegante Umarmung ist für mich zärtlich, sanft, zugewandt, innig und doch federleicht. Sie gibt den Partner frei und vereint sich wieder mit ihm.

Das Gegenteil einer eleganten Umarmung ist die Umklammerung. Marke Schwitzkasten. Wer zuerst loslässt, hat verloren. Ich assoziiere dabei Sumoringen. Köpfe abgewandt, Oberkörper fest aneinander gepresst, warten die Beinbewegungen auf die erste Blöße des Gegners. Wunderbar demonstriert von Espinoza/Hurtado.

Übrigens: Man schaue sich die Körpersprache auf dem allerletzten Bild des Videos an, als die beiden nach dem Kampf erschöpft voneinander ablassen. Man sieht sofort, wer gewonnen hat!

Für mich ist halt Tango kein Kampfsport. Sorry for that.




Anonym hat gesagt…

Hallo Haribold,

da bin ich etwas anderer Ansicht. Wie ich weiter oben schrieb, ist Tango für mich körperliche Paarkommunikation zur Musik. Das bedeutet, dass alle Spannungen und Polaritäten zwischen den Geschlechtern dort ihren Ausdruck finden. Natürlich müssen beide Partner sich aufeinander einstellen und sich aufeinander beziehen, es geht ja nicht um Ringkampf oder so.
Aber ich mag es durchaus, wenn die Frau mich herausfordert, wenn sie Pausen in meiner Führung nutzt, um selber Initiativen zu ergreifen, wenn sie selber ihren Anteil in unserem Tanz nutzt, um diesen gemäss ihrer Eigenart auszufüllen.

Das hat nichts mit sich nicht führen lassen zu tun. Von einigen Damen wird genau dass, was ich beschreibe, als Entschuldigung für die mangelnde Fähigkeit, sich führen zu lassen verwendet, aber das ist nicht gemeint.

Und in diesem Zusammenhang sehe ich auch das Duo Espinoza/Hurtado. Man kann die Art ihrer Umarmung mögen oder auch nicht, das ist eine reine Geschmacksfrage. Aber einen Kampf im Sinne einer Aggression vermag ich nicht zu sehen. Es ist ein Spiel miteinander, und wenn es so ist, dann ist das für mich Tango at its best.

Grüsse,
Frank

Anonym hat gesagt…

Hmm... Tango? Was ist Tango für mich?

Ich tanze Tango zuallererst Mal wegen der Musik. Sie berührt mich, ist für mich unglaublich abwechslungsreich, vielfältig und spricht etwas in mir an, dem ich gerne nachspüren möchte. Mit Tango Musik, wie ich den Begriff gerade benutzt habe, meine ich primär die klassischen Tangos aus der Epoca de Oro, etwas davor und etwas danach.

Bei den modernen Tango-Titeln (Elektrotango oder gefühlvollen Nontangos) klappt das manchmal auch, aber bei weitem nicht so gut, wie bei „klassischen“ Tangos.

Mir geht es beim Tangotanzen um viel mehr als nur Bewegung zu Musik. Hier kann ich meine Seele spüren und (wenn es gelingt) mit meiner Tänzerin auf eine ganz tolle Art und in einer besonderen Qualität Kontakt aufnehmen und halten. Ich kann sie „gut aussehen lassen“ und bekomme dafür ganz spannende Impulse für die nächsten Momente des Tanzes. Das alles begrenzt auf einige Musikstücke (gerne in Tandas) und dann trennen wir uns und genießen den erlebten Kontakt. Das kann bei großem Platzangebot gerne etwas ausladend passieren und bei dicht gedrängtem Parkett sich auf kleine innige Bewegungen beschränken. Für mich ist das Miteinander im Paar, inspiriert von der Musik entscheidend.

Voraussetzung hierfür ist, dass ich nicht aufhöre zu lernen mich gut zu bewegen, es lerne die Frau auf meiner Reise durch die Musik mitzunehmen und sie durch meine Bewegung anrege mitzutanzen. Ihr Freiraum lasse sich zu entfalten und wir gemeinsam einen Tanz erleben, der so nicht mehr zu wiederholen ist.

Klappt alles wie weitem noch nicht immer und klingt alles etwas esoterisch, ist aber mein Tango und ich möchte ihn und diese Momente nicht mehr missen.

Euch allen viel Spaß in 2014 und Dir Cassiel - viel Inspiration für Dein Blog!
Ein Tänzer

bird hat gesagt…

Hi Cassiel,

dir einen herzlichen Dank für deinen Beitrag und die Anregung mal über den eigenen Begriff des Tangos nachzudenken.

Desweiteren möchte ich mich gerne auf haribolds Beschreibung zu C.Espinoza u. N. Hurtado, von Cassiel gezeigtes Video, beziehen.

Ja, auch mir erschien N. Hurtado beim ersten Anschauen eigenartig "stampfend" und wenig elegant in vor allem Ihrer Beinbewegung.
Ansonsten empfinde ich beide als schön miteinander und mit der Musik verbunden.
Dann fügte estrella dieses weitere Video der beiden zu Musik von O.Fresedo hinzu und plötzlich enstand für mich etwas Wunderschönes.
Endlich ein Paar das bis in die Art der Bein-und Fußbewegung auszudrücken vermag zu wessen Musik es gerade tanzt. Sie sind in der Lage die jeweilige Musik in Ihrer unterschiedlichen Intensität, Nuancierung, Kraft, Energie, Lyrik etc. ganz Ihrer Bewegungsdynamik, Körperhaltung und Austrahlung anzupassen.
Wunderbar, davon träume ich schon seit Langem ...

Das finde ich ist ein faszinierendes, mein Können leider weit zurücklassendes, Thema.
Nicht nur Musikalität, sondern wie bewege ich mich bis in die Unterscheidung meiner "Gangart", meiner Austrahlung, meiner Umarmung (N.Hurtado ist bei Fresedo, trotz gespreitzter Hand, viel inniger) etc. passend zur Musik.
Diese beiden können das, jedenfall in diesen zwei Videos.

Haribold, dir ein Dankeschön für die Anregung nocheinmal genauer Hinzuschauen und Hinzuhören und dir estrella herzlichen Dank für dies zweite Video !
Fühle mich bereichert.

Anonym hat gesagt…

Hallo Frank,
ich bin hier ganz deiner Meinung.

Wobei für mich jedoch Murat und Michelle Erdemsel meine Vorstellung von Tango besser ausdrücken:
http://www.youtube.com/watch?v=Qv-m42OhICY
Wunderbear "klein" getanzt und beide stehen schön da.

Und die beiden können auch anders:
http://www.youtube.com/watch?v=gXuzeGSATSg
Aber immer perfekt in der Musik!

Gruß
Stefan

Unknown hat gesagt…

Dir Cassiel und alle Leserinnen und Leser diesen Blogs wünsche ich eine erfolgreiche 2014. Ich wünsche mir weitere persönliche Kontakte mit Leute, die hier lesen und schreiben - diese Kontakte waren für mich in den Vergangenheit immer sehr angenehm.

Ich habe vor, den Wunsch von Cassiel nachzugehen und hier meine Vorstellung über den Tanz, der wir argentinische Tango nennen, darzustellen. Obwohl ich öfter als Tango-Taliban oder arroganter Traditionlist bezeichnet wurde, bin ich weit von der Gedanke entfernt irgend jemand zu verurteilen, zu missionieren oder irgendwas zu definieren.

Für mich gibt es drei wichtige Merkmale des Tangos, so wie ich ihn verstehe:

. die traditionelle Musik (30er, 40er und 50er Jahre der zwanzigste Jahrhundert, so wie sie in Buenos Aires und Montevideo gespielt wurde) und die enge Bindungen der Tanzform zu ihr; Die Struktur des Tanzes folgt die Struktur der Musik. Jeder Tanz folgt eine bestimmte Muster - der Wals folgt einen Drehemuster, Samba hat das charakteristische Heben und Senken u.s.w. Auch beim argentinische Tango existieren Muster - einer davon ist die gegangene Umarmung. Wichtig für mich ist, dass diese Muster mit der Musik sehr stark verbunden sind. Die Schrittfolgen, die für mich bei eine d’Arienzo entstehen, kann ich bei keinen anderen Musik tanzen. Die Schrittmuster der Milonga sind so spezifisch, dass ich mich nicht vorstellen kann, diese mit eine andere Musik zu vertanzen. Dies enge Bindung zw. Musik und Tanz ist nicht zufällig - abgesehen von einige Volkstänze, ist der argentinische Tango der einzige Gesellschaftsstanz, für dem spezielle Musik komponiert und gespielt worden ist. Das ist schon bei der sog. Ballroom Tango nicht mehr der Fall und bei der andere Sporttänze auch nicht. Selbstverständlich wurden früher Stücke für die einzelne Tänze komponiert und gespielt - dieser Bindung zu Musik ist bei allen mir bekannten Geselschaftstänze mit der Zeit verloren gegangen. Ich höre oft das Argument, dass die traditionelle Tangomusik schnell langweilig wird. Jede Musikrichtung, die man nicht kennt und nicht liebt wird nach eine gewisse Zeit langweilig. Mir gibt die traditionelle Musik alles was ich brauche - ein großes Feld zur Entwicklung meine beschiedene Bewegungskompetenz und meine geistige und emotionale Flexibilität kommt auch nicht zu kurz - die Menschen der 30er und 40er haben nicht wesentlich anders als wir gefühlt, man muss nur diese Gefühle kennen lernen und auf sich wirken lassen. Und die tänzerischen Weiterentwicklungsmöglichkeiten sind für mich grenzenlos - trotz der "begrenzte Anzahl" Stücke, die uns zur Verfügung stehen. Für mich ist die Bindung zu der Musik der 30, 40 und 50er Jahre der zwanzigste Jahrhundert so wichtig, dass ich ein Tanz ohne diese Musik nicht als argentinische Tango bezeichnen kann.

