Dienstag, 30. November 2010

Gastbeitrag: Der Tango in der Paarbeziehung

Am vergangenen Wochenende erreichte mich ein Gastbeitrag von einem Leser aus Oberösterreich zm Thema: "Der Tango in der Paarbeziehung". Unter dem Pseudonym Paul schrieb mir ein Leser seine Gedanken zum Thema, das ich in der letzten Woche einmal angeschnitten hatte. Ich habe mich zunächst einmal sehr gefreut, daß mir wieder einmal ein Gastbeitrag zugesendet wurde. Dies zeigt für mich, daß es immer wieder Themen gibt, die Einzelne derartig bewegen, daß sie einen Gastbeitrag verfassen. Manchmal ist es auch ganz angenehm, wenn es einmal zu einem Thema Argumente von Dritten gibt.
Grundsätzlich ändere ich Gastbeiträge nicht; lediglich die Formatierung wurde für das Blog leicht angepasst. Ich denke, der Text kann ein guter Einstieg in die Diskussion sein - auch wenn er teilweise sehr ausgeprägte Vorstellungen enthält.

Überleben des Paares auf der Milonga!
Betrachtungen von Paul, der seit einem ¼ Jahrhundert verheiratet, und seit 8 Jahren mit seiner Frau gemeinsam dem Tango verfallen ist. Sie tanzen in der österreichischen Provinz.

Hallo Cassiel!

Ein Besuch auf deinem Blog hat mich dazu animiert ein paar Gedanken zu schreiben. Als Paar hat man im Tango sehr spezielle Probleme, eines hast du eben angesprochen. Der bei dir erwähnte Egoismus kann meiner Meinung nach nur durch allgemein anerkannte Regeln in der Milonga „gezähmt“ werden.

Dass viele Paare mit dem Tango aufhören kann ich sehr gut verstehen. Die Attraktivität anderer Tanzpartner ist nicht nur verführerisch sondern auch ein Minenfeld für eine Beziehung. Eine Milonga in Mitteleuropa kann ohne geschriebene und ungeschriebene Benimmregeln zu unglaublich vielen Missverständnissen führen.

Eines der Missverständnisse ist, wer wann Danke sagen muss um den Tanz zu beenden (Bei uns in der Provinz gibt es zum Teil noch Milongas ohne Tandas und Cortinas). Die folgenden Aussagen gelten für beide Geschlechter. Sie: „Ich tanze mit einem Partner solange bis er danke sagt, denn, wenn ich das sage wäre das unhöflich“ (sehr selbstsüchtiges Verhalten wenn es sich um einen begehrten guten Tanzpartner handelt, andere würden vielleicht auch gerne mit ihm tanzen).

Die Männer und Frauen, die mit ihrem Partner auf eine Milonga gehen und mit jemand anderen wesentlich mehr als eine oder zwei Tandas tanzen, sind entweder tiefer am Anderen interessiert, oder wollen anscheinend ihren Partner demütigen. Ich kann kaum glauben, dass sie völlig ahnungslos sind wie ihr Verhalten auf andere wirkt.

Wir haben dieses Verhalten in allen möglichen Konstellationen beobachten können. Hier ein Beispiel dass sich vor 3 Jahren in der Nähe von xxxx abgespielt hat...

Musik ohne Tandas, der Hausherr legt zwischendurch CDs ein. 3 Paare aus dem fernen Westen des Landes sind zu Besuch. Wir schätzen das diese Paare so ca. 4 – 5 Jahre Tanzerfahrung haben. 3 Lokalmatadore mit deutlich längerer Tanzerfahrung fordern diese 3 Tangueras auf und tanzen mit Ihnen so, dass sie zeigen was diese Mädels mit guten Tänzern alles können. Dem nicht genug, tanzen sie eine gefühlte Ewigkeit von 9 – 12 Tangos mit ihnen. Die männlichen Begleiter sind in der Zwischenzeit auf ihren Plätzen immer kleiner und fast unsichtbar geworden. Nach dieser Einlage haben die es nicht mehr gewagt eine lokale Tänzerin aufzufordern.

Unsere Interpretation – hier wurden den Männern aus dem Westen tänzerisch Hörner aufgesetzt. Es ist auch unwahrscheinlich dass diese erfahrenen Tänzer nicht wussten was sie tun. Es gehört offenbar bei manchen zur Pflege ihres Egos.

