Dienstag, 6. Oktober 2009

Die Tango-Tanda: ein höchst subjektives Backrezept

Zwischendurch melde ich mich einmal mit einem Beitrag. Ich wabere noch immer in meiner Tango-Krise herum und höre gerade lieber Tango, als daß ich darüber schreiben möchte. Letzten Freitag kam dann die besorgte eMail einer treuen Leserin, warum ich denn die Einstufung des Tangos als Weltkulturerbe nicht kommentiert habe. Tja, dazu fällt mir nichts ein. Ich bin da ziemlich unaufgeregt. Der Tango kann (so denke ich jedenfalls) ganz gut leben und sich weiterentwickeln ohne dieses Prädikat. Dann kam über irgendeinen Kanal am Sonntag die Nachricht, daß Mercedes Sosa gestorben ist. Eine kraftvolle Stimme, auch Tango... aber nicht nur. Egal! Die Sehnsucht war vermutlich eine ähnliche... ihr Gracias a la vida bleibt unvergessen. Auch zu diesem Thema fühle ich mich nicht in der Lage, zu schreiben.

Und so gibt es nur ein paar Gedanken zum Zusammenstellen von Tandas.


Eigentlich bin ich ja noch einen Bericht schuldig, wie ich MP3 Dateien in meinem Computer etikettiere, damit ich beim Auflegen einen schnellen Zugriff auf die Tangotitel habe. Dazu kann ich eigentlich gar nicht so viel schreiben, da der Großteil der Informationen bereits beim Einlegen einer CD in mein Laptop von der CDDB geliefert werden. Lediglich das ID3 Tag Genre ändere ich auf Tango, Milonga oder Vals. Und dem Schlüssel Werk gebe ich kurz an, ob es ein Instrumentaltango oder ein gesungener Tango ist. Manchmal mache ich hier zusätzliche Angaben zur Epoche. Da bin ich aber nicht sehr gründlich. In das Feld Kommentar schreibe ich meine höchst subjektiven Empfindungen und Gedanken. Halbwegs gründlich bin ich beim Eintragen des "BPM"-Wertes. Es gibt viele kostenlose Tools, mit denen man diesen Wert bestimmen kann und diesen anschließend in die ID3 Tags eines Titels kopieren kann.

Das ganze sieht dann ungefähr so aus:



Eigentlich sind diese Angaben aber nicht so spannend. Viel spannender ist eigentlich, wie dann eine Tanda entsteht. Dazu hat meine Software zwei interessante Features (wahrscheinlich sind diese Möglichkeiten in jeder Audio-Software implementiert). Zum einen sind da die sog. intelligenten Wiedergabelisten. Diese (dynamischen) Wiedergabelisten gruppieren alle Titel einer Musiksammlung nach bestimmten Kriterien. Fügt man neue Titel seiner Musik-Bibliothek hinzu, die den Kriterien entsprechen, so wird die intelligente Wiedergabeliste automatisch erweitert. So gibt es z.B. eine intelligente Wiedergabeliste mit den Kriterien "Interpret enthält Di Sarli" und "Werk ist gleich [voc]". Damit habe ich alle gesungen Tangos von Di Sarli in einer Liste. Suche ich nach Ideen für neue Tandas, dann höre ich mir diese Wiedergabeliste mit zufälliger Wiedergabe an (das zweite Feature). Mein erster CD-Spieler vor 20 Jahren hatte schon das Knöpfchen random play. Damals konnte ich nicht viel damit anfangen. Heute nutze ich das gerne um Anregungen für neue Tandas zu bekommen.

In der letzten Woche lief eben diese Wiedergabeliste mit zufälliger Auswahl als ich mir abends noch ein paar Nudeln kochte. Mein Ohr hakte ein bei Adiós corazón, ein später Di Sarli gesungen von Roberto Florio... sehr langsam - feierlich getragen. Das gefiel mir musikalisch ganz besonders gut. Klar! Gesungene Di Sarlis da denkt man an Durán, Rufino oder Podestá. Mich hat die Stimme von Florio dann aber doch gepackt. Also suchte ich mir alle Di Sarli-Tangos gesungen von Roberto Florio heraus und nach mehrmaligem Durchhören blieben (neben dem bereits erwähnten Adiós corazón) folgende Titel übrig: Fumando Espero, Y todavia te quiero und Buenos Aires. Alle Titel sind ähnlich langsam und getragen (so 56 oder 57 BPM - wobei mir diese Angabe fast zu technisch ist).

