Montag, 22. Juni 2009

Ich habe es getan!

Unter dieser (zugegebenermaßen) reißerischen Überschrift berichte ich über meine ersten Versuche, den Tango weiterzugeben. Nun wird mich meine verehrte Leserschaft für komplett größenwahnsinnig halten, aber ich habe wirklich Anfänger unterrichtet... und das kam so: Am letzten Samstag war ich bei einem sehr schönen Sommerfest und weil die Zeit vorher etwas anstrengend und die zwei ersten Achtel Wein zu schnell getrunken waren, war ich sehr fröhlich, als es in einer kleinen Runde schließlich um das Thema Tango ging. Ein paar Anfänger, denen ich Mut machen wollte, auf Milongas zu gehen, sagten, sie gingen nicht auf Milongas, da sie noch nicht genügend Schritte beherschten. Das forderte natürlich meinen Widerspruchsgeist heraus und ich argumentierte, daß es so bestimmt nichts mit dem Tango würde. Irgendwann muß jeder einmal in das kalte Wasser springen. Im Verlauf des Gesprächs kamen wir dann irgendwie darauf, daß wir ja zusammen üben könnten und am Sonntagabend machte ich mich mit meinem Laptop (und ein paar CDs für den Notfall) zu einer privaten Tangostunde auf und es gab Unterricht von Cassiel. Wir haben so etwas zwei Stunden geübt und ich habe keine Figuren vermittelt (das kann ich ja auch gar nicht). Ausgehend von der Umarmung (die kann man bewußt gestalten oder achtlos eingehen) haben wir lange über Haltung, Gleichgewicht und Achse gesprochen. Überhaupt habe ich wohl mindestens ein Drittel der Zeit erzählt. Dann habe ich die Freiheit erläutert, die jedem Tanguero für den nächsten Schritt zur Verfügung steht. Meinen berühmten Satz: "Man kann den Tango leicht zu schnell, aber niemals zu langsam tanzen", mußte ich natürlich auch bemühen. Und... siehe da... es klappte. Es war unglaublich spannend zu sehen, wie sich meine Schüler frei tanzten. Die anfängliche Unsicherheit und Unruhe wich einer schönen harmonischen Bewegung und für meine Begriffe sind alle Milonga-tauglich. Mein großes Anliegen, die Musik zu achten, konnte ich auch vermitteln. Zum Schluss haben wir dann sogar einen etwas anspruchsvolleren Pugliese getanzt.

Nein, ich werde jetzt bestimmt nicht regelmäßig Unterricht geben - aber ab und zu werde ich auch zukünftig versuchen, den Tango weiterzugeben. Mir hat es noch einmal die Situation am Anfang vor Augen geführt und es hat wirklich Freude gemacht, Menschen bei der Entdeckung des Tangos zu beobachten.

[Edit 24.06.09] Eigentlich wollte ich an diesem Artikel noch arbeiten... dann fehlte die Zeit und die Ruhe... jetzt gebe ich ihn einmal so frei.

4 Anmerkung(en):

Raxie hat gesagt…

Weißt Du Cassiel, es gibt ja eigentlich kein Richtig und Falsch beim Tango - jeder hat seine eigene Art, den Tango zu tanzen (unter Beachtung gewisser Grundsätze, auf die sich alle verständigen). Und da ist es eigentlich das Wichtigste, die innere Begeisterung zu entfachen.

Wer das Glück hat, den Tango für sich entdeckt zu haben und sich ernsthaft darauf einlässt, wird reich belohnt, wie ich meine. Man kommt sich selbst näher und man muss mit sich selbst ehrlich sein. Ein spannender Prozess, der gar nicht hoch genug bewertet werden kann. Vielleicht ist das auch der Grund, warum wir eigentlich alle zur Milonga laufen. Wieder und wieder...

Wunderbar, dass Du anderen den Weg dorthin versuchst zu ebnen. Wenn das alle von uns machen würden, wäre es (jetzt werde auch ich bisserl größenwahnsinnig) fast schon ein gesellschaftlicher Zugewinn. Tango ist ein Miteinander, ein Rücksichtnehmen auf einander. Wer kann das schon noch ganz bewußt heutzutage?

Aber da heb ich jetzt gerade ab. Dein Beitrag hat mir sehr gefallen Cassiel. Bringt mich zum Nachdenken. Für mich haben sich auch schon einige Herren sehr viel Zeit genommen, um mich an den Tanz heranzuführen. Allen voran ein Herr bei meiner allerersten Milonga. Er ist eine gute Std nur mit mir gegangen (ich konnte nach 2 std. privater Tanzstunde ja gar nichts) und hat versucht, mir die Angst (hatte ich wirklich, war total verschüchtert) zu nehmen. Und ich bin wieder gekommen... Nicht zuletzt war das auch sein Verdienst. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar.

Vielleicht geht das Deinen Schülern auch so Cassiel. Würde mich ehrlich freuen!

Übrigens schön, dass Du wieder geschrieben hast! Auch das ist ein echte Zugewinn...

cassiel hat gesagt…

Na ja, der Beitrag war schon eine Ausnahme ;-) ich hänge schon wieder in der Arbeit... und das lässt meine Kreativität im Formulieren sofort unter Null sinken...

Vielleicht ist das auch ein Aspekt von diesem Abend gewesen; ich denke, ich kann Gefühle in Worte packen und ausdrücken, wie es sich anfühlen sollte...

So! Jetzt nicht größenwahnsinnig werden und hübsch weiterwerkeln (gegen die Krise)

:-)))

Unknown hat gesagt…

Hola Cassiel,
oh weija, oh weija wenn GEMA deine heimliche und nicht angemeldete Unterrichtstunden entdeckt :)
ne, im Ernst, Du hast richtig gehandelt. Der Satz "Ich beherrsche noch nicht genügend Schritte" kenne ich nur zu gut... So ein Quatsch, als ob es bei Tango um das Tanzen von unzählige „Schritte“ geht :). So denken aber die Anfänger (und auch erfahrene Tänzer) und man muss gegen diese Meinung was tun. Einfach zu Milonga hingehen, sich Umarmen und ein Paar runden mit Musik laufen, ohne an irgendwelche Schritte zu denken. Ich kenne keinen, blutiger Anfänger oder alte Milonguero, der das keinen Spaß macht (nur dann wenn die Frau gut mitgeht; Männer laufen per Definition immer gut). Was soll man da falsch machen. Und Überhaupt – ich habe noch nie eine Milonga erlebt, wo „Schritte“ abgefragt wurden oder jemand rausgeschmissen wurde, weil er keine Colgadas getanzt hat. Mach weiter so, erzähle den Leuten was bei Tango wichtig ist und was nicht…
Abrazo
sweti

cassiel hat gesagt…

@sweti

Na ja, so weit kommt es noch, daß man ein Treffen in privater Umgebung zum kleinen Tango mit vier Leuten bei der GEMA anmelden muß. ;-)

Die Scheu mancher frischen Anfängerinnen und Anfänger kann ich nachfühlen, es ging mir ähnlich. Wenn ich heute ein Kompliment von Außenstehenden zu meinem Tango höre, dann sage ich immer noch: "Ich bin nur gegangen - mehr war das nicht". Neulich habe ich einmal spontan einen Gancho geführt und meine Tanzpartnerin damit derartig aus dem Konzept gebracht (weil ich das eigentlich nie mache), daß sie lachen mußte.