Das nächste Beispiel aus der Landeshauptstadt. Ein Paar, er etwas talentierter als sie, er nutzt jede Gelegenheit zur Milonga auch wenn er beruflich unterwegs ist. In der Heimatmilonga der beiden hat sich nach 2 Jahren folgendes eingebürgert. Er tanzt auch mit den Frauen der Paare die schon mindestens 6 Jahre tanzen und früher Standard getanzt haben, sie sitzt die ganze Zeit und wird kaum aufgefordert. Es hat dann nicht mehr lange gedauert, bis nur noch er alleine zur Milonga erschien. Was sich im Privaten abgespielt hat kann nur vermutet werden.

Es fällt generell auf, dass die Tangueras mit Partner wesentlich seltener aufgefordert werden als Solodamen. Natürlich fordert auch beim Tango der Sexappeal seinen Tribut, sprich die jüngere schönere ohne Anhang ist attraktiver. Damit sind wir auch mitten im Problem des Paares. Je nach Partnerschaft unterstützen sich die beiden mehr oder weniger.  Eine Möglichkeit ist es die fehlenden fremden Partner selbst zu ersetzen, das beeinträchtigt leider langfristig das Tanzkönnen und wahrscheinlich auch die Stimmung. Eine weitere  ist der Besuch von Milongas ohne Frauenüberschuss, denn die Tangueras mit Partner tanzen ja meistens ganz gut und bei paritätischen Milongas schneiden sie dann gar nicht schlecht ab. Bleibt die Frage wo finden diese statt? Eine andere Lösung ist es getrennt auf Milongas zu gehen. Dies kommt für uns nicht in Frage – wir mögen uns und tanzen sehr sehr gern miteinander.

Nun zur nächsten Beobachtung:
Ein Paar, beide sehr gut aussehend, beide talentiert  und sehr gut tanzend –  wieder in der Landeshauptstadt. Die Lokalmatadores tanzen mit ihr nie. Sie sitzt fast den ganzen Abend. Zu Beginn ihrer Laufbahn wurde ab und zu mit ihr von den erwähnten Platzhirschen getanzt.  Auch hier hatten wir den Eindruck es geht nur darum, dem „Rivalen“ zu zeigen wo der Hammer hängt. Die Partnerinnen dieser Matadores genossen es durchaus mit dem männlichen  Teil des Paares zu tanzen.  Nach reiflichen Überlegungen halten wir es für möglich, dass  die Alpha Tänzer diesen unliebsamen Rivalen vertreiben möchten, und zwar über das Tanzembargo für seine Partnerin. Auch in diesem Fall würden Regeln die Lage für das betroffene Paares verbessern. Wenn die Lokalmatadores nicht mehr endlos lange mit diversen Solomädels tanzen können, kommen auch die Frauen mit Partner mehr zum Zug.

Sehr viel einfacher wäre das Milongaleben für Paare, wenn es allgemein anerkannte Regeln wie in den traditionellen Milongas in BsAs gäbe, die exzessives Fremdtanzen und damit das (versehentliche) Demütigen eines Partners verhindern.
Wir waren heuer zum ersten Mal für 3 Wochen in Buenos Aires. Meine Frau meint, sie ist noch in keiner Stadt so respektvoll und höflich behandelt worden. Entgegen allen Empfehlungen von Argentinien erfahrenen Tangofreunden sind wir nicht solo sondern als Paar auf die Milongas gegangen. Sobald ich nach den ersten zwei Tandas mit meiner Göttin eine andere Tänzerin per Cabeceo aufgefordert hatte, war sie ein paar Sekunden später mit einem dieser exzellent tanzenden Locals auf der Piste. Diejenigen, die sie am jeweiligen Abend 2 x aufgefordert hatten, haben sich beim Zurückbringen sehr höflich bei mir extra bedankt. In den traditionellen Milongas in BsAs ist es üblich, dass Paare völlig in Ruhe gelassen werden. Ein Paar kann so lange und oft miteinander tanzen wie es will. Sobald aber der Mann des Paares eine andere Dame auffordert, ist seine Partnerin frei zum Tanz für die anderen Männer.

Für die Solotänzer gilt, dass man eine Tanda mit jemandem tanzt, eine zweite vielleicht später bei anderer Musik. 3 Tandas sind ungewöhnlich. Erstaunlich ist, dass sich alle daran halten (Touristen ausgenommen).

