Montag, 24. Oktober 2011

Für die neue Woche 124: Francisco Canaro - Trés jolie (muy lindo)

Heute sollte es ein Vals sein und ich hatte mich ursprünglich für Rodolfo Biagi entschieden und seine Stücke kreuz und quer gehört: Großartiger Tango im 3/4 Takt - aber er ließ mich irgendwie kalt. Mir fiel einfach keine kleine Geschichte ein, die ich im Umfeld eines solchen Stücks erzählen wollte. Also überlegte ich noch einmal und dann kam mir Francisco Canaro mit einem Vals aus der Feder von Émile Waldteufel in den Sinn.

Émile Waldteufel
Wer war Émile Waldteufel? Émile Waldteufel (eigentlich Charles Émile Lévy 1837 - 1915) war ein Komponist und Musiker aus dem Elsaß. Francisco Canaro war ja schon sehr früh in Europa (genauer gesagt in Paris) und diese Wechselwirkung zwischen dem "alten" Europa und Buenos Aires gab dem Tango in seiner jungen Geschichte wohl den notwendigen Schub. Gut möglich, daß er in Paris mit der Musik Waldteufels in Berührung kam. Und so sind es nicht nur die Protagonisten im Tango, die europäische Wurzeln hatten (irgendwo hatte ich schon einmal thematisiert, daß viele der großen Interpreten italienische Wurzeln hatten; Canaro selbst übrigens auch). Manchmal wurde auch die Musik des klassischen Abendlandes einfach "tangoisiert" (vielleicht erinnern sich einige Leserinnen und Leser noch an das Beispiel von Donato, eine Melodie von Chopin).

Ist diese Zeit der Einflüsse in beide Richtungen vorbei? Kommt der Tango heute nur noch aus dem Delta des Rio de la Plata in den Rest der Welt? Ich weiß es nicht. Ein Bekannter schrieb mir neulich, er habe den Eindruck, daß mit der zunehmenden touristischen Vermarktung des Tangos in Buenos Aires der Tango sich irgendwo eine Arche Noah suchen muß, um zu überleben. Ein sehr ungewöhnlicher Gedanke; ich stelle ihn hier einfach einmal kommentarlos zur Diskussion.

Francisco Canaro (instrumental) Eine Aufnahme vom: 3. Dezember 1938 (?)

Direkter Link zum Titel bei goear.com.

Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich einen guten Start in die neue Woche.

41 Anmerkung(en):

finswimmer hat gesagt…

Hm, ich weiß nicht. Ich bin ja eigentlich Canaro-Fan. Und Vals finde ich immer klasse. Aber dieses Stück ist mir irgendwie zu nah am Wiener Walzer dran. Zum zuhören ist das ok. Beim tanzen irritiert mich das allerdings.

Uralt hat gesagt…

Also wenn dieses Stück als Vals durchgeht dann ist Hijo de la Luna von Mecano auch ein Vals. Beide haben gemeinsam,dass das Tempo stimmt. Aber sonst ist der Tango bei beiden Stücken ziemlich weit entfernt.

Canaro hat noch mehrere Kompositionen von Waldteufel aufgenommen die für mich aber alle keine wirklichen Tangos sind.

finswimmer hat gesagt…

Hijo de la luna ist ja nun eindeutig Nontango. Lustigerweise ist es eines meines Lieblings-NonTango-Valses und Wiener Walzer.

"Doof" finde ich es eben, wenn man ein Lied nicht so richtig dem klassischem Tango zuordnen kann.

Peter Fangmeier hat gesagt…

das europäische einflüsse den tango gewaltig mit geprägt haben. war doch argentinien um die jahrhundertwende 1899/1900 ein klassisches einwanderungsland. diese imigranten haben nicht nur ihre arbeitskraft sondern auch ihre kultur in ihre neue heimat gebracht. weiter ist zu beachten das die goldenen jahre des tango beginnen mit dem spanischen bürgerkrieg und klingen ab 1945 langsam ab. in dieser zeit haben viele künstler europa verlassen um in der neuen welt zu überleben. anders läßt es sich auch nicht erklären das in der blütezeit des tango in bsas ca 12000 musiker beheimatet waren um in 600 orchestern ihren unterhalt zu sichern. viele dieser musiker haben nach dem ww2 argentinien wieder verlassen um in ihre heimat zurück zu kehren. diesen aderlass und das aufkommen des rockn roll hat mit dazu beigetragen das der tango langsam in eine nische abgerutscht ist und mehr oder weniger zufällig überlebt hat.
ich persönlich wünsche mir schon lange das auf milongas das eine oder andere stück aus der alten welt gespielt wird.