Nun geht es noch um die Reihenfolge. Nach einige Überlegungen habe ich Fumando espero an den Anfang der Tanda gestellt. Es ist bekannt und die sehr homogenen Violinen zu Beginn sind vielleicht programmatisch für die Tanda. Fest stand auch, daß Adiós corazón an das Ende der Tanda wandert. Es bildet (zumindest für mein Empfinden) virtuos die Quintessenz dieser Stücke. Dann habe ich Buenos Aires an die zweite Stelle und Y todavia te quiero auf Platz drei gestellt. Diese Kombination gefiel mir aber nicht. und so habe ich die Stücke zwei und drei vertauscht. Y todavia te quiero ist ähnlich lyrisch wie das Largho oder Adagio im 2. Satz einer Symphonie. Buenos Aires ist zwar nicht wesentlich schneller aber deutlich weniger dramatisch.

Diese Tanda ist schon sehr getragen. Also wird sie vermutlich direkt nach einer Milonga-Tanda am späteren Abend gespielt werden. Hmmm... ich bin gespannt, ob sie funktioniert.

So, das war mein höchst subjektiver Bericht über mein Backrezept für eine Tango-Tanda. Ich gehe jetzt nach Hause... kochen und die nächste Tanda zusammenstellen. ;-)

[Edit, 07.10.09] Jetzt kam eine eMail mit der Frage, was eine Tanda sei. Sehr peinlich, das habe ich einfach ausgelassen. Eine Tanda ist eine Gruppe von 3, 4 oder 5 Tangotiteln mit ähnlichem Charakter. Leider kann ich mich nicht mehr an die Fundstelle erinnern, aber ich habe irgendwo einmal gelesen, daß in der Frühphase des Tangos (damals gab es dramatischen Männerüberschuss) die Männer für eine Tanda bezahlten. Weitere Informationen zum Thema: Tangomusik in Tandas gibt es in einem früheren Artikel.

9 Anmerkung(en):

Di Sarli hat gesagt…

Hallo Cassiel,

ein sehr schöner Tanda-Beitrag mit zahlreichen Anregungen! diese Tanda werde ich mir mal so anhören, bin aber bereits jetzt davon überzeugt, dass sie gut ankommen wird! Danach könnte ich mir dann gut eine D`Arienzo- oder Canaro-Tanda vorstellen...

Yvonne hat gesagt…

Lieber Cassiel

Das gehört jetzt zwar nicht zum Thema, aber ich schreibe es trotzdem. Ich habe jetzt eine bestimmt 2-monatige Tangopause hinter mir und es geht mir prächtig!! JA, endlich wieder! Ich habe festgestellt, dass ich die schlimmsten Momente der vergangenen Monate im Tango erlebt habe...weshalb also soll ich mir das antun. Vielleicht irgendwann wieder...Den Tango-Kurs habe ich gegen eine Badminton-Stunde "eingetauscht". DAS macht Laune! Ich muss lachen können und Spass haben und das hatte ich beim Tango definitiv nicht. Vielleicht solltest Du auch mal eine Tangopause machen. Vielleicht erträgt man Tango besser wennn man einer schönen Beziehung ist. Als Single mit Sehnsucht nach einer Beziehung finde ich Tango nicht wirklich ideal. Ich könnte auch nicht zuhause Tangomusik hören, da würde ich wohl spätestens nach einer Stunde aus dem Fenster springen...echt!! Naja, waren nur so meine Gedanken...hoffe, es geht Dir bald wieder besser! Schnapp Dir Deinen Labi und lass Dir den Wind um die Nase wehen, das tut auch gut. Cuídate, Yvonne

tango1001 hat gesagt…

Spannend! Ich wünsche dir, daß die TanzerInnen deinen Aufwand auch zu schätzen wissen.
Wie oft legst du eigentlich auf?

@ Yvonne:
Oft bekommt man das, wonach man sich sehnt, erst dann, wenn man sich davon verabschiedet hat.