. die Innigkeit der Abrazo - innige Verbindung zwischen den Tanzende, die durch die geschlossene Umarmung entsteht und dadurch resultierende intensive Kommunikation, während des Tanzes. Cassiel erwähnte der hervorragende Rolle des Gehens beim Tango. Ja, ich bin damit einverstanden. Gehen in jeder Form - parallel, in gekreuzte System, im Kreis, mit oder ohne Pivot - fördert eine introvertiertes Tanzens. Selbstverständlich gehören auch andere “Figuren” zum Tango. Das einzige Kriterium für mich, ob eine Schrittfolge "noch Tango" ist, ist die Verbindung in Paar. So ist für mich eine Soltada “keine Tango” mehr (Beispiele gibt es auf YouTube). Für mich ist schwieriger, aber nicht unmöglich, eine Verbindung zu meine Tanzpartnerin in eine offene Umarmung herzustellen. Demzufolge, verzichte ich lieber auf Figuren, die eine Öffnung der Umarmung voraussetzen.

Unknown hat gesagt…

Teil 2

. soziale Verhalten auf die Tanzveranstaltungen. Dazu gehören alle diese Codigos, die ein Tanzen auf der Ronda angenehm und entspannt machen. Selbstverständlich gehört auch eine respektvolle und höfliche Umgang miteinander mit Rücksicht auf den eigene Partner und den Tanzenden. Leider sind diese Begriffe für Einige von uns zu abstrakt. Codigos sind keine Dogmas, sondern helfen uns zu verstehen, was damit gemeint ist. Einer der schönste Regel für mich ist das Miranda-Cabeceo-System, die Machtspiele beim Auffordern vermeidet. Zu eine soziale Tanzveranstaltung gehören nicht extrovertierte Tanzdarstellungen - sowohl professionell in Form von Showtanz/Bühnentango und Demos, als auch von eingebildete Hobby-Tänzer. Es gehören nicht dazu Machtspiele in Form von Cliquenbildung, Ranggetuhe und ähnliche unsoziale Verhaltensmuster.

Ich bin überzeugt, dass durch diese drei Merkmale der argentinische Tango so einmalig ist, dass es sich lohnt auf diese zu achten. Ist einer dieser Merkmale nicht vorhanden, so ist diese Tanz für mich keine argentinische Tango. Jeder Tanz, ja jeder Art zu tanzen ist an sich einmalig, schön und dadurch beeindruckend. Tanzen an sich ist eine kreative Tätigkeit und egal wie man sie ausübt, ist es immer viel Freude dabei. Für mich ist die Freude noch größer, wenn ich diese Tanz, der wir argentinische Tango nennen, genau so ausüben kann und darf, wie ich es oben beschrieben habe.

Deine innere Haltung zu der Tango kann ich sehr gut nachvollziehen, Cassiel. Ich maße mir jetzt nicht an, dass ich die Einwanderer von damals gut verstehen kann (obwohl ich selber Immigrant bin), aber die Gefühle die ich in den traditionelle Tango-Musik wahrnehme - Einsamkeit, Schmerz, Sehnsucht, Melancholie aber auch Liebe und Eifersucht - sind mir nicht fremd. Und genau darum geht es für mich beim Tango - die Emotionen, die durch die traditionelle Musik entstehen, gemeinsam mit meine Partnerin und im Einklang mit der Ronda im Bewegung umzusetzen.

Ich möchte noch was bemerken, ja ich möchte Dir widersprechen, Cassiel - das was Du in deinen Beitrag beschreibst ist nicht nur Deine private Verständnis, was Tango bedeutet. Wie Du siehst - mein Verständnis ist auch ähnlich. Und ich habe in den letzten Jahren eine Menge Leute kennengelernt, die auch so wie Du und ich argentinische Tango verstehen und auch leben. Machen wir uns nichts vor - es ist eine Entwicklung zu beobachten, die genau in diese Richtung geht. Diese Tatsache erfreut mich außerordentlich.

Joachim hat gesagt…

Wie fein, dass die Diskussion doch recht nahe bei der Ausgangsfrage bleibt: Was ist „dein Tango“? Die Seitenfallen werden nicht vertieft und es ist ein kleiner Nachdenk- und Nachfühlspaß, nach dem eigenen Tango zu gucken.
( Mein) Tango ist Gehen in (enger) Umarmung zur Musik ( der EdO) im sozialen Raum der Milonga in der Ronda. Im Paar suchen und finden wir unseren Ausdruck des Musikerlebens in deiner, meiner und unserer Bewegung. Dabei bleibt die enge Umarmung erhalten und die Füße bleiben unten. „Meine Seele spüren“, das ist ein schöner Begriff des inneren Erlebens, vielleicht auch „ mich im Tanz vergessen und uns in der Musik finden“.
Ein Tänzer ( 03.01./ 13.37h) benennt ein weiteres Element, das auch mir persönlich wichtig ist: fortgesetztes Lernen. Ich lerne gerne immer weiter die Kunst, mich im Tango zu bewegen, gut zu gehen! Und fortgesetzt zu lernen, die Impulse der Partnerin zu verstehen, zu nutzen, zu beantworten. Dieses Suchen, Lernen, Entwickeln hat außer der Motorik eine tieferliegende Dimension im Hören-Lernen der Musik, um ihren wunderbaren Impulsen überhaupt folgen zu können. Wie wäre es mit diesem Beitrag von Trud Antzée und der Idee, diese „Kommentare“ zu tanzen: https://www.facebook.com/trud.antzee/posts/236034309891686
Das ist mein Versuch, meinen Tango zu beschreiben. Eigentlich ist es aber das Spiel der Gedanken mit der Frage, was der Tango hier und jetzt für mich bedeutet, welche Dimensionen des Tanzens und Lebens sich mir darin eröffnen. Ich danke denen, die mir dabei im Ablehnen und Annehmen auf die Spur geholfen haben.

Anonym hat gesagt…

Dank an Stefan für die beiden Links!

Gerade der Tanz im ersten Link illustriert wunderbar, was ich meine. Wäre es keine Show-Vorführung, wo halt alles klappen muss, würden beide vermutlich mehr spielen. Aber man kann die wichtigen Elemente erkennen. Sie hat so oft genügend Gelegenheit, aus seiner Vorgabe auszubrechen oder diese eigenständig zu interpretieren, wenn sie wollte. Er würde sie gewähren lassen und sie im geeigneten Moment wieder "einfangen". Man kann das alles förmlich greifen. Ein wundervolles Beispiel für nonverbale Kommunikation innerhalb eines Paares.

Die Puristen werden jetzt vielleicht einwenden, dass man dafür nicht unbedingt Tango-Musik braucht. Stimmt vermutlich. Gleichwohl tanze ich eigentlich ausschließlich nur zu "klassischem" Tango, da er mir nach meinem Geschmack die meisten Möglichkeiten und Inspirationen bietet. Die einzelnen Stücke sind so vielschichtig, es gibt immer wieder soviel in der Musik zu entdecken, dass mir Nontangos dagegen oft zu eindimensional erscheinen.

Ich liebe die klassische Aufteilung der Tandas - sie gibt Sicherheit, eine "Verbindung" aus welchen Gründen auch immer problemlos wieder lösen zu können und ist auch bei der Tanzpartnersuche sehr hilfreich - ich kann nicht mit jeder Frau für mich zufriedenstellend Pugliese tanzen oder möchte DiSarli eben mit bestimmten Tänzerinnen genießen. Man weiss, ok, jetzt wird es eine Tangotanda oder Milonga wird gespielt werden. Ich finde, das bereichert das Tangoleben mit angenehmen Komfort. Denn die begehrte Tänzerin für die entsprechende Tanda auch aufgefordert zu bekommen ist oftmals anstrengend genug...