es gibt da wirklich wunderbare stücke darunter .... spontan dazu fällt mir folgende sängerin ei

oana catalina chitu.

peter fangmeier
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Tangoelster hat gesagt…

@ Peter Fangmeier: Der Rock'n Roll wird ja für vieles verantwortlich gemacht, jetzt auch noch für den Niedergang des Tango? ;)

Musikhistorisch und auch soziokulturell müsste man das schon noch mal ein wenig differenzieren. Ich möchte hier keine Off-topic-Diskussionen anstrengen, aber vielleicht ergibt sich irgendwann und irgendwo nochmal die Gelegenheit, das weiter auszuführen, inwiefern Du den Rock'n Roll in der Schuld siehst (überhaupt: meinst Du die Musik? Oder die ihn umgebende Jugendkultur?).

Freundliche Grüße.

Tangosohle hat gesagt…

Tangoelster, das hört sich für mich wie ein Missverständnis an.
Ich verstehe P.F. so, dass der RR ein Anlass war den Tango aus seiner klassischen Periode herauswachsen zu lassen. Dieses Herauswachsen (oder Weiterentwickeln) sehe ich als einen normalen, Prozess. Er ist bei weitem nicht verantwortlich oder schuldig, vielleicht hat er den Prozess aber ein wenig angeschoben. Nun, das ist ja schon fast ein Novemberthema ....

Merkmal einer klassischen Periode sind m.E. dass sie irgendwann auch wieder vorbei ist. Ein anderes Merkmal ist, dass sie noch über Jahrhunderte in ihrem Genre eine inspirierende Wirkung hat. Das sehe ich auch im Tango so, heutige Tangomusiker orientieren sich ja wohl weniger am Tango des 19. Jhd, oder der 20er Jahre, sondern doch eher an der klassischen Phase.

Ein weiteres Merkmal ist wohl die Sehnsucht, die die klassische Phase auslöst. Ach wären wir wieder in jenen Zeiten hört man die Liebhaber des klassischen Tango, wie der klassischen Musik, der klassischen Malerei... immer wieder sagen. Woody Allen nannte das in seinem letzten Film "Midnight Express" das >Goldene-Zeitalter-Syndrom<.

Herzlichst
>Tangosohle<

Peter Fangmeier hat gesagt…

das der begriff Rock'n Roll eine etwas unglückliche wortwahl wahr. es ging mehr um damals neue einflüße in der musik, und das ganz allgemein. aber so kann es gehen... eine falsche wortwahl und schon nimmt das hier eine ganz andere richtung. wir sollten zurück zu unseren europäischen wurzeln und nicht vergessen das es auch in unserem zeitalter durchaus üblich ist sich künstlernamen zuzulegen.

traut euch ... hört euch mal die tangos der alten welt an .... es sind tolle stücke darunter.

peter fangmeier
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PacoDaCapo hat gesagt…

Hallo Cassiel und alle Blogleser,

der Walzer ist ja ganz herrlich wienerisch - weanerisch - wie auch immer! Das ist doch ein charmante Abwechslung zu allen kreolischen Walzern; die Schlußtakte sind besonders "Wienerwalzer" und nicht besonders gut tanzbar, zugegeben, wer will schon aus der Bewegung so abgebremst werden?

Dass die Jugend nach Ende der Perón-Zeit und damit mitten in dem Niedergang des Tango nach der EdO sich für Rock'n Roll zu begeistern begann, hat die Tangoadictos der Elterngeneration nicht begeistert. Dann kam auch noch jemand wie Piazzolla [aus der engsten Riege der besten traditionellen Musiker, aber dort schon als ein eigenwilliger Fortschrittlicher mit seinen Arrangements aufgefallen] und schuf den Tango Nuevo, dies alles war neu und wurde natürlich nicht begrüßt. Fakt ist, die Jugend wandte sich vom Tango ab und dem Rock'n Roll zu. Die Militärs verdrängten und zensierten den Tango wieder einmal nach Kräften; beides trug zur Marginalisierung des Tango bei.

Zum Vergleich: Nach dem Krieg ist in Frankreich von der Arbeiter- und Familienkultur der Musettebälle kaum etwas übriggeblieben. Auch dort "fuhr die Jugend auf Rock'n Roll ab"; die bis zum Krieg "romantische" Phase der Valse-, Swing- und Javatänze war unwiederbringlich vorbei.

