Dienstag, 23. November 2010

Aus der Mittagspause...

... melde ich mich mit einem kurzen Beitrag und gebe meine Fragen, die mich seit gestern abend beschäftigen, einfach einmal weiter und stelle sie zur Diskussion.

Nachmittags rief ein Freund an, der abends kurz eine Frage mit mir durchdiskutieren wollte. So etwas macht ja immer Spaß und wir gingen schließlich zum Griechen und redeten bei irgendeinem gegrillten Gemüse und Tomatenreis weiter. Solche Gespräche erweitern den Horizont enorm und dieser Freund ist einer der wenigen Nicht-Tangeuros in meinem privaten Umfeld - deshalb gibt es da eine gewisse Form von Bestandsschutz. ;-) Wir waren zwar mit dem Essen bereits fertig, saßen aber noch bei den Getränken, als ein Bekannter, den ich in den letzten Jahren etwas aus den Augen verloren hatte plötzlich auf dem Handy anrief. Er liegt in der Onkologie im örtlichen Klinikum und es sieht gar nicht gut aus. So etwas macht mich dann immer sehr nachdenklich und ich hoffe, ich finde morgen eine Stunde Zeit, um ihn zu besuchen.

Warum ich diese Vorgeschichte überhaupt erwähne? Ich möchte meine gedankliche und emotionale Ausgangsposition für die folgende Situation transparent machen.


Als wir so gegen 9 Uhr heimgingen entschieden wir uns dann doch noch spontan zu einem Achtel Wein in einem Café am Weg. Wir redeten und plötzlich betrat ein Tanguero, der so vor zwei Jahren den Tango plötzlich an den Nagel gehängt hat, eben dieses Café. Er holte sich ein Bier und wir kamen ins Gespräch.

Zunächst gab es einfach mal den allgemeinen Informationsaustausch: "Was machst Du?" "Wie geht es Dir?" Ich habe es damals zunächst kaum verstehen können, wie es zu diesem vergleichsweise abrupten Abbruch einer hoffnungsvollen Karriere als Tanguero kam - zumal ich diesen Tanguero als eher ruhigen und umsichtigen Menschen kennengelernt hatte. Natürlich hatte ich eine Phantasie, die sich aus der Beobachtung kleiner Details am Rande der Tanzfläche herleiten ließ. Ich hatte den Eindruck, daß diesem Tanguero der Tango in seiner Paarbziehung überhaupt nicht gut tat. Die allgemeine Tango-Höflichkeit verbietet m.E. ein direktes Nachfragen und so hörte ich zunächst einmal zu um zu verstehen, wie er es formuliert (und somit denkt). Sein Hauptmotiv für den Rückzug aus dem Tango war die Ego-Nummer einiger Weniger im Tango, die er nicht packen könne, die er aber als stark verbreitetes Phänomen im Tango sähe. Ich hatte den Eindruck, er wollte nicht konkreter werden und das war vollkommen in Ordnung. Aber wie sollte ich ihm in diesem Themenkreis begegnen. Seine Analyse und seine Zweifel konnte ich angesichts mancher Entwicklungen in der örtlichen Szene durchaus nachvollziehen. Seine generelle Ansicht, diese Ego-Nummern wären integraler Bestandteil des Tangos konnte ich indes nicht teilen. Natürlich ziehen manche Tangueros (und auch manche Tangueras) gnadenlos im Tango ihr Ding durch und Einige kapitulieren wiederum angesichts solcher Rücksichtslosigkeiten. Und weil ich prinzipiell niemanden im Tangokontext in die Wahrheit zwingen mag, konnte ich auch nicht mit ihm über die Verletzungen, die ihm im Tango zugefügt wurden, offen reden. Er ist wohl noch (oder wieder) mit seiner Partnerin zusammen, aber beide gehen nicht mehr zum Tango. Und da gehen dann bei mir sämtliche Warnlampen an. Wird eine örtliche Szene von einem Matador (oder einer Matadorin) für irgendwelche Ego-Aufpolieraktionen missbraucht und anschließend bleiben Menschen dauerhaft weg vom Tango, dann kann irgendetwas nicht richtig sein. Da muss ich noch nicht einmal fundamentale moralische Überlegungen anstellen.

Nun könnte man ja durchaus sozial-darwinistisch argumentieren und den Standpunkt vertreten, es sei eben ganz normal. Und das sei gewissermaßen das Betriebsrisiko beim Tango, er passiere eben im Augenblick und dann ist damit halt zu rechnen. Irgendetwas sperrt sich da bei mir. Die Milonga als als Schlachtfeld individueller Egoismen, da gab es hier neulich schon das Stichwort Rivale einen Kommentar, der mich ratlos zurück gelassen hat. Und dann las ich in tango-de den Worwechsel zwischen Rodrigo und Bruno unter der Überschrift: "Fromme Wünsche" und blieb noch ratloser.

Ich werde wohl demnächst einmal zum "Tango in der Paarbeziehung" schreiben müssen...