Grüsse,
Frank

Anonym hat gesagt…

@Swetoslaw Beltschew „Einer der schönste Regel für mich ist das Miranda-Cabeceo-System, die Machtspiele beim Auffordern vermeidet. Zu eine soziale Tanzveranstaltung gehören nicht extrovertierte Tanzdarstellungen - sowohl professionell in Form von Showtanz/Bühnentango und Demos, als auch von eingebildete Hobby-Tänzer. Es gehören nicht dazu Machtspiele in Form von Cliquenbildung, Ranggetuhe und ähnliche unsoziale Verhaltensmuster“

Das ist eher Wunschtheorie, ist es nicht genau das, was passiert. E.G. dieselben Gruppierungen am Tisch, dürfte in aber BA nicht anders sein. Touristen nach hinten … Aber den Traditionstango gibt es den? Was ist das? Wenn man einen aus den 60ern fragen würde, der Tango aus den 20ern?
In 20 Jahren den aus 2010 ern? Im Moment stark beeinflusst von Jazztanz und Ballett, was man auch an der Art der Bewegungen sehen kann, gute Achse, leider meisst Arm gerudert, man koennte es auch als Tango argentinischer Art bezeichnen. Der „Milonguerostil“ entwickelt in der EDO aber nicht wegen schmusen sondern wegen Platzmangel, was war es davor? Es ist doch auch so, das diese ganzen Bühnenelemente nicht extra für Bühne entworfen wurde sondern sich im Laufe der Jahre im Sozialentango
http://www.youtube.com/watch?v=NMMlaq4Xjpc
entwickelt haben.
Oder http://www.youtube.com/watch?v=OjXn96bQavc Die Elemtente wurden bestimmt nicht für den Event gelernt, Das ist lange Jahre Routine. Reines Gehen war es nie.
Nur Gehen wäre doch eher dann der der englische Tango.Was sich aus ähnlichem entwickelt haben http://www.youtube.com/watch?v=E7sEPNbLdjs könnte

Grüße Bert

haribold hat gesagt…

Nur @estrella (3.1.14):

Jetzt konnte ich dein Video von Noelia & Carlitos anschauen. Du hast die Lanze zu Recht für die Beiden gebrochen! Sie können auch anders.

Übrigens: Ich kannte die Beiden gar nicht und habe mich nur auf das Video bezogen, weil es das Leuchtturmbeispiel im Artikel von Cassiel war. Mein Fokus war ELEGANZ im Tango, und da ist d i e s e s Video – immer noch – ein Negativbeispiel für mich.

Aber meine Stichworte Eleganz, Harmonie und Emotion interessieren hier niemand. Inzwischen käuen die üblichen Verdächtigen dieses Blogs ihre Standardthemen wieder (same procedure as every year...). Mich langweilt das, deshalb werde ich mich nicht mehr beteiligen.

Anonym hat gesagt…

@ haribold

Sorry, haribold, ich bin zwar kein üblicher Verdächtiger - da erst seit diesem Thread aktiv beteiligt - aber tiefere Ausführungen zu Deinem selbstbezeichneten "Fokus…Eleganz, Harmonie und Emotion" vermisse ich. Du hast Dich ein wenig über das Duo Espinoza/Hurtado ausgelassen. Dir wurde darauf geantwortet.

Die von Dir beklagte "same procedure as every year.." scheint eher eine gewisse einseitige Sprachlosigkeit nach mangelndem Applaus zu sein.

Gruss,
Frank

haribold hat gesagt…

@ Frank:

Oops, Frank, mein Lieber, was habe ich dir denn getan???

Oh, du hattest Dich zu meinem zweiten Kommentar geäußert und ich habe es nicht erwähnt. Tut mir leid. Ich hole es hiermit nach:

Ich hatte zwar gar nichts über Führung geschrieben, trotzdem mag ich deine Ausführungen dazu.

Ich hatte auch nichts über Aggression geschrieben, aber „Tango und Aggression“ – das könnte mal ein spannendes Thema sein. Allerdings eher nicht in diesem Blog, wo nur die Nichteinhaltung von Ge- und Verboten Aggressionen auslöst.

Ansonsten wäre mein Credo: In der Kürze liegt die Würze! Mehrteilige Koreferate sind halt kein knackiger Kommentar.

Ich grüße dich!

Anonym hat gesagt…

Ach haribold, ich war einfach ein bisschen gelangweilt darüber, dass hier eine Diskussion irgendwie nicht so richtig in Gang kommt.

Stattdessen tatsächlich "Mehrteilige Korreferate" (super Ausdruck übrigens) die nur das wiederkäuen, was der Initiator schon dargelegt hat.

Und:
Da ich in Deutschland lebe, kam einfach nur mein mangelhaftes Sozialverhalten durch… ;-)

Bis bald wieder mal in dieser Runde,
Frank

Unknown hat gesagt…

Die Leser, die durch meinen langen Beitrag belästigt wurden, bitte um nachsehen. Mir ist bewusst, dass das lesen und verstehen (erschwert durch meine miserable Rechtschreibung) längere Texte alles anderes als kurzweilig ist. Ich war der Meinung, dass meine Gedanken interessant währen, obwohl einige davon tatsächlich Wunschdenken sind, wie Bert richtig bemerkt hat. Ja, der Realität sieht genau so aus, wie Du ihm beschreibst, Bert. Warum, denkst Du, platzieren die Porteños uns Touristen nach hinten? Ich denke, es lohnt sich darüber zu schreiben.

Anonym hat gesagt…

Hallo nochmal,
in diesem kleinen Video wird schön ersichtlich, was für mich Tango ist. Es liegt nicht an den Schritten alleine, nicht an der Handhaltung und nicht an der Umgebung. Es ist die unglaublich tiefe Emotion die zu dieser Musik im Paar erreicht werden kann.
http://www.youtube.com/watch?v=tRNJUtAhsQU
- Tango -

Ein Tänzer

Anonym hat gesagt…

... jetzt schreibt er wieder, Gott sei dank!
Interessant wie immer, inklusive Kommentare. Danke, Cassiel.
Beim Tango, wie du ihn tanzt, bin ich ziemlich nah bei dir. Bei dem, wie du ihn siehst, noch nicht ganz; was ja nicht tragisch ist. Ich war aber etwas enttäuscht, anstatt deiner eigenen Gedanken die anderer zu lesen – von Discépolo, Portalea et. al. Das sind zwar hehre Worte, klingt aber ganz schön nach Klischee. Und danach, dass du dich an den Kern nicht heranwagst. Nach dem, was ich da lese, würde ich denken, du suchst eine Art metaphysischer Überhöhung. Das legt auch die Art nahe, wie du einige Tango-Zitate übersetzt: Wenn Potalea sagt "Hay que bailar los silencios", heißt es für dich "Man muss die Stille tanzen." M. E. meint er das aber ganz im musikalischen Sinne: "Man muss die Pausen tanzen." Ohne Metaphysik, ganz praktisch und ganz auf der Erde.
Für meinen Tango nehme ich noch etwas vom Rest des Zitats mit: "Und die Violinen. Auch wenn keine da sind." Dass ich der Interpret der Musik bin, nicht ihr Sklave. Und das alles nicht so bierernst nehmen soll. Etwas mehr Freude, bitteschön. Es gibt genügend Tangos, die genau das im Sinn haben (bei aller Schwermut einiger Texte), einer sogar explizit: El once (a divertirse).

Schönen Gruß
Tan Guero

haribold hat gesagt…

Yes yes Tan Guero!!!! Genau so verstehe ich das Potalea-Zitat auch!!! Ich danke Dir!

cassiel hat gesagt…

@Tan Guero

Klar kann man von einem Blogger erwarten, dass er über sein Verständnis des Themas spricht. Ich bitte allerdings zu bedenken, dass es hier auch nicht wenige Zeitgenossen gibt, die genau das kritisieren und mich dann schnell zum Wahrheitseigentümer o. ä. erklären. Es ist immer eine Gratwanderung zwischen eigener (subjektiver) Meinung und dem Nachspüren von Empfindungen Dritter, wichtigerer Leute im Tango (objektivere Meinung). Ich gebe zu, im Einzelfall liege ich da vielleicht manchmal falsch.

Chris hat gesagt…

"Es ist immer eine Gratwanderung zwischen eigener (subjektiver) Meinung und dem Nachspüren von Empfindungen Dritter, wichtigerer Leute im Tango (objektivere Meinung). Ich gebe zu, im Einzelfall liege ich da vielleicht manchmal falsch."

The belief that somehow an opinion is more objective because it comes from a third party is deeply mistaken, and is the root of much misunderstanding and misinformation...

... in my opinion :)



Anonym hat gesagt…

Die Gratwanderung, lieber Cassiel, sehe ich auch und spüre auch, wie sehr dir daran gelegen ist, eine Meinung als deine ganz persönliche herauszustellen. Finde ich gut.
Eine interessante Übung (und Diskussion) wäre es doch aber zu fragen, warum das Bild, das ein jeder von "seinem" Tango hat, denn so ist - wieviel steckt da drin von gemachten Erfahrungen, wieviel von überkomenen Bildern? "Ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann?" Was soll da ein Neuling denken? Dass alle Porteños Trauerklöße sind? Dass Donato und zumindest instrumentale D'Arienzos keine richtigen Tangos sind?
Plakativ gefragt: Wieviel Klischee steckt in unserem Verständnis vom Tango?