Also ein Generationenwechsel, ein starker Einschnitt (hier die Trümmersituation und der Neuanfang und dort der krasse Absturz aus dem Wohlstand der Dekade der 40er) und auch die politische Situation wirk(t)en hier mit.

Heute - als Trost oder Genugtuung für diejenigen, die es noch erlebt haben - wenden sich die Rockmusiker dem Tango zu!

cassiel hat gesagt…

@tangoelster

Schön, daß Du wieder geschrieben hast. Ich muss Peter Fangmeier insofern unterstützen, als das Osvaldo Natucci in dem Interview bei PractiMilonguero ebenfalls den Rock 'n' Roll für den Niedergang des Tangos verantwortlich gemacht hat (leider ist das Video in Deutschland inzwischen nicht mehr abrufbar - der lästige Streit zwischen YouTube und der GEMA).

Ich denke allerdings, das ist nur die halbe Wahrheit; der andere Teil ist wohl die Diktatur, die offensichtlich keinerlei Wert auf Tango legte.

tangopeter hat gesagt…

Hey Cassiel, Du gräbst doch immer wieder geile Teile aus, Kompliment!
Ich hoffe, Du nimmst es mir nicht übel, wenn ich das Niveau dieser Diskussion ein klein wenig senke!?
Booooah ey, wie oft war ich hackedicht, als ich diesen Song in den
70er Jahren auf diversen Tanz op de Deel - Events wie Schützenfest
und silberne Hochzeit in der norddeutschen Tiefebene mitgelallt habe:
Eeeeedelwaaaaissss, Ääääädelweissss (Hicks)
Vor ein paar Jahren bekam ich fast Pipi inne Augen, als Eric Jeurissen
mir zum ersten Mal die Canaro - Version nahebrachte - Hammer!
Viele Amis halten den Song übrigens für die österreichische Nationalhymne:

Edelweiss, edelweiss
Ev'ry morning you greet me
Small and white
Clean and bright
You look happy to meet me

Blossom of snow
May you bloom and grow
Bloom and grow forever
Edelweiss, edelweiss
Bless my homeland forever

Soviel zum soziokulturellen Niedergang des prozessorienterten Herauswachsens
aus generationenwechselbedingter Transformation nontangogesteuerter Artefakte
unter besonderer Berücksichtigung blütezeitgerechter Klassikorientierung
Noch einen? Gut, das wäre die thailändische Version...
Darf solch ein süsses Juwel eigentlich einsam verhallen?
Nö, es muss eine solide Tanda her:

Tres Jolie
Dolores
Amor y Primavera
Etincelles

Und nicht vergessen: in 18 Tagen beginnt die Session!

Theresa hat gesagt…

Hey Peter,

dein Beitrag hat mich köstlich amüsiert. Ich kann mich ja auch noch gut an die 70er Jahre erinnern.

Darf ich einen Verbesserungsvorschlag für deine Wiener Tanda machen. Also, der Vals mit Vorspiel sollte ja möglichst am Anfang der Tanda stehen. Aber statt Amor y Primavera nimm lieber Sueño de muñeca. Da ist das Vorspiel noch ausschweifender, und der Vals ist einfach herzzerreißend.

Und was beginnt in 18 Tagen?

Mit besten kollegialen Grüßen
Theresa

PacoDaCapo hat gesagt…

Der Militärdikatur waren Tangos sicherlich nicht gleichgültig, sondern galten eher als möglicherweise subversiv, bei der üblichen Paranoia solcher herrschender Kreise also ein Grund, jeglichen Versammmlungen zu mißtrauen, also auch Milongas...

Und den Tangoinhalten im übrigen auch.

Der satte Klang der Aufnahme erinnert etwas an Carabelli oder OTV; in der Tat stammt der Walzer vom 3. Dez. 1931, so jedenfalls die Diskografie von Lefkovich, er vergab die Ordn.- Nummer 2989 für diese Aufnahme. Umso erstaunlicher, finde ich, dieser Klang, für eine Aufnahme aus '31.