Obwohl wir als Paar aufgetreten sind, ist meine Frau wesentlich besser und mehr zum Tanzen gekommen als zuhause, ich konnte meinen Cabeceo verbessern und hatte einige ausgesprochen schöne Tanzerlebnisse. Es ist einfach unglaublich entspannend mit den bestens navigierenden Paaren und nicht gegeneinander zu tanzen. Der Grund warum das so ist, ist vermutlich auch in den „Milonga - Regeln“ zu finden. Das Zauberwort heißt RESPEKT.

"RESPEKT" als  Klammer für alles.
Das heißt, dass man nicht nur die einzelnen Personen sondern  auch die Beziehungen von denen man weiß, oder die offensichtlich sind, respektiert. Dies bedarf einer näheren Erklärung. Ich sehe noch heute vor meinem geistigen Auge die tiefe Traurigkeit im Gesicht eines Tangueros, als er seiner Frau zuschauen musste, wie sie mit ihrem „Lieblingstänzer“ eine Nummer nach der anderen über mehrere Tandas an diesem Abend tanzte. 
Die Regel, dass nur maximal 2 Tandas mit einem anderen getanzt werden hätte dafür gesorgt, dass dieser Tanguero gar nicht leidet, oder dieses Leiden zumindest stark vermindert. Da stellt sich auch die Frage, wer oder welche Tango-Polizei dafür sorgt dass diese Regel eingehalten wird? Jedes Paar ist geübt darin, die Belange des Paares auszuverhandeln. Selbst wenn einer der beiden sich über diese Regel hinwegsetzt, macht es diese Regel dem anderen wesentlich einfacher konformes Verhalten einzuforden.

Unsere eigene Regeln sind
  1. Die erste und die letzte Tanda gehört uns beiden.
  2. Wir tanzen mit wem wir wollen, aber höchstens zwei Tandas.
  3. Bei Bedarf kann auch jeder ein Embargo bezogen auf einen Mittänzer aussprechen.

Diese Regeln haben nicht wir erfunden, sondern von der Tango-Göttin gestohlen.

http://thetangojungle.blogspot.com/

Hier ein Auszug zum Thema aus ihrem Blog, übersetzt vom Autor.
Jungle Love

[...] Die TangoGöttin und ihr männlicher Gefährte haben ihre eigenen Tango - Regeln aufgestellt. Wir können tanzen, mit wem wir wollen, aber
  1. kein Tanz mit jemandem für mehr als eine Tanda, außer wir beide miteinander, und
  2. wir können ein Embargo für einen besonderen Tänzer aussprechen.
Lassen Sie mich eines klarstellen, wir beide verteidigen unsere Unabhängigkeit mit Vehemenz, aber der Begriff der Unabhängigkeit im Rahmen einer festen Beziehung muss ein wenig flexibler betrachtet werden. Schließlich führt man ja ein gemeinsames Leben.

Wir haben gemeinsam diese Regeln festgelegt, man könnte glauben wir haben uns damit eingesperrt. Ganz im Gegenteil, diese Regeln verhindern ein Milonga Drama und erlauben uns die Milonga und den Tango voll zu genießen.
Niemand will das kontrollieren  was der andere mit einer anderen Person tut. Er weiß, dass ich nicht versuche jeden Tomás, Ricardo, oder ... ähm ... Harry, den ich umarme aufzureißen.

Er genießt also das Tanzen mit seinen Partnerinnen und ich auch mit den meinen.
Er sagt dass er gern mit anderen Frauen tanzt, aber am Ende der Nacht nimmt er die mit nach Hause, die er am meisten liebt. Kurz gesagt, der Tango und die Milonga halten die Flammen der Leidenschaft am lodern und wir lernen immer wieder neu einander zu verführen. [...]

Diesem göttlichen Schlußwort möchte ich nichts mehr hinzufügen!

Paul

Anmerkungen, Ergänzungen und (sachliche!) Kritik sind wie immer höchst willkommen.