Schönen Gruß
Tan Guero

Wolfgang_wi hat gesagt…

Es ist ja schon so gut wie jeder Standpunkt geschrieben worden. Trotzdem nochmal meiner, schon aus Gründen der Statistik.

Ich weiß nicht, was das Problem mit Frumboli-Video sein soll - die Musik, die nach ca 90 sec einsetzt, ist doch wunderbar und der Tanz ist es auch. Dito das zweite Video (Cunha/Veron) - ich sehe zwei Tänzer, die es eben mal "laufen lassen" - warum denn nicht?

Aber das sind eigentlich sekundäre Punkte, die Geschmäcker sind eben verschieden. Richtig problematisch wird es für mich mit Statements wie "Nontango hat einen beat, also kann man nicht Tango drauf tanzen". WTF? Auch wenn ich selbst kein Toptänzer bin und vielleicht keiner mehr werde, und auf die Gefahr, daß es überheblich klingt: Ich habe ein Gefühl für Musik. Blues oder RnB transportiert eine Stimmung, hat wechselnde Stimmen, Instrumente, Arrangements, auf die man wunderbar tänzerisch aufsetzen kann.

Und ich plane, noch ein paar Jahre im Tango aktiv zu sein. Face it: Traditango ist Musik von Toten, d.h. diese Orquestras sind Geschichte und werden kein einziges neues Stück mehr produzieren. Es gibt jetzt schon ein Dutzend Lieder, die ich schlicht über-hört habe, und es werden sicher noch mehr werden. Die Öffnung in Richtung anderer Musik ist für mich - von der Bereicherung ganz abgesehen - schon daher essentiell, weil ich keine Lust habe, in einem immer kleiner werdenden musikalischen Raum meine immer gleichen Kreise zu drehen.
Von daher habe ich ein vitales strategisches Interesse, den Luftraum über den Tanzflächen- in dem ja auch entschieden wird, was die TJ’s auflegen und was nicht - nicht den Traditionalisten und der Tangopolizei zu überlassen. Zumal ich, bei allem Respekt, hier auch tanz- und spaßfremde Motive erkenne. Mit Musik, für die man sich noch keine 100-fach erprobte Choreo zugelegt hat, geht man ein Risiko ein. Gerade die Tango-Silberrücken scheuen vielleicht dieses Risiko. Ich selbst finde aber, genau dieses Risko macht den Unterschied: no risk, no fun.

cassiel hat gesagt…

Hallo Wolfgang, vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Bei dem Video von Chicho Frumboli haben wir wohl unterschiedliche Wahrnehmungen. Für mich steht in den ersten 1,5 Minuten die Bewegung im Vordergrund und weil es ohne Musik ist, ist es für mein Empfinden kein Tango mehr. Klar! Es ist bestimmt hohe Kunst. Ich habe nur in Milongas manchmal den Eindruck, da soll das nachgetanzt werden und dann wird Artistik bisweilen mit Rücksichtslosigkeit verwechselt.
Und meine Ausführungen zu Non-Tangos sind natürlich subjektiv. Ein (möglicherweise computergenerierter) stetiger Rhythmus steht dem im Wege, was für mich ein Kernelement im Tango ist. Die freie Interpretation der Musik. Im traditionellen Tango (ein komischer und fast sperriger Begriff) haben Tanguer@s viel mehr Möglichkeiten der Interpretation.
Ich habe nichts gegen neue Orchester, wenn sie sich der Tradition der großen Orchester verpflichtet sehen, aber dann muss die Leitlinie das tanzen, nicht das konzertante Musizieren sein. Für mich läuft da die zeitgenössische Musik im Tango in eine bestimmte (für mich falsche) Richtung.
Mit Begriffen wie Traditionalisten oder Tangopolizei habe ich meine Schwierigkeiten. Es sind Schlagworte in einem Disput, die ich nicht mag. Diejenigen, die für die Musik der Epocha de Oro ein flammendes Plädoyer sprechen, tun das meist aus gutem Grund. Und ich sehe an meiner eigenen Entwicklung, wie mich diese Musik in meinem Tango hat wachsen lassen. Ich habe ja auch mit gemischter Musik angefangen, ich kenne das alles zu genüge.
Tanz- und apaßfremde Motive kann ich nicht erkennen. Ich lese da eher eine Bitte um Respekt und den Freiraum, den eigenen Tango auch leben zu können, ohne dass gleich Rufe wie z.B. Tango-Taliban laut werden.
Und zu einem gerne vorgetragenen Argument, man kenne die alten Titel sowieso schon in und auswendig: Ich sehe es so, dass auch in der sog. alternativen Musik eine gewisse Übung vorhanden ist. Es ist nach meiner Meinung eher möglich, auf einen sehr formalen Tango der EdO zu tanzen (auch wenn er einem noch unbekannt ist) als auf ein freieres Arrangement der Jetzt-Zeit.

Anonym hat gesagt…

@Wolfgang: Da muss ich dann doch noch mal rumstänkern. Tanzen auf Non-Tango-Musik ist kein Tango. Punkt. Das Bewegungsmuster mag funktionieren, aber der Tanz ergibt sich definiert aus Musik+Art der Bewegung. Neo-Tango lass ich mir da noch gefallen, auch wenn es ncht meine Vorliebe ist. Aber Non-Tango also Entwicklung des Tangos hinzustellen ist schlichtweg Blödsinn.

Warum eigentlich muss sich immer der Tango solche Zumutungen gefallen lassen? Versuch das doch mal auf einer Swing-Veranstaltung. Oder spiel in einer Disco drei Stücke von Di Sarli; bitte die Reaktionen des Publikums auf Video festhalten.

Mach doch deinen eigenen Laden auf. Aber bitte nicht Tango draufschreiben, wenn keiner drin ist. Sonst verirr ich mich noch.

Tan Guero

Wolfgang_wi hat gesagt…

Lieber Tan Guero, ob Tanzen auf nicht-Tango-Musik nun Tango ist, ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal bzw ich finde diese Fragestellung langweilig. Worauf es mir ankommt: Die Emotionsfarben in Traditango und die in RnB oder Blues sind ähnlich und das Bewegungsvokabular des Tango Argentino paßt, um dies auszudrücken bzw. zu erleben. Selbstverständlich ist dies eine persönliche Wahrnehmung.

Austin hat gesagt…

Lieber Wolfgang,

ich stimme Dir insoweit zu, als der durchschnittlich begabte Tanguero es schon irgendwie hinbekommt, auf jede Musik mit einem Viervierteltakt seine Tango-Moves abzuspulen. Ob das dann Tangotanzen ist, ist eine andere Frage.

Könntest Du mir mal ein paar R&B- Titel oder Titel anderer Genres nennen, die Du besonders (tango-)tanzbar findest?

Wolfgang_wi hat gesagt…

@Austin, zB Rihanna: Final Goodbye. Beyonce:Halo. Alvin Lee: The Bluest Blues. Snowy White: Riding The Blues, Midnight Blues, evtl. The Time Has Come. Fürs Langsame: Dire Straits: Brothers In Arms; Heart: The Woman in Me (davon gibts sogar eine Spanisch-Version). Einer der nontango-Klassiker ist ja "Nothing Else Matters" in der Apocalyptica-Version; sehr nett ist auch die Shakira-Version dieses Stücks. Für Wagemutige wäre da noch Nelson Freitas: Rebound Chick...der Text ist allerdings, naja, make up your own mind.

Wobei ich sagen muß, daß ich noch nicht alles von dieser Liste auf der Piste ausprobiert habe; wenn Nontango leuchten würde, sähe das Thein-Main-Gebiet bei Nacht so ähnlich wie Nordkorea aus.

Übrigens, nur zur Klarstellung: Ich habe absolut kein Problem mit Traditango; hier gibt es haufenweise wunderbare Tradi-Milongas, auf denen ich mich auch sehr wohlfühle. Mir gehts einfach um ein bißchen mehr Bandbreite - wie schon an anderer Stelle gesagt, Tote (die EdO-Orquestras) bringen keine neue neue Musik raus und die alte hat man irgendwann über-hört.

Ich bin nicht ganz sicher, ob aus Deiner Frage nach Beispielen Neugier spricht oder etwas anderes - ds Statement, daß man auf alles mit Vierviertel-Takt Tangomoves machen kann, läßt jedenfalls auf wenig oder keine Erfahrung mit Nontango schließen. Technisch mag das stimmen - sicher kann man auf Tangomusik auch ich weiß nicht was für andere Moves machen. Aber das alleine ist es eben nicht. Ich kann beispielsweise nicht verhindern, den Text zu hören - da paßt schon mal einiges nicht; irgendwas mit gebrochenem Corazon sollte es schon sein. Das und natürlich dei Musik selbst bestimmen eben die emotionale Farbe.