PacoDaCapo hat gesagt…

Theresa und Peter:

Anderer Vorschlag für eine Wienerwalzertanda:

Siempre fiel (Enrique Rodríguez)

:-)))

Theresa hat gesagt…

@PacoDaCapo:

In meiner Datenbank habe ich "Siempre fiel" getaggt als "wienerisch, brav". Und in der Tat, ich ziehe die Wienerischen von Canaro bei weitem vor, die sind reich instrumentiert mit schönem Zusammenspiel, während der Rodríguez-Vals doch arg einfach gestrickt ist (wenngleich es gegen Ende, so bei 2:40, so eine schöne Phrase gibt, die nach Schrammel und Heurigem klingt). Dagegen aber "Dolores" oder das bisher noch nicht erwähnte "Los patinadores", die haben eine Orchestrierung, die eines Wiener Walzers wirklich würdig ist.

Ich empfehle die Wiener Canaro-Tando für die Silvester-Milongas um Mitternacht!

Theresa

tangopeter hat gesagt…

@Theresa
>statt Amor y Primavera nimm lieber Sueño de muñeca

Gefällt mir, dafür würde ich sogar überlegen, mal vokal und instrumental zu mischen, doch - warum nicht!

> Und was beginnt in 18 Tagen?

Session ist ein anderes Wort für Fasteleer, in München sagt man glaube ich Faschingszeit ;-))
Im Tango ist das anders, da gilt: Siempre es Carnaval (zumindest bei Osvaldo F. aus B.A.)
Diese These griff übrigens später ein indischer Guru auf und verkündete: Life is a carnival!
Und wer liefert dazu die passende Meditationsmusik? Da schliesst sich der Kreis wieder bei Canaro...

Liebe Grüsse
Peter

Monika hat gesagt…

Ein absolut reinrassiger Wiener-Walzer, gespielt von Canaro, einem der ganz Grossen im Tango. Wie schön. Ich mag die Waldteufel-Kompositionen, fast alle. Man hört sie sofort heraus, auch wenn nicht alle so reinrassig sind wie dieser hier. Ich mag sie nicht an jeder Milonga haben, aber gelegentlich ist das doch nett und beschwingt :-)

Auch das zeigt doch nur, wie auch schon erwähnt, dass die Wege der Musik damals keine Einbahnstrasse waren, sondern in beiden Richtungen durchlässig.

Und wiedermal: Geschmäcker sind verschieden :-)

Anonym hat gesagt…

@ all: Danke für Eure Anmerkungen zum Rock'n Roll. Ich verstehe jetzt besser. Mein Einwand sollte auch wirklich kein Riesencontra meinerseits sein.

Tangoelster hat gesagt…

Nachtrag: die Anonyma war natürlich die Tangoelster. :)

cassiel hat gesagt…

Guten Morgen,

ich hatte ja gestern behauptet, der Teil des Interviews bei PractiMilonguero wär aufgrund der YouTube-GEMA-Streitigkeiten nicht erreichbar. Ich hatte mich geirrt. Die Aussage von Osvaldo Natucci, der Rock 'n' Roll wäre ursächlich für den Niedergang des Tangos gewesen, fiel im ersten Teil des Interviews (ab etwa 5'35"). Sicherlich ist das auch nur eine isolierte Meinung eines einzelnen Milongueros, aber man kann ihm ja einfach einmal zuhören. :-)

Einen schönen Tag allerseits!


P.S. Ich freue mich über die rege Diskussion. Vielen Dank!

Chris hat gesagt…

so ist das mit der Musik, ich krieg die Krätze, wenn ich so einen astreinen Wiener Walzer auf ner Milonga höre, der Opernball läßt grüßen.

Theresa hat gesagt…

@Chris:

na zum Glück hast du bei mir schon lang nicht mehr die Krätze gekriegt.

Wäre denn so eine Tanda an Silvester um Mitternacht ok?

Es grüßt Deine dich auch gesundheitlich umsorgende
Theresa

Peter Fangmeier hat gesagt…

das alle bitte die kirche im dorf lassen sollten. es ging/geht um die einflüsse aus europa bzw den kulturellen austausch. hat doch der tango über paris zurück in seine heimat gefunden. warum sollten da die musiker nicht auch diverse melodien mit genommen haben. und überhaupt ist der vals-ursprung nicht komplett europäisch ???. wenn wir jetzt anfangen alle einflüße außerhalb der stadtgrenze von bsas zu verteufeln, alle tangoschaffenden von der liste streichen die nicht mindestens 3 generationen lang in argentinien nachweisen können wird es arg dünn auf mancher playlist. carlos gardel hätte es da wohl auch schwer gehabt, da einiges in seiner herkunft nicht genau dokumentiert ist!.