67 Anmerkung(en):

Anonym hat gesagt…

Es ist wohl wie immer in der Paarbeziehung: Man braucht Absprachen und die Konsequenz, sich daran zu halten. Dann ist auch weitgehend egal, wie andere sich benehmen. Wie diese Absprachen aussehen, ist sicher von Fall zu Fall verschieden. Ich kenne sogar ein Paar, die zwar gemeinsam auf Milongas gehen, aber dort tun, als würden sie sich nicht kennen - damit die Frau nicht als Teil eines Paars dauernd sitzen bleibt ;-)

EviTango hat gesagt…

Lieber Paul,
mit Interesse habe ich Deinen Gastbeitrag gelesen. Herzlichen Dank für Deine Gedanken. Pflichte Dir im großen und ganzen bei, allerdings habe ich (mein Mann und ich gehen ebenfalls gemeinsam auf Milongas, tanzen die erste und letzte Tanda immer zusammen, auch zwischendrin immer mal wieder, je nach Größe und Aufforderungsverhalten in der Milonga) die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht. Wir waren auf Milongas mit Frauenüberschuss und ich habe mehr getanzt als die vermeintlich jüngeren Solodamen U30. Umgekehrt habe ich es natürlich auch erlebt. Allerdings denke ich, dass es weniger darauf ankommt, ob man mit Partner da ist oder nicht, sondern in erster Linie darauf, was man ausstrahlt, wie man sich fühlt und tanzt. Natürlich auch auf die jeweilige Milonga. Und dass es welche gibt, die Fremden nicht sehr aufgeschlossen sind, darüber brauchen wir nicht zu reden. Dass Regeln hilfreich sein können, sicher, aber letztendlich muss diese jedes Paar für sich aufstellen - wenn nötig.
Viele Grß, EviTango

Unknown hat gesagt…

Lieber Paul,

zuerst vielen Dank, dass du deine Beobachtungen in so eine angenehme Art und Weise mit uns teilst. Das Lesen deinen Gastbeitrag hat mir Freude bereitet. Ja, die Verhaltensmuster, die du beschreibst kenne ich sehr gut. Allerdings, kann ich die Schlussfolgerung, man kann Beziehungsprobleme (verursacht durch Besuchen von Milongas) durch aufgestellte Regel lösen, nicht teilen. Ich bin der Meinung, dass in einen Beziehung Vieles einfacher regeln kann, in den man zwei Grundregel beachtet: Respekt und Vertrauen. Ich versuche anhand deinen Beispiele meine Gedanken zu verdeutlichen.

Wenn auf eine Milonga meine Partnerin 4 Tandas nacheinander mit dem Lokalmatador tanzt, dann denke ich, dass sie gerade eine unwahrscheinlich wertvolle Erfahrung mit diesen Mann macht; ich vertraue ihn, dass es sich lohnt so lange mit jemanden zu tanzen. Ich bin mir sicher, wenn das nicht so wäre hätte sie längst "Danke" gesagt (seit wann ist dankesagen unhöflich). Ob der Lokalmatador an meine Partnerin tiefer interessiert ist oder will er mich gar demütigen (wie geht den dass, besser als ich kann ja so wie so nicht tanzen :) interessiert mich nicht die Bohne. Und, unter uns gesagt, ich sitze ja nicht rum und verfalle noch in depressive Gedanken.

Nächste Beispiel: wenn ich 4 Tandas mit jemanden getanzt habe und nicht merkte, dass meine Partnerin nicht aufgefordert wurde, dann läuft irgendwas schief. Nach den dritten Tanz merke ich ganz genau, ob sie rumsitzt, weil sie keine Lust zum Tanzen hat oder die Tangonasen die rumstehen noch nicht bemerkt haben, was für eine tolle Tänzerin meine Partnerin ist. In zweiten Fall warte ich die Cortina ab, sage „Danke“ und tue alles, damit jeder merkt wie gut meine Partnerin auf den Parket ist. Ich respektiere, dass meine Partnerin auch tanzen möchte und verzichte gerne auf den "Vergnügen" mit eine unbekannte Tänzerin.

In einen Punkt hast du recht: die lokalen Szenen sind manchmal so verbohrt, dass es wirklich schwer ist auf bestimmet Milongas eine erfühlte Abend zu erleben. Da habe ich auch kein Rezept. Meine Partnerin ist selbstbewusst genug und fordert in solchen Fällen auf. Es gibt aber Milongas, wo wir ausschließlich mit einander Tanzen und das ist auch wunderbar. Ob das jetzt langfristig zu einen Beeinträchtigt meines Tanzkönnens führt, ist mir ehrlich gesagt egal. Die tolle Erlebnisse, die ich mit meine Partnerin bei solchen Abenden erfahre, entschädigen mich tausendfach für dieser Beeinträchtigung.

Ich freue mich, dass du solche tolle Erfahrungen in BsAs gemacht hast. Leider habe ich auch die Kehrseite der Medaille in dieser wunderbaren Stadt erlabt, das ist aber ein anderes Thema.