Wolfgang_wi hat gesagt…

Nachtrag - oje, mehr Typos als geplant. Vor allem aber habe ich noch eine wunderbare Nontango-Empfehlung vergessen: Mr. Wrong von Mary J. Blige. Als Bonus obendrauf und passendes Schlußwort zu diesem Thema eine Textzeile aus ihrem Stück: "Bad boys are no good - good boys are no fun.". Check it out.

cassiel hat gesagt…

@wolfgang_wi

Ich mag Dir ja nicht Deinen Spaß hier nehmen und Dir Deine Selbsteinschätzung als spaßiger Mr. Wrong madig machen, aber ein paar korrigierende Worte sind m.E. dennoch angebracht:

1. Für mich sind die genannten Stücke einfach Non-Tangos; ihnen fehlt das, was m.E. Tango-Musik auszeichnet (z.B. eine formale Struktur wie beispielsweise ABA'B'A" - wenn Du nicht verstehst, was ich meine, dann lies vielleicht meine Versuche, diese Struktur zu erkennen und zu dekodieren am Beispiel von Araca la cana und La torcacita), Deine Beispiele weisen entweder einen (computergenerierten) Beat auf (sehr häufig werden Tänzer damit auf den Beat "festgenagelt") oder sie lassen Tänzer rhythmisch komplett allein (weil über weite Phase die Erkennung einer rhytmischen Struktur nur schwer oder gar nicht möglich ist).

2. Ich denke, selbst wenn man glaubt, diese Stücke tango-technisch tänzerisch verarbeiten zu können, dann müssn sie gut bekannt sein. Ich wage zu behaupten, man kann diese Stücke nicht tanzen, wenn man sie nicht kennt. Insofern relativiert sich das Argument, die klass. Tangos wären ja nun zur genüge bekannt (und deswegen langweilig).

3. Gehen wir einmal grob von 15.000 Aufnahmen der EdO aus und schätzen einmal übervorsichtig, nur 10 - 20% wären davon tanzbar. Dann hätten wir noch immer 1.500 bis 3.000 klassische Titel. Bei gut 100 Titeln in einer 5 stündigen Milonga ist die Vielfalt m.E. ausreichend.

Du schreibst, Du fühlst Dich auch in traditionellen Milongas wohl. Das lässt mich enigermaßen ratlos zurück. Hörst Du den Unterschied zwischen den Genres nicht? Merkst Du nicht, wie die alten Tangos Dir viel mehr Raum für die Entfaltung Deiner eigenen Kreativität im Tanz lassen? (Du kannst z.B. die Bandoneón-Linie tanzen oder den Sänger, Du kannst 1 3 oder 1,2,4 oder 1,3,4 tanzen usw. usf.) Das ist nach meinen Erfahrungen mit moderner Non-Tango-Musik nicht oder nur ganz schwer möglich. Ich denke, es hat einen sehr guten Grund, warum es in der Blütezeit des Tangos eine Entsprechung in der Musik gab...

Wolfgang_wi hat gesagt…

Hallo Cassiel, was Ratlosigkit angeht, bist Du nicht allein.

Ich war eine Weile im High-End-HiFi-Sektor unterwegs. Dort begegnen einem Leute, die ihre Anlagen so weit verfeinern, bis sie schließlich reale Musik nicht mehr ertragen können, weil sie sich selbst so auf Perfektion konditioniert haben, daß sie nur noch die Fehler der Aufzeichnung hören. Mit anderen Worten, sie haben den Kontakt zu dem verloren, was Musik eigentlich ausmacht.

Nimms mir nicht übel, aber dieser Vergleich ist mir eingefallen, als ich gelesen habe, eine formale Struktur sei das Essentielle. Für mich entsteht der Genuß aus dem gemeinsamen Erleben der Emotion in der Musik, und die Tangoschritte sind die Sprache, in der es möglich ist, darüber zu kommunizieren und eben das Gemeinsame herzustellen.

Dss mit dem Festnageln auf den Beat bzw. mit dem Alleinlassen ist hoffentlich nicht ernstgemeint; bei allem Respekt, es klingt für mich ein wenig vorgeschoben. Beides sollte Leuten, die ein bißchen Musikgefühl und Erfahrung haben, nicht dauerhaft passieren.

Das heißt für mich auch, daß in der Musik noch ein Element des Überraschenden enthalten sein sollte. An anderer Stelle habe ich mal gelesen, in BsAs seien momentan etwa 1500 Tangotücke als tanzbar eingestuft - was zu Deiner Abschätzung konform geht. Du kannst ja selbst ausrechnen, wie oft ein Tanguero, sagen wir einfach nach 10 Jahren und 2 Milongas pro Woche, jedes einzelne Stück gehört hat. Zumal diese 1500 Stücke sicgher nicht gleich häufig gespielt werden.

Sich beim Tanz nur auf die Traditangos zu beschränken, ist für mich, vom Langeweile-Aspekt abgesehen, schlicht Verschwendung. Es wäre so, als würde man die Fähigkeit des Sprechens nur einsetzen, um über bestimmte Themen zu reden.

Wolfgang_wi hat gesagt…

Cassiel, noch ein Nachtrag. Du wunderst Dich, wie ich mich auf traditionellen Milongas wohlfühlen kann, und ob ich die Unterschiede zwischen Genres höre. Wenn Du damit meinst, ob bei mir irgendein mechanischer Kategorisierungs- und Sortierprozeß der Musik stattfindet, auf Basis dessen ich dann meinen Tanz plane - nein. Ich entscheide nach dem Hören der ersten Takte einer Tanda, ob ich tanzen möchte oder nicht. Dann lasse ich mich von der Musik leiten, und welchem Istrument (inkl. der Sängerstimme) ich folge, geschieht einfach - ich folge meinem Gefühl.

Die Weiterentwicklung erlebe ich am deutlichsten über das Erleben der Zeit während des Tanzes. Am Anfang habe ich alle Zeit und Gehirnzellen fürs Überleben und die Navigation gebraucht. Jetzt sind es vielleicht noch 30% (wenn nicht zu viele Tantra- oder Tai-Chi-Tangueros oder Figurenturner unterwegs sind). Mit dem Rest kann ich die Musik aufnehmen, in Bewegung umsetzen und die Bewegung im Paar genießen.

Übrigens gibt es noch mehr als die Wahl des Instruments, das weißt Du sicher auch. Ich erlebe zunehmend bewußter, daß man synchron oder als Dialog tanzen kann. Und daß das Erleben auch von der Verzögerung zwischen Führungsimpuls und Ergebnis abhängt - z.B. ob eine Dame folgt oder ob sie die Musik auch ähnlich hört und die Bewegung eigentlich schon erwartet hat.

Und nein, ich bin weder die coole Mr. Wrong-Pistensau noch bin ich der abgeklärte Meistertanguero, der das rein Technische hinter sich gelassen hat. Ich mache jede Menge Fehler. Aber ich habe Lust am Entdecken und am Staunen.

Und wenn meine Tanzpartnerinnen nicht alle schwindeln, kommt dabei etwas für beide durchaus Angenehmes heraus.

cassiel hat gesagt…

@wolfgang_wi

Schön, dass Du noch einmal geschrieben hast. Ich muss Dich leider enttäuschen, ich bin kein HiFi-Spinner oder HighEnd-Freak; ich habe Jahre gebraucht um zu entdecken, was in den alten Aufnahmen steckt.

Ich habe den Eindruck, meine Argumente wischt Du einfach weg, weil sie möglicherweise unbequem sind.

Vielleicht vergisst Du bei Deiner Argumentation, dass ich da (wo Du jetzt augenscheinlich bist) auch schon einmal war und mir persönlich das auf die Dauer nicht ausreichend war.

Ich will Dir ja Deine Freude an Non- bzw. Neo-Tangos gar nicht nehmen; die sollst Du ja herzlich gerne ausleben (und wenn Du keine passenden Veranstaltungen findest, dann musst Du vielleicht selbst etwas auf die Beine stellen). Ich bitte aber, mir (und vielen anderen Tanguer@s) keine sachfremden Motive oder gar gelebte Langeweile zu unterstellen. Wie gesagt, ein hoher Prozentsatz dieser Menschen war schon bei Non- und Neo-Tango und hat sich dann weiterentwickelt... (mit weiter in weiterentwickelt soll keinerlei Wertung verbunden sein, mir fällt gerade kein anderes Wort ein)

Wolfgang_wi hat gesagt…

Cassiel,

ich habe mir schon gedacht, daß Du mehr Tango-Jahre auf dem Buckel hast als ich und tanztechnisch bestimmt eine Menge mehr als ich drauf hast.