Peter Fangmeier
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Chris hat gesagt…

nein, liebe Theresa, deine Valstandas genieße ich regelmäßig, ich schwöre.

Herr Fangmeier, die Kirche kann gerne im Dorf bleiben, ich leugne überhaupt nicht europäische Einflüsse auf den Tango, weder im musikalischen noch im tänzerischen. Da hab' ich auch gar nichts gegen, selbst wenn der Einfluß Waldteufel heißt.
Ich bin da nur sehr unideologisch eigen, ich mag keinen Vals auf einen Walzer tanzen, da sperrt sich was in mir, das ist alles.

Theresa hat gesagt…

@Peter Fangmeier:

Jetzt bau mal keinen Pappkameraden auf. Es geht um Stile und nicht um Nationalitäten.

Auch ich bekenne mich dazu, lieber auf Musik "vom Rio de la Plata" zu tanzen, als auf russische, finnische, deutsche oder türkische Tangos, auch wenn es schöne Musik ist und auch wenn aus diesen Ländern Einflüsse auf den Tango gekommen sind. Aber wir reden hier über Vorlieben beim Tanzen und nicht über Wert und Unwert von Herkünften.

Theresa

Uralt hat gesagt…

Es tut mir leid, aber Non Tango ist nicht nur Popmusik oder griechische Kinderlieder oder was sonst noch so auf Milongas gespielt wird. Auch Wienerwalzer ist Non Tango selbst wenn er von Maestro Canaro gespielt wird. Genauso ist Foxtrot von Rodriguez gespielt keine Milonga. Walzer und Foxtrot liegen uns kulturell nah, aber dieser Musik fehlt eigentlich alles was Tango zu einem Tango macht. Ich möchte hier nicht zu sehr ins Detail gehen dies wurde hier schon früher von kompetenteren Leuten als mir beschrieben.

Nach meinem Empfinden ist Fado viel näher beim Tango aber zu Fado kann man an Silvester nicht schunkeln.

@Chris
ich auch

@Peter Fangmeier
die europäischen Einflüsse auf die Tangomusik soweit vorhanden sind eher in Süd- oder Südosteuropa zu suchen als in Mitteleuropa. Ich vermute viel mehr, dass die geschäftstüchtigen Orchesterleiter sich mit dieser Art Musik in Europa noch ein weiteres Geschäftsfeld auftun wollten.

Unknown hat gesagt…

2002 gab EMI eine CD namens "Recordando sus Éxitos" in Rahmen der Reihe "Reliquias" heraus. Es spielte das Orquestra Tipica Enrique Rodriguez, die Tittel wurden von (welche Wunder) Armando Moreno gesungen. Die Titel wurden zw. 1941 und 1945, also EdO, aufgenommen. Neben den zwei Vals, enthält das CD Corridas, Fox Trotts, eine Passo Doble und sogar eine Polka. Danach (nach 2002) gab es keine Milonga auf den mindestens eine Tanda von dieser CD nicht gespielt wurde. Beliebt waren die Titel wie Clavelito chino, Cantar gitano, Por las calles de Estambul. Ich hatte damals große Schwierigkeiten, das Foxtrtt-Rhythmus (wer kennt ihn den aus den Tanzstunde nicht – Lang, Lang, Kurz, Kurz) in meine Beine zu bekämpfen. Meine Frage nach der Grund, warum diese "Non-Tangos" gespielt wurden, wurde stets mit den Argument, was neulich eine DJ auf diesen Forum verwendet hat, erwidert "Was hast du den... Alle Tanzen und amüsieren sich prächtig". Ich kann mich bis heute mit diese Art "Modeerscheinungen" bei dem Tango nicht befreunden. Corridas, Foxtrotts, Candombes aber auch (Wiener) Walzer führen mich direkt weg von der Tanzfläche – mir fehlt einfach nichts ein, wie ich diese Musik mit der Ausdrucksmittel der argentinische Tango interpretieren kann.

PacoDaCapo hat gesagt…

Candombes?

Sweti...

Was die anderen Rhythmen angeht, gebe ich Dir zum Teil recht. Wie viele Titel habe ich nachgesehen und mir die Augen gerieben, es waren oft "Paso dobles". Den einen oder andern Swing Titel höre ich ganz gern auf Milongas und kehre auch gern der Tanzfläche für eine Tanda den Rücken, um dann umso begeisterter wieder zu tanzen, wenn danach ein "neues Kapitel aufgeschlagen" wird! Auf Pferdchenmilongas dagegen kann ich gern verzichten, Candombes aber begrüße ich!!