Wir, ich und meine Partnerin, brauchen keine Regel – Respekt und Vertrauen (und ein wenig Selbstbewusstsein) sind für uns ausreichend.

Anonym hat gesagt…

Eigentlich fand ich Blogs immer blöd und so passierte mein erster Besuch hier eher zufällig. Es war vor Wochen bei einem Interview zur Didaktik im Tango. Es muss etwas gegeben haben, dass ich immer wieder gekommen bin und inzwischen ein täglicher Leser bin. Für mich ist dieses Forum das Zentralorgan des Tangos in Deutschland geworden. (:

Der Artikel erwischte mich kalt heute früh. Ich tanze erheblich länger als meine Lebenspartnerin und bislang habe ich mich nicht oder kaum darum gekümmert. Der Artikel hat mir gezeigt, was ich da angerichtet habe und ich hoffe, es ist nicht zu spät, es zu korrigieren. Es geht nur gemeinsam, das habe ich jetzt begriffen! Sie ist mir in vielen Dingen überlegen und mein egoistisches Verhalten auf Milongas wird ihr nicht gerecht. Bislang habe ich mich hinter dem Satz versteckt, ich mag keine Regeln im Tango. Das kann so nicht funktionieren! Ich denke ich werde es einmal mit den Regeln von TongoJungle probieren.

Lieber Paul, Vielen Dank!

Ich bin auf die nächsten Artikel gespannt.

Paul hat gesagt…

Jetzt bin ich wirklich baff über die Reaktionen. Es sind nicht viele, aber die Qualität spricht für sie.

@ anonym 9:59
Genau das wollten wir vermeiden. Wir sind verheiratet und das sollen alle wissen.

@Evitango
Deine Erfahrungen kann ich zur Gänze bestätigen. Allerdings meine ich, dass das allgemeine Tanzvergnügen auf vielen Milongas noch verbessert werden kann - mit der Hilfe von Regeln.

@sweti
Es ehrt dich dass deine Freundin und du soviel Vertrauen zueinander habt, und Selbstbewußtsein. Was aber ist mit denen die nicht damit gesegnet sind? Ich bin dafür, auch diese Anderen und ihre Beziehungen zu respektieren.
Nun zu unseren Erlebnissen in BsAs. Wir haben uns gut vorbereitet, die Codigas recherchiert und uns peinlich genau daran gehalten. Und wir hatten Glück. Deine Version interessiert mich - vielleicht kann Cassiel ein Mail an mich weiterleiten.

@anonym 2
Dein Beitrag verblüfft und erfreut mich. Du hast recht, es ist nie zu spät, man kann die Regeln einhalten und ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein haben, es ist Höflichkeit gegenüber der eigenen Partnerin und den anderen Teinehmern einer Milonga.
Die Leute von BsAs haben diese Kultur über 100 Jahre entwickeln können, wir sollten nicht nur den Tanz sondern auch die Regeln übernehmen. Die sind uns übrigens kulturell näher als die meisten glauben.
Nochmals ein Danke an Cassiel und die Poster.

Liebe Grüße

Paul

chamuyo hat gesagt…

Das Zauberwort ist tatsächlich RESPEKT. Dem eigenen Partner gegenüber und den anderen auch.
Ich halte die Problematik auch nicht für sehr Tango-spezifisch, der Tango verstärkt nur alle Fehler wie eine Lupe.
Wie ist es auf einer normalen Party (da wo man früher hingegangen ist ;-), wenn man die eigene Partnerin abstellt, einen tollen Abend hat, nette Menschen kennenlernt, und nicht merkt, dass sie sich langweilt? Es gibt bestimmt einen schönen Heimweg...
Am einfachsten klappt es in der Milonga, wenn beide ungefähr gleiches Niveau haben und gleich beliebt sind. Wenn der eine mehr und der andere weniger Spass hat, da wird es schwierig und die Lösung kann nur individuell sein, s. Regeln, etc.
Wenn im Paar aber grundlegende Spannungen existieren, die zwar im Alltag untergehen und nicht so störend hochkommen, dann kommen sie beim Tanzen garantiert geballt zum Vorschein und gemeinsames Tanzen ist der beste Weg zur Trennung, noch sicherer ist der gemeinsame Tanzkurs.

Anonym hat gesagt…

Die ganze Site klärt viele Missverständnisse, und auch