Was mich nur beim Lesen deiner Texte oft wundert, ist der Fokus auf formale Aspekte. Liegt es daran, daß das Thema "Emotion" sowohl in der Musik als auch im Erleben des Tanzes selbst für Dich schon so selbstverständlich ist, daß Du es nicht mehr erwähnenswert findest? Oder daß Du es unangemessen findest, darüber auch zu schreiben?

Ob ein hoher Prozentsatz der "Tango-Silberrücken" schon in Nontango-Land war und es dort uninteressant wurde, kann ich global nicht beurteilen. Mein Eindruck aus meiner Region (Rhein-Main) ist, daß dieser Prozentsatz eher nicht so hoch ist, daß aber die wenigen "experimentellen" Milongas wachsenden Zulauf haben. Was mein persönliches Tango-Erleben angeht, habe ich ja schon geschrieben.

cassiel hat gesagt…

Wolfgang_wi, ich kann Dich beruhigen: So erfahren bin ich im Tango bestimmt nicht. Ich würde mich immer noch als (vielleicht fortgeschrittenen) Anfänger bezeichen und ich muss im Tango noch viel lernen.

Und wenn Du nach der emotionalen Seite fragst, dann gibt es hauptsächlich zwei Gründe dafür, dasss ich zu dem Thema sehr wenig schreibe. Einerseits werde ich inzwischen nicht mehr sehr subjektiv in diesem Blog (da gibt es genügend Leute, die mir dann übermäßige Subjektivität vorhalten) - auf der anderen Seite habe ich auch lange gebraucht um meine eigenen Schwächen erst einmal zu erkennen und an ihnen zu arbeiten. So etwas lehrt auch Demut. Ich krame mal einen uralten Text aus diesem Blog heraus: Den Versuch zum Tangohimmel - der Text ist fast 5 Jahre alt. Ich habe damals lausig (um nicht zu sagen: erbärmlich) getanzt; ich war bestimmt in einem gewissen Maße unbekümmerter. Die eytremen Glücksmomente (also anders formuliert: die Aha-Erlebnisse) werden im Lauf der Jahre seltener, je weiter man in den Tango kommt.

Manchmal höre ich das Wort Perfektionismus und wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist das nicht sonderlich freundlich gemeint. Ich bekenne mich zu diesem Perfektionismus - insofern bemerke ich meine eigenen Fehler. Und ein weiterer Gedanke: Mit den Jahren im Tango wächst auch eine gewisse Ruhe (sonst würde man es wahrscheinlich gar nicht sozial verträglich leben können). Ich z.B. muss nicht mehr auf jede Milonga, ich muss nicht mehr jede Tanda tanzen und wenn es mit einer Tanguera an einem Abend nicht klappt, dann kann ich locker bis zur nächsten Gelegenheit warten. Ich hoffe, das hat Deine Frage beantwortet.

Chris hat gesagt…

Cassiel wrote: " Für mich sind die genannten Stücke einfach Non-Tangos; ihnen fehlt das, was m.E. Tango-Musik auszeichnet (z.B. eine formale Struktur wie beispielsweise ABA'B'A" - wenn Du nicht verstehst, was ich meine, dann lies vielleicht meine Versuche, diese Struktur zu erkennen und zu dekodieren am Beispiel von Araca la cana und La torcacita),"

Tango is not characterised by structure (form). For every tango you can find which has that structure, you can find another which does not have it, and a non-tango that does have it. The idea that tango is characterised by structure is just one of the many misunderstandings about music propagated hereabouts by dance class teachers who lack understanding of the music and hence simply repeat what they've heard other dance teachers present in so-called musicality classes.

B. G. hat gesagt…

@Chris: Du willst wohl den Autor des Blogs absichtlich missverstehen. Für mich waren die Ausführungen von Cassiel nachvollziehbar. Mir ist schon häufiger aufgefallen, dass Du hier Stimmung machst. Ist das Absicht?

haribold hat gesagt…

Zur Struktur-Diskussion:

Ich war auch mal in einem Kurs, wo der Maestro meinte, Musikalität über solche Strukturanalysen vermitteln zu können. Das Ergebnis war, dass die meisten Kursteilnehmer anfingen, wie die Holzpuppen zu tanzen.

Ich glaube, wer sich nicht in die Musik einFÜHLEN kann, dem helfen solche verkopften Strukturanalysen nur begrenzt weiter. (Damit will ich niemand zu nahe treten) Und da ist es ziemlich wurscht, ob EdO, Neotango oder Nontango läuft. Man hört's, man fühlt's - oder halt nicht...

Chris hat gesagt…

Haribold, my experience is the same. "Analysis is paralysis", say dance educators who understand.

In the UK, we have teachers advertising themselves as musicality experts yet trying to teaching dance through powerpoint diagrams of so-called tango structure. Fake tango science.

Over the last ten or fifteen years of looking around at the results of different learning methods, I find always the students who have the most difficulty in actually learning to dance are the ones who've had their heads filled to bursting with this tango science.

For any such students reading this, here is a gift to you: The Mountain.

The true purpose of teaching is to make it easier for you to learn. The purpose of teaching that makes it harder is simply to keep you trapped in payign teachers. And the strongest trap is one that makes your head into a cage for your heart...

Monika hat gesagt…

@Chris
doch, Tango ist strukturiert, es ist immer eine Melodiefolge von 8 Schlägen (mit Ausreissern, natürlich - Musik ist ja Mathematik und nicht Buchhaltung) von A und B (und manchmal auch C) die aufeinander folgen. Das ist musikalisch einfach so. Begründet in der Volksmusik Europas. Das kannst Du nicht wegdiskutieren.

Austin hat gesagt…

Lieber Wolfgang,

zunächst einmal danke ich Dir dafür, dass Du mir diese Titel genannt hast. Ich wollte wirklich schon lange mal wissen, was für Musik Non-Tango-Fans auswählen, um darauf zu tanzen, denn, das hast Du richtig erkannt, ich habe mit Non-Tango keine Erfahrung. Deshalb war ich auch immer der Überzeugung, dass Menschen, die Tango auf Nicht-Tango-Musik tanzen, offenbar nicht erkennen, was die Tango-Musik so einzigartig macht. Offenbar gibt es noch eine andere Seite der Medaille, nämlich, dass solche Menschen offenbar in beiden Musiken etwas hören, worauf sie Lust haben, sich in Tango-Manier zu bewegen. Deshalb danke Dir.


Ich sag’s gleich, Du hast mich nicht überzeugt. Die schnelleren Stücke inspirieren mich nullkommanull zum Tangotanzen; bei den Blues-Stücken finde ich es etwas naheliegender, denn diese rühren in meinem Hirn an derselben Saite wie der Tango es tut (das ist natürlich eine rein intuitive Betrachtung), was vermutlich daran liegt, dass sie eine emotionale Schwere haben, die mir bei Beyonce und Rihanna völlig fehlt (in Spurenelementen bei „Nothing Else Matters“ vorhanden, wobei ich dann das Original vorziehen würde). Vielleicht läuft es bei Dir wirklich mehr über den Text, Du hast so was angedeutet; diese Ebene ist mir beim Tangotanzen eher unwichtig.

Angst um den Tango mit seinem scheinbar so begrenzten Repertoire habe ich nicht. Ich kenne vielleicht 50 Tangos und Valses so gut, dass ich sie beim Namen nennen, kann, und vielleicht 100 weitere, die mir bekannt vorkommen. Ganz ehrlich, mich langweilt fast keiner davon. Und ich finde das gar nicht überraschend. Denn zum einen hat gute Musik es an sich, dass man sie sehr oft hören kann und laufend neu erlebt, des weiteren wächst man ja auch tänzerisch an manchen Tangos (zu Beginn der Tangokarriere als untanzbar empfunden, irgendwann zum Lieblingsstück avanciert). Und wenn wir jetzt mal davon ausgehen, dass es 1500 Tangos gibt, dann haben uns „die Toten“ einen dermaßen vollen Schrank hinterlassen, dass er für ein Tangoleben locker ausreicht.

Aus diesem Grund sehe ich keinen Bedarf nach einer Rettung des Tango, und schon gar nicht durch den Non-Tango.

Wolfgang_wi hat gesagt…

Austin,

ich bekenne, ein Feedback a la "eine neue Welt hat sich mir aufgetan" hätte mein Ego sicher gestreichelt. Da es aber kaum ein anderes Gebiet gibt, das so subjektiv ist wie Musik, bin ich nicht wirklich überrascht; es spricht aber definitiv für Dich, daß Du es überhaupt versucht hast.

Was den Textanteil angeht, fällt es mir bei Englisch sehr schwer, einfach wegzuhören, es ist also eher eine Art Negativkriterium - ein schwermütiger Text macht ein Stück noch nicht tanzbarer, aber ein sagen wir hiphopartiger Text, in dem jedes dritte Wort mit Mother anfängt (hat dieser Blog eigentlich ein wortgesteuertes Zensurelement? Lieber nicht testen...) würde mir das tollste Lied der Welt tanzmäßig verderben.