Theresa hat gesagt…

Damals wurden die Rodríguez-Foxtrots gern als Ersatz für eine Milonga-Tanda aufgelegt, bzw. manchmal sogar in der Meinung, das wären Milongas, bloß weil die BpM so halbwegs stimmten, und die Leute tanzten darauf sowas wie Milonga.

Aber das Schlimmste, was man damals als "Milonga" hören musste, war "Libertango". Dieses Stück provozierte einen ganz bestimmten Tanzstil, den man heute gern zu bestimmten Elektro- und Non-Tangos sieht: auf jeden Taktschlag ein hektischer Schritt.

Die Pferdchenmilonga (danke für diesen Begriff, PacoDaCapo!) von heute ist auch von Rodríguez, "La colegiala".

Theresa

Unknown hat gesagt…

Beim Lesen dieser Diskussion stellen sich bei mir einige Fragen. Was war der Grund für die Aufnahme solche (Mode)Erscheinungen in dem Repertoire einigen Orchesters damals in den 30er, 40er und 50er. Bei der Candombe und der Corrido ist das Antwort relativ einfach – man wollte bestimmte ethnische Gruppen aus der Arribales ansprechen und ihn was aus der eigenen Folklore anbieten. Bei der Foxtrotts und Passo dobles handelt es sich um Modeerscheinungen, die aus Europa kamen. Was mich interessieren würde ist, haben die Milongueros damals in BaAs Milonga zu diese Musik getanzt oder eher der damals in Europa moderne Foxtrott (später im England Quickstep). Ich kann mir überhaupt keinen Grund für die Aufnahmen von Walzer und Polkas vorstellen. Beide Musikrichtungen enthalten Strukturen, die für Lateinamerika völlig fremd sind und ich kann mich nicht vorstellen, dass jemand in BsAs damals diese Tänze getanzt hat. Aber ich kann mich, wie sehr oft, auch täuschen.

Was mich noch beschäftigt ist die Verwendung die o.g. Musikrichtungen bei eine gegenwärtige, traditionelle Milonga. Ich empfinde Tandas, die auf solche Stücken aufbauen als störend. Aus der Sicht der DJ stellen sich bei mir folgende Fragen: wie kann man eine Candombe (um eine Musikrichtung jetzt als Beispiel zu nennen) in eine Tanda einbauen. Die einzige konsequente Antwort für mich ist – man bietet eine Tanda aus 3 Candombes an. Und was spielt man danach? Wie betet man eine Candombe Tanda in den Gesamtbild der Milonga ein? Als Tänzer stören mich bei der Candombe der sehr ausgeprägte Rhythmus (der bei einer mittelmäßigen Anlage auch grauenhaft klingt) und das Fehlen von feinen Strukturen, die für eine Milonga typisch sind. Genau diese Strukturen bieten die Möglichkeit eine Milonga con Traspié zu tanzen. Trotzt alle dem gibt es Candombes , die ich gerne mag, ich denke z.B. an Demares Carnavalito. Ähnliche Überlegungen kann man für die anderen Musikrichtungen anstellen.

Anonym hat gesagt…

Leute, Leute, sonst habt ihr wohl keine Probleme? Das ist doch keine Musik. Und dieser Treffpunkt von Verbaltangueros ist schon ein ganz isolierter Ort. Ob ihr überhaupt tanzen könnt? Fragt sich ein Tangolehrer aus Berlin

Theresa hat gesagt…

@Sweti:

In den 20er bis 40er Jahren war es in Buenos Aires oft so, dass in den Tanzsälen abwechselnd 2 Orchester spielten: ein Tango-Orchester und ein Orchester für "todos los ritmos", die spielten eben Swing, Bolero, Rumba, Foxtrot, Charleston, Paso doble. Die Orchester wechselten sich alle 45-60 Minuten ab. Manche Musiker spielten in beiden Orchestern. Und manchmal gab es nur ein Orchester, das spielte dann abwechseln die jeweiligen Stile. Nicht nur von Canaro und Rodríguez, auch von Firpo, Fresedo, Lomuto u.a. gibt es viele, z.T. sehr schöne Aufnahmen von "todos los ritmos", auch unter der Bezeichnung "Jazz" in Buenos Aires bekannt.