Anonym hat gesagt…

@Tango1001

Da magst Du recht haben. Es geht aber nicht nur darum, es geht halt auch um das Rumsitzen und Abwarten, ob man zum tanzen geholt wird. Naja, ist nicht so einfach zu erklären...Hauptsache, es geht mir gut ;-).

cassiel hat gesagt…

Mittagspause...

Hmmm Yvonne, ich denke, es ist ähnlich wie mit dem Einschlafen. Liege ich im Bett und ärgere mich, daß ich nicht einschlafen kann, dann wird es auch bestimmt nicht gehen. Ich schraube mich dann immer tiefer herein.

Ich kenne auch eine Tanguera, die es sehr tirfft, wenn sie etwas länger sitzt. Sie hat das für sich so gelöst, daß sie dann konsequent geht. Das finde ich immer schade. Aber... ich kann das verstehen.

Tangueras, die entspannt auch einmal sitzen können wirken zufriedener und werden (so jedenfalls meine Theorie) auch häufiger aufgefordert.

Das schreibe ich natürlich aus der Sicht eines Mannes (der in dieser Frage ja nur bedingt mitreden kann). ;-)

cassiel hat gesagt…

Ach so...

Danke für die Anmerkungen!

cassiel hat gesagt…

Habe gerade noch einmal nach neuen Kommentaren geschaut und finde die noch unbeantwortete Frage von tango1001. Sorry! Die habe ich wohl in der Eile überlesen.

Ich lege so alle 6 bis 8 Wochen auf (das nächste Mal Ende Oktober). Ich bereite mich allerdings sehr gründlich vor, d.h. ich habe bis jetzt noch nie einen Titel ein zweites Mal gespielt. Mir macht das Auflegen Spaß. Eigentlich ist es eher die Vorbereitung. Ich lerne meine Musik immer neu und immer besser kennen. Das ist sehr reizvoll.

Bei meinen Streifzügen im Internet habe ich gestern noch folgenden Text gefunden. Den möchte ich meinen Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten.

Tango DJ Responsibility

Claudita hat gesagt…

Hallo Cassiel,

sehr interressant und danke fuer die ausfuehrliche Beschreibung. Wie gings denn mit der Di Sarli/Florio Tanda?
Was ich interessant fand ist dass du sagst du haettest noch nie einen Titel ein zweites Mal gespielt. Ich frage mich warum? Ist das eher weil es dir soviel Spass macht neue Titel zu finden und daraus Tandas zusammenzustellen oder aus einem anderen Grund? Fuer mich ist in einer Milonga die Balance zwischen vertrauter und neuer Musik sehr wichtig und auch dass die Taenzer die Gelegenheit bekommen mit 'neuer' Musik vertraut zu werden - das heisst oft spiele ich viele der selben Titel (und bevor mir jetzt ein Anonymer der damit nicht uebereinstimmt auf den Kopf haut - das ist nur eine persoenliche Meinung - ich versuche hier niemnden zu belehren oder zu kritisieren).
Ansonsten hoffe ich du kommst bald aus deiner Tangokrise, manchmal kann das laenger dauern...also viel Glueck!

cassiel hat gesagt…

Hallo Claudia,

die Di Sarli/Florio-Tanda habe ich noch nicht ausprobieren können. Ich lege erst wieder Ende Oktober auf. Inzwischen habe ich mir noch einige weitere Tandas mit gesungen Tangos von Di Sarli zusammengestellt. Mal sehen, was ich spielen werde.

Vielleicht noch zur Klarstellung: Ich denke, es gibt Klassiker, um die kommt man beim Auflegen fast nicht herum. Mir geht es eigentlich darum, einen Automatismus bei der Milonga zu vermeiden. Sehr prominente Stücke setze ich sparsam ein. Nehmen wir beispielsweise instrumentale Di Sarlis. Sicherlich ist Bahia Blanca ein solcher Klassiker. Von Di Sarli habe ich zwei Versionen. Dann gibt es noch eine schöne Version von Alberto Di Paulo und schließlich gibt es von Di Sarli viele schöne Instrumentaltangos. Ich möchte wirklich vermeiden, daß sich ein Titel bei den Zuhörern "ausleiert". Insofern versuche ich Wiederholungen zu vermeiden. Das geht auf Dauer nur in Grenzen.