Es gibt noch eine Sache, die ich loswerden möchte...bei aller Offenheit der Diskussion spüre ich doch an einigen Stellen noch eine gewisse Verspannung, etwa in Deinem Schlußsatz. Ich biete dazu folgendes Bild an: Für mich ist der Tradi-Tango wie eine gemütlich und funktional eingerichtete Wohnung in einer Stadt, die ich mag. Das schließt aber nicht aus, daß ich ab und zu mal in Urlaub fahre. Diese Urlaubsorte messe ich dann nicht mit den Maßstäben, die ich an meine Wohnung anlege. Der TV-Bildschirm darf etwas kleiner sein, das Bett weniger breit oder bequem, und so weiter. Ich genieße einfach das, was mir dieser Urlaubsort bietet - kurz zurück aus diesem Bild: bei Musik kann das beispielsweise schlicht ein fetter Sound sein, richtige Bässe und auch ein paar Höhen - und freue mich doch, wenn ich wieder nach Hause komme. Und wenn ich von einem angenehmen Urlaubserlebnis erzähle, würde auch kaum jemand vermuten, daß ich deshalb an meinen Urlaubsort auswandern möchte. Es sind schlicht zwei Dinge, die sich ergänzen.

Oder, falls ein kulinarischer Vergleich eingängiger ist - bei aller Liebe für raffiniert zubereitete Speisen mit den allerbesten Biozutaten - ab und zu macht es einfach einen Riesenspaß, ab und zu einen lecker zubereiteten, super-ungesunden doppelten Cheeseburger zu essen.

Austin hat gesagt…

Verspannt bin ich nicht, aber Du hast meine Irritation korrekt zwischen den Zeilen entdeckt. Ich finde es ein wenig vermessen, wenn Du ein Zukunftsszenario malst, in dem "Traditionalisten" und die "Tangopolizei" herrschen, und in dem es keine tanzbare Musik mehr gibt, die man nich tschon zu Tode gespielt hat, und als Ausweg schlägst du vor, die etablierten Gebräuche abzuschaffen und auch auf R&B zu tanzen.

Ich persönlich habe noch nicht unter der Tangopolizei gelitten, ich finde das Repertoire ausreichend und erkenne keinen fundamentalen Notstand bei einem Kulturgut, das immerhin UNESCO-Kulturerbe geworden ist. Ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass man da was verbessern kann, indem man Rihanna zum Repertoire hinzufügt.

Verstehe mich nicht falsch, das dürfen Du und Deine Gleichgesinnten für Euch gerne tun, aber Ihr solltet Euch dabei nicht zu Rettern von etwas erklären, was nicht gerettet werden muss, sondern einfach nur Euch nicht gefällt. Denn zu diesem Standpunkt (der Tango muss gerettet werden) kann man nur gelangen, wenn man die Freunde des traditionellen Tangos zu seiner Bedrohung erklärt.

Nichtsdestoweniger habe ich mir Deine Musikbeispiele wirklich offen angehört. Gefällt mir zum Teil auch gut, aber halt nicht für Tango.

Oder, um in Deinem Bild vom Essen zu bleiben: ab und zu Burger-Essen ist großartig, aber deshalb sollte man den Freunden der Bioküche nicht erklären, dass die Bioküche nur eine Zukunft hat, wenn sie Burger ins Programm aufnimmt.

Wolfgang_wi hat gesagt…

Austin,

Du gehst auf das Burger-Beispiel ein, also hast Du meinen Post offenbar gelesen; aber die Sache mit dem "Retten" müßtest Du mir in diesem oder einem anderen Text, den ich geschrieben habe, nochmal zeigen - ich kann mich nicht erinnern, daß ich sowas geschrieben habe.

Wenn Du meine Haltung verstehen möchtest, lies vielleicht nochmal mein Beispiel mit dem Urlaub - und versuche bitte nicht, zwischen den Zeilen zu lesen, denn dort habe ich nichts weiter hineinkodiert.

Ich fände es nur ein wenig albern, jeden Satz mit drei Sätzen einzuleiten, in denen ich erkläre, daß es hier um meine persönliche Ansicht geht - wie sollte es auch anders sein?

Ich hoffe, wir können das Thema dann damit ad acta legen.

Theresa hat gesagt…

Ich glaube, es ist mal vonnöten, einige Merkmale der traditionellen Tango-Musik zu nennen, die ihre Einzigartigkeit ausmachen. Bisher wurde entweder über die subjektive Wahrnehmung – die Musik sagt mir was oder nicht – oder über die "Struktur" diskutiert.

Die Struktur eines Stückes in Teilen (z.B. ABABA oder ABCAB), die sich wiederholen, ist in der Tat alles andere als spezifisch für den Tango. Sie wird in manchmal in Musikalitäts-Workshops behandelt, weil es hilft, die Struktur zu erkennen, um musikalisch zu tanzen; z.B. Pausen am Ende einer Phrase zu machen oder in der Wiederholung einer Phrase einen schönen Moment tanzen zu können. Aber dass eine solche Struktur vorhanden ist, ist das aller-oberflächlichste formale Merkmal von Tango-Musik, und sie hat es gemeinsam mit klassischer europäischer Musik und vielen anderen Musikstilen in Nord- und Lateinamerika. Dabei ist es für das Empfinden und Tanzen der Musik nicht von großer Bedeutung, ob die Phrasen 6 oder 8 Takte lang sind und wie viele Teile in welcher Reihenfolge aufeinander folgen.

Was ist es dann, was den Tango einzigartig macht und woran jeder erkennt, ob es sich um Tango-Musik handelt?

Das sind zum einen die Rhythmen. Es gibt viele Rhyhtmen im Tango; man kann dem 4/4 Takt auf viele Weisen unterschedliche Betonungen verleihen. Der Witz ist, dass im Tango nicht ein Rhythmus sich durch das ganze Stück zieht – wie z.B. eine 2-taktige Clave im Bossa Nova. Der Tango hat viele Claves, und das sind dann eben keine Claves mehr, die sich von Anfang bis Ende durch ein Stück durchziehen. In der Wiederholung einer Phrase kann der Rhythmus ganz anders sein als am Anfang (ganz einfach zu erkennen z.B. bei "Rawson" von d'Arienzo (1936)). Deshalb hat der Tango im Rhythmus etwas Unvorhersehbares. Und selbst langjährige Tänzer tun sich schwer, bei einer Biagi-Tanda immer die jeweiligen Síncopas richtig zu treffen (muss man ja auch nicht unbedingt). Der Tango bleibt also spannend, selbst wenn man sich auf das EdO (oder etwas erweiterte) Repertoire "einschränkt". Und das, zusammengenommen mit der Improvisationsfreiheit bei den Schritten, führt dazu, dass das gleich Stück jedesmal anders empfunden und getanzt wird.

Es gibt noch ein paar andere Charakteristika von Tango-Musik.
Spieltechnisch: Eine gewisse "Unreinheit" in der Intonation und im Timing; wenn zwei Violinen miteinander spielen, klingen sie nicht genau gleich wie in der klassischen Musik; das erzeugt Lebendigkeit und die berühmte "schmutzige" Klangfarbe. Dann der "Arrastre", das Hineinrutschen in den Ton, das je nach Instrument verschieden ausgeführt wird, und einen extra Drive in bestimmten Momenten erzeugt, der für Tänzer sehr inspirierend sein kann.

Stimmungsmäßig: Die Traurigkeit, die in fast allen Tangos steckt und die man umso mehr entdeckt, je öfter man auch mal einen Tango-Text liest. Die spezielle Phrasierung, die die Tango-Sänger entwickelt haben und die Traurigkeit und Drama auch für den ausdrücken, der den Text nicht versteht.

Diese kurze Aufzählung soll erstmal genügen, um zu motivieren, warum uns Aficionados des traditionellen Tangos diese Musik nie langweilig wird, zumal es auch "Silberrücken" gibt, die das Risiko auf sich nehmen, aus dem Fundus auch Unbekanntes zu spielen. Langweilig wird es so schnell nicht.

Theresa

Austin hat gesagt…

@ Wolfgang Wi

Ich stand bei meinem Beitrag auch unter dem Eindruck Deines Beitrags zu Christian Toblers "Encuentro"-Artikel (28.1.2014,18:48), wo Du schreibst, dass der Tango "langsam und qualvoll an seinen Konventionen zu ersticken" droht, wenn er sich nicht für neue Einflüsse öffnet, weshalb Du hoffst, dass es noch viele wie Dich geben möge. Sprich, Du und Deine Gleichgesinnten, können den Tango vor dem Erstickungstod bewahren.

Eine Neuerung, für die Du explizit eintrittst, ist eine Normalisierung des Verhältnisses der Traditionalisten zum Non-Tango.