Ich glaube, die Leute waren damals nicht so versessen darauf, ausschließlich Tango zu tanzen. Und auf die anderen Rhythmen versuchten sie sich auch nicht mit Tango-Schritten wie die Leute in den heutigen europäischen Milongas, sondern sie tanzten eben den jeweiligen Tanz.

Theresa

Tangoelster hat gesagt…

@selbsternannter Tangolehrer aus Berlin: Ob wir Tango tanzen können, überlassen wir der Beurteilung unserer Tanzpartner. Lieber fragen wir uns, was Du mit Deinen Manieren Deinen Schülern vermitteln könntest – Respekt? Achtsamkeit? Oder doch nur "Figuren"?

Sich mit dem Totschlagargument Nr. 1, "Habt Ihr keine anderen Probleme", in eine zivilisierte Diskussion einzumischen, ohne nennenswert inhaltlich dazu beizutragen, wirft kein gutes Licht auf Dich.

Wenn Du ein klein wenig mehr (Geschäfts-)Sinn besäßest, hättest Du etwas Kluges oder zumindest Freundliches geschrieben und anschließend auf Dein Etablissement in Berlin verwiesen. Nun ja, es wird schon seine Gründe haben, warum Du lieber anonym stänkerst.

Tangoelster hat gesagt…

@ Theresa & Sweti: owbohl ich im Vergleich zu Euch beiden wirklich verschwindend wenig Ahnung über die Epoca d'Oro habe, kam auch mir schon dieser Gedanke, den Theresa eben bestätigt hat: der Tango war zu dieser Zeit eben nicht so sehr eine Nischenveranstaltung, wie heute. Daher konnte man vielleicht auch lockerer reagieren, wenn "todos los ritmos" gespielt wurden. Wer es nicht mochte, wird die Zeit zu Gesprächen, zum Frischmachen und Ausruhen genutzt haben.

Wenn wir heute zu einer Milonga gehen, freuen wir uns tagelang darauf, da stört es vielleicht verhältnismäßig mehr, wenn es nicht ganz so puristisch zugeht?

Chris hat gesagt…

@ tangoelster: ´grins, gut gekontert.

Austin hat gesagt…

Das wird jetzt wahrscheinlich der neue Blogtroll. Stilistisch erinnert das an den anonym-Beitrag zum letzten Tango der Woche, wo den hier Kommentierenden elitäre Weltfremdheit vorgeworfen und die Fähigkeit zum Tanzen abgesprochen wurde.

Wahrscheinlich macht anonym das in seinen Kursen auch so und fragt die Teilnehmer "Was hören wir hier gerade?" und wenn einer Titel und Interpret nennen kann, kriegt er Hausverbot (weil keiner mehr wissen darf als der Hausherr).

PacoDaCapo hat gesagt…

@ Sweti

Tango mit 2/4, 4/4 oder 4/8 Rhythmus galt ja lange landläufig als typisch europäischer Import, ein Vorurteil, mit dem Musikwissenschaftler gründlich aufgeräumt haben. Lateinamerika ist ein Mix aus vielen importierten Einflüssen! Und zwar europäische und zu einem bisher lange unterschätzten Anteil auch afrikanische. Wenn man die Musik reduzieren will auf die "Lateinamerika nicht fremden Bestandteile", bleibt nichts übrig! Selbst die typischen 6/8 Rhythmen der Folklore und die eher braven Folkloretänze in Gruppen, niemals im Paar und in körperlicher Berührung, stammen überwiegend von den Eroberern aus Europa. Sie sind auf höfische und barocke Musik zurückzuführen, mit deren Hilfe die Indios christianisiert / "bekehrt" wurden. Walzer wie Polka wie Mazurka, alles wurde importiert, getanzt in den Salons (19.Jhdt.) und gehörte zu anderen (sprich "höheren") Gesellschaftsschichten als die ländliche Folklore (Chacarera, Gato, Zamba etc.)

Milonga war eine typische ländliche Vortragsart, mit der in musikalischer Form Geschichten oder auch Nachrichten erzählt wurden, das spontane Reinem war dabei die eigentliche Kunst, die Gitarre nur einfache Begleitung zu den Versen.

Wenn Milonga sich als Salontanz etabliert hat und Polka / Mazurka niemand mehr tanzt, ist dies Komponisten zu verdanken, die es populär gemacht haben. Bei Milonga ist es unbedingt Sebastián Piana, der die Milonga, tanzbar, eher schnell, wieder entdeckt hat. Bei Candombe und Milonga ist es z. B. Pintín Castellanos, der vieles komponiert und angeregt hat. Candombe war ja auch niemals ein Tanz für den Salon, sondern ein Rhythmus für den Straßenkarneval. Bis man es für ein typisches Orchester "erfunden" hat!