14 Anmerkung(en):

Chris hat gesagt…

chris fragt, um was geht es hier? Um geile Alte oder Ehebruch, oder beides?

Vielleicht ist es eine Überraschung, aber der Tango ist ein sinnliches Tanzvergnügen. Vielleicht begünstigt er Triebe und Entwicklungen, die im Kegel- oder Kaninchenzüchterverein frühzeitig verdorrt wären.
Aber es gehören für solche Nummern immer zwei dazu, und der Samen war sicher schon ausgesät, bevor er gedüngt wurde. Sprich, es hätte auch der egomane Postbote sein können.

Die Alternative ist ein Schutzraum für Tangopaare. Begehre nicht das Weib deines Nächsten, nicht den Mann deiner Nächsten.

Anonym hat gesagt…

ich sehe echt keinen zusammenhang und habe zudem auch gar keine ahnung davon, über was hier gerade diskutiert werden soll.also bitte ich freundlichst um besinnung darum, am tango zu bleiben.

Uralt hat gesagt…

Nach den verschiedenen "Tango und ..... Angeboten" wäre jetzt eigentlich ein "Tango in der Geschützten Werkstatt" fällig. Im Ernst wenn man als Paar Tango tanzen lernt sind die Fallstricke für die Paarbeziehung zahlreich. Es wundert nicht, dass vielleicht so viele Beziehungen beim Tango kaputt gehen wie neue entstehen. Es ist für viele, vor allem Männer, eine etwas brutale Erkenntnis, dass man sich beim Tango hinter nichts verschanzen kann. Die beste Rhetorik, das entschlossenste Auftreten, die korrekteste Kleidung, der beste Akademische Titel usw usw nützt nichts. Man steht praktisch splitternackt da und fühlt sich beobachtet.
Ausserdem kann man nicht erwarten, dass im Paar beide gleich viel Talent haben und gleich schnell lernen. Die Frauen lernen im Allgemeinen schneller. Wenn dann die eigene Partnerin plötzlich mit anderen lieber tanz und der Mann deswegen den Tango gleich hinschmeisst, sagt das ziemlich viel über die Psyche dieser Person aus.

Anonym hat gesagt…

Auch ich halte das Thema für ziemlich brisant und verstehe die Einlassungen von Anonym(20:40) nicht. Die Ausführungen von Uralt kann ich da schon wesentlich eher teilen. Für mein Empfinden gibt es viel zu viel Wettbewerb im Tango, etabliert von denen, die es bereits beherschen. Nachdenklichere Zeitgenossen kommen da sehr leicht unter die Räder. Mir gefällt der Artikel!

Austin hat gesagt…

Was Uralt geschrieben hat, mag stimmen, aber Anonym 20:40 hat Recht: ob das hier zum Thema gehört, ist aufgrund der sehr vagen Vorgabe unklar.

Tangosohle hat gesagt…

Worum es geht, ich lese in dem Ausgangstext zwei Hauptgedanken:
1.
"Sein Hauptmotiv für den Rückzug aus dem Tango war die Ego-Nummer einiger Weniger im Tango,...
Wird eine örtliche Szene von einem Matador (oder einer Matadorin) für irgendwelche Ego-Aufpolieraktionen missbraucht und anschließend bleiben Menschen dauerhaft weg vom Tango, dann kann irgendetwas nicht richtig sein.

2.
... konnte ich auch nicht mit ihm ... offen reden.
Zu 2. ganz kurz: Ich versteh's zwar nicht ganz, es scheint aber wichtig zu sein.

Zu 1. Das ist ein sehr spannendes Thema: Denn daraus ergibt sich die Frage, wer denn eigentlich keine Ego-Nummer schiebt, beim Tango oder sonst wo. Oder gerne eine schieben würde. Sein Ego durch andere Egos angegriffen fühlt. Ich habe es auch schon erlebt, dass Tänzer sagen, da schieben welche ihre Bühnen-Ego-nummer, da möchte ich nicht mehr hin. Oder dass Leute sagen, da schieben welche ihre „Urlaubserinnerungs oder häng-alten-Zeiten-nach klassischer Tango“ Ego-Nummer. Ich sehe das Problem darin, dass sie mit ihrem Ego nicht klar kommen, und dass dies dann auch der Beweggrund ist, irgendwohin zu gehen und woanders nicht. Deswegen gehen Menschen zum Tango und verlassen ihn wieder, treten in Parteien ein und wieder aus, wechseln ihren Arbeitgeber etc. Oder sie gehen z.B. in München in die Milonga von Teresa oder in die Milongas im Lachdach.

Angenehm finde ich Situationen, wenn starke Egos zusammen sind. Die sich gegenseitig mit Spaß ihre Egos zeigen, sich dabei freudig inspirieren, statt in schlechte Laune zu geraten.