Falls Du gern anders verstanden werden wolltest, tut es mir leid, aber so kam mein Eindruck über Deinen Standpunkt zustande.

Chris hat gesagt…

Well Said, Theresa.

"Dabei ist es für das Empfinden und Tanzen der Musik nicht von großer Bedeutung, ob die Phrasen 6 oder 8 Takte lang sind und wie viele Teile in welcher Reihenfolge aufeinander folgen.

Indeed. I wish teachers of the mathematical view of tango took care to explain to students that this teaching is of little or no importance to dancing.

Then fewer students would take away misunderstandings such as this notion of structure being characteristic of tango, and propagate such misunderstandings on blogs like this. And students vulnerable to such thinking would waste less time in these classes, and hopefully spend more time learning by dancing to the music.

For some, music is mathematics.

For most, it is emotion.

For a few, it is both.

Theresa hat gesagt…

@Chris:

nein, das stimmt nicht, dass das Unterrichten der Phrasen für das Tanzen ohne Bedeutung ist. Ich finde es sehr störend, wenn Tänzer die Phrasen komplett ignorieren. Und Leute ohne musikalischen Hintergrund müssen irgendwann mal darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein Tango "atmet".

Nur ist die Unterteilung in Phrasen oder Teile nichts Spezifisches am Tango, und nach dem Spezifischen wurde gefragt, um zu sehen, wieso wir Tango-Musik nicht einfach durch irgendeine andere, ebenfalls strukturierten, Musik ersetzen können.

Theresa

Wolfgang_wi hat gesagt…

Austin,

Der Kontext meines Posts zu Christian Toblers Gastbeitrag ist ein anderer. Da geht es um "Elitismus", Veranstaltungen mit Personenselektion, die Koexistenz von Bewegungsmustern...wenn Du dieses Thema in diesen Thread bringen möchtest, würde mich beispielsweise interessieren, wie Du zur Frage von Frau-Frau-Paaren bei der Geschlechter-Ausgewogenheit siehst. Das doch recht laute Schweigen hierzu fand ich schon etwas seltsam.

Das Thema Musik hatte ich da gar nicht so auf dem Schirm...aber wenn wir schon darüber sprechen, danke ich Dir für Deinen vorletzten Satz...eine Normalisierung ist wirklich vonnöten, wenn die Anregung, die Bewegungssprache des Tango Argentino könne bei Musik mit ähnlicher Emotionsfarbe auch Tanzgenuß bringen, eine solche Aufregung produziert.

Wolfgang_wi hat gesagt…

Kleiner Nachtrag - bevor es ein Mißverständnis gibt: Musik ist natürlich schon im Spiel - allerdings komplett auf traditionelle Tangomusik bezogen und soweit es um "musikgerechte" Dynamik in der Bewegung geht.

Austin hat gesagt…

Falls Du das "laute Schweigen" der hier Schreibenden auf Deine Frage als "beredtes Schweigen" deutest, so glaube ich, liegst du falsch. Ich habe bei der Lektüre Deines Beitrags zum Christian-Artikel auch nicht ganz verstanden, was diese Frage in dem Kontext sollte. Ich vermute, den anderen ging es ebenso, weshalb das niemand aufgegriffen hat.

Und auch jetzt verstehe ich den Grund für Deine Überleitung nicht, aber beantworte Deine Frage gerne, und sie hat eine Menge mit dem Tangobegriff zu tun (um den es in diesem Thread ja geht): Mir persönlich ist es von Herzen egal, ob sich Mann-Frau-Paare oder gleichgeschlechtliche Paare auf der Ronda tummeln. Ideologisch-generell gesehen.

Ob ich selber jemals so cool sein werde, dass es mir wurscht ist, ob ich mit einer Frau tanze oder mit einem Mann, glaube ich eher nicht. Meinen persönlichen Tango kann ich nicht davon trennen, dass ich ein Hetero-Mann und als solcher programmiert bin, Frauen gut zu finden, und ob ich das will oder nicht, das hat Auswirkungen darauf, was ich beim Tanzen mit einer Frau empfinde. Wenn ich mit einem Mann tanzen würde, nähme ich mir diese Komponente weg und es wäre dann eher eine sportliche Angelegenheit (Schritte richtig machen, Figuren hinbekommen), aber eben nicht mehr das, was für mich Tango ist.

Ich vermute, dass die allermeisten Männer das so ähnlich sehen, und vermutlich auch viele Frauen. Ich schätze aber die Frauen generell in der Frage des mal-mit-einer-Frau-tanzens etwas offener ein als die Männer.

Wolfgang_wi hat gesagt…

Austin,

ja, der Artikel von Christan und - inzwischen - der Kommentarthread dazu sind ja schon recht "gehaltvoll", da vergißt man leicht den einen oder anderen Punkt darin. Einer davon, für mich unter den spannenderen, war jedenfalls die "paarorientierte" Filterpolitik bei Encuentros, die in meiner Wahrnehmung von Christan auch ein wenig kritisch gesehen wird.

Nehmen wir also an, ein Veranstalter bekommt eine Anmeldung von, sagen wir, Anna und Maria. Wie geht er damit um? Fragt er nach, ob die beiden evtl. ein lesbisches Paar sind, oder ein oder sogar zwei Frauen, die die Führungsrolle ausprobieren wollen - oder einfach zwei "normale" am Tanz mit Männern interessierte Ladies, die gender-mäßige Unruhe in sein Encuentro bringen würden? Reicht dafür dann eine einfache e-Mail oder muß es eine notariell beglaubigte eidesstattliche Versicherung sein?

Was diesen Punkt angeht, fand ich es schon interessant - in einem der Posts - zu lesen, daß der Frauenüberschuß von Männern als unangenehm wahrgenommen werden kann - von einer soliden "traditionellen" Machoposition aus gesehen, sollte es doch eher nützlich sein, wenn die Konkurrenz unter den Frauen schön hoch ist, damit in puncto Optik und, nun ja, Fügsamkeit ordentlich aufgerüstet wird.

Wie auch immer: Damit sind wir bei dem Punkt, den Du in Deinem Post ja auch angesprochen hast. Die Qualität oder Art der Energie zwischen den Tanzpartnern. Ich kann Deinen Standpunkt sehr gut nachvollziehen; selbstverständlich hat das Ganze eine, nennen wir es ruhig beim Namen, latent erotische Komponente, die für Heteros eben nur in einer M-F-Konstellation funktioniert. Was, um das an dieser Stelle auch mal anzumerken, Tango auch in den höchsten Sphären der Perfektion eben doch zu mehr macht als Zen mit Bandoneon; wer anderes sagt, ist entweder schon sehr vergeistigt oder macht sich selbst oder anderen was vor.

Wie auch immer: Hier sind wir dann auf einmal mittendrin im Punkt "Konventionen". Klar, das erste, was uns - weil wir es mittlerweile relativ häufig auf der Piste sehen, sind hier F-F-Konstellationen. Und das kann ja auch schon die Position von Tango-Alphas bedrohen.

Aber es geht ja durchaus weiter. Ich fände es sehr spannend, Tango auch mal aus der Folgenden-Rolle heraus zu erleben. Das kann zwar noch dauern, im Moment kaschiere ich mangelnden Mut noch mit der Behauptung, ich wolle erstmal die Führenden-Rolle vernünftig beherrschen, bevor ich was Neues anfange.

Die M-F-Konstellation kann man dabei ja auch haben, inzwischen gibt es genügend Frauen, die führen können. Diese Form von Energie zu erleben würde mich ernsthaft reizen.

Und - SCNR - das wäre ja vielleicht auch ein Tip für Traditionalisten, als nächstes Level nach der Perfektion ihrer Technik: In den Anfängen des TA gab es ja, soweit man es nachlesen kann, auch einen massiven Männerüberschuß und demzufolge reichlich M-M-Konstellationen. So schließt sich dann der Kreis - Neues und ganz Altes harmonisch vereint.

Jedenfalls hoffe ich, daß Du jetzt verstehst, wie die Themen zusammenhängen und daß ich mit dem Punkt „Konventionen“ wesentlich mehr Dinge als „nur“ die Nontango-Frage angesprochen habe.

Chris hat gesagt…

Theresa wrote: "das stimmt nicht, dass das Unterrichten der Phrasen für das Tanzen ohne Bedeutung ist."

Actually I didn't say that. But perhaps I should. The teaching of phrases is unimportant. (Except to teachers.)

Learning is another matter. And we only need to look at the dancing typical in a BsAs milonga to see the result of learning direct from the music itself, rather than through class teachers wielding mathematical diagrams.

Anonym hat gesagt…

@chris

ich glaube es ist unglücklich ausgedrückt. Das erkennen der Phrasen sollte man unterrichten, nicht das Muster auswendig lernen. Wenn man ein System abspult, hat das mit Musikalität und Qualität nichts zu tun. Das ist dann auch nichts anderes als Taktrennen.

Gruesse Bert