Eine Tanda aus Candombes ist völlig legitim und kann eine Milonga Tanda ersetzen. Wer es einbringt, sorgt für eine zusätzliche Klangfarbe und Abwechslung bei einer Milonga!

PacoDaCapo hat gesagt…

Sorry, ich meinte natürlich das Reimen!

PacoDaCapo hat gesagt…

Eine Bemerkung noch, da wir von dem "Kaiserlichen Hofballdirektor" Emile Waldteufel ausgegangen sind:

Er schrieb natürlich zum Tanzen! Bei Chopin sind die Walzer schon nicht mehr zum Tanzen! Sie sind zum Hören gedacht - im musikalischen Salon. In weiteren Metamorphosen gelangte der Walzer nach Perú und vermischte sich mit den afrikanischen Trommeln zu Vals peruano- ein völlig anderer Rhythmus, der nicht mehr fliesst. Aber er wird getanzt!

Also viele viele Variationen im 3/4 Takt möglich!

Uralt hat gesagt…

Es hat sich wiederum eine interessante Diskussion über Musik entwickelt. Ich möchte allen und besonders PacoDaCapo für seine Beiträge danken. Ich habe einiges gelernt. Auch Sweti für seine intelligenten Fragen und Cassiel für das Bereitstellen dieser Plattform ein herzliches Dankeschön.

Ich möchte alle Musikinteressierten ermutigen hier mit zu diskutieren, auch wenn sie keine Experten sind, denn die rein subjektive Wahrnehmung der Musik erachte ich als ebenso wichtig wie die Expertenmeinungen. Ich bin auch kein Experte, aber es ist für mich immer spannend zu lesen, wie die Experten auf meine Beiträge reagieren.

Unknown hat gesagt…

@Theresa,

vielen Dank für deinen Beitrag. Diese Darstellung der 20er, 30er und 40er deckt sich mit meinen Vermutungen. Der europäischen Einfluss auf die Tanzszene war deutlich zu spüren und es wurden gerne "todos los ritmos" gespielt (danke für den Begriff, jetzt versteh ich den Titel "Bailando todos los ritmos" des 1996 bei EMI erschienene CD von Rodriguez). Wichtig für mich ist die Feststellung, dass damals die entsprechenden (wahrscheinlich aus Europa importierte) Tanzschritte zu dieser Musik getanzt wurden und kein Tango (wie heute üblich).


@PacoDaCapo,

Dir auch vielen Dank für den informativen Beitrag. Ich hatte nicht vor die Musik auf den "Lateinamerika nicht fremden Bestandteile" zu reduzieren. Falls meinen Posting diesen Eindruck erweckt hat, bitte um Nachsehen, es war nicht meinen Absicht. Es war mir klar, dass der Tango unter verschieden Einflüsse entstanden ist, diene passende Beispiele bekräftigten meine Vorstellungen.

"Milonga war eine typische ländliche Vortragsart, mit der in musikalischer Form Geschichten oder auch Nachrichten erzählt wurden" – vollkommen richtig, genau wie die Corrido in Mexiko (wird auch gerne mit Milongas in eine Tanda "gemischt").

Auch gegen eine Candombe Tanda habe ich nichts. Sie soll nur in dem Gesamtbild des Tanzabends passen. Störend empfinde ich dagegen wenn "todos los ritmos" wahllos in den Tandas mit Milongas, Vals oder gar Tangos gemischt werden.


@alle
Vielen Dank für diese so spannende Diskussion

Florian hat gesagt…

@Theresa
Eine geniale Idee diese Wiener Tanda an Silvester um Mitternacht. Aber dann schon Wiener Walzer drauf tanzen, gell?

Aber ich finde Sueño de muñeca passt da gar nicht rein. So ein schöner Vals, der verdient eindeutig eine ganze Canaro-Maida Tanda.

@Alle
Mein Problem mit Wiener Walzer, Foxtrot u.ä. an einer Milonga ist nicht dass ich die Krätze kriege, sondern dass ich es nicht tanzen kann! Wenn ich es könnte hätte ich meinen Spass und bekommt der DJ ein subtiles Zeichen dass das wohl keine Milonga oder Vals war.