In diesem Sinne: Gute Laune allen ;)

tangopeter hat gesagt…

Wer definiert "allgemeine Tangohöflichkeit"?
Der Tango tut der "Paarbeziehung" nicht gut - na so ein böser Tango aber auch, und die Egonummern ersma, igitt! Sorry, aber so ein Geschwurbel taugt nicht einmal zur Satire, Kevin kann's echt besser. Der ist ausserdem erfrischend hilfreich-unhöflich. Frank Farelly wär' angesagt!
Mein Tip an den verhinderten "Tanguero": Tennis ist auch ein schöner Sport! Wenns trotzdem Tango sein muss, kostet der Therapieanteil bei den Tangostunden extra und es funktioniert nur als Paarunterricht!

Der Tanz, ein Zusammenspiel
Der Mann führt, das ist wahr, und die Frau antwortet ihm. Aber es ist eine Lüge, dass es der Mann ist, der befiehlt. Es ist durchweg eine Sache der Übereinstimmung. Wenn wir nicht zu einer Übereinstimmung kommen, wechseln wir die Partnerin. [...] Was sie gibt, ist wie eine Antwort darauf, was ich mache, sogar im dichtesten Geflecht, Das ist etwas, was im Gleichgewicht stehen muss. Wenn da kein Gleichgewicht besteht, hilft nichts. Das ist das erste, was der Mann vermitteln muss, das Gleichgewicht im Paar. Wie im wirklichen Leben.
(Carlos Copes)

Tangosohle hat gesagt…

@tangopeter,
ein hervorraggender Tipp! Meine Beobachtung bei Tänzern, die die "Szene" verlassen, weil da Egomanen seien, die Musik so schlecht sei, etc. ist: man kriegt nicht seine Lieblingstänzer ab, bis hin zu (Tanz-)partnerproblemen, die in bestimmten Situationen eben bloß gelegt werden.
Und dahinter steht in meinen Augen ein gekränktes Ego.
Und dieses sich zuzugestehen ist halt sehr viel schwerer als einfach mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Deine (oder Copes') Ausführungen zum Zusammenspiel kann man sicher differenzierter ausdrücken, aber die Richtung ist klar.
Zustimmung! :)

Chris hat gesagt…

da habe ich gestern etwas überreagiert, Cassiel schuldet uns keine ausgegorenen Diskussionsvorlagen. Sorry Cassiel.

Der Beitrag von Uralt hat mir nun sehr gut gefallen, nachdem sich Männer im Tango nicht hinter lebenslang eingeübtem Verhalten verstecken können und im fortgeschrittenen Alter plötzlich wieder nackt dastehen. Schönes Bild, und so wahr.

Verspricht der Tango irgendwem irgendwas?
Muß er beregelt werden, sollte er?

Anonym hat gesagt…

Ganz schlimm wird es übrigens, wenn Tangolehrer aus dem Tango eine "Ego-Nummer" machen. Ja, sowas gibts. Leider!

Aua, aua .....

Tangosohle hat gesagt…

@anonymus
Wohl wahr, das Problem ist aber auch:
Ganz viele Schüler wollen in ihren ersten Kursen erstmal ihr Ego bedient haben. Wenn man dann Basics, Gehen etc. anbietet, bleiben die Kurse leer, bei "Einführung in den T.A. mit 4 Figuren in 3 Stunden" boomt das Studio.
Ich könnte sagen: leider auch schon oft beobachtet.
Aber wie nimmt man die Schüler in ihrem Bedürfnis nach Ego ernst und bringt ihnen trotzdem einen fundierten Tango bei?

tangopeter hat gesagt…

@Tangosohle
"Copes Ausführungen zum Zusammenspiel kann man sicher differenzierter ausdrücken"
Wer könnte das besser als tangocynic? ;-)))

"Wie nimmt man die Schüler in ihrem Bedürfnis nach Ego ernst und bringt ihnen trotzdem einen fundierten Tango bei?"
Dazu bietet das Interview mit Melina einge wertvolle Anregungen. Wenn dann zu einem guten Unterrichtskonzept noch die passende Marketingstrategie hinzukommt, kann das dem Tango nur guttun. Langfristig werden sich hoffentlich die guten Lehrer durchsetzen, die ehrlich zu den Kunden sind und einen klaren Standpunkt vertreten. Dass dabei Leute wie der erwähnte Aussteiger auf der Strecke bleiben, ist als hinnehmbarer Kollateralschaden schon fast zu begrüssen. In der Tat verspricht der Tango niemandem irgendwas - dass die Lieblingsmilonga frei von egomanen Show-Off Typen ist, bestimmt nicht. Ich erinnere an die Anekdote über Pablo Veron, die Eric Jeurissen so gern zum Besten gibt: Eine solidarische Community wird auch mit gockelnden Stars fertig...

Anonym hat gesagt…

der zu unter-richtene sollte sagen können," ich kann dich nicht unter-richten. "veron" mag ich. ano.20:40

B. G. hat gesagt…

@letzter Anonym

Wir sind hier aber nicht bei Twitter sondern in einem Forum ohne Beschränkungen.

Vielleicht wären etwas ausführlichere Kommentare für den Rest der Runde besser zu verstehen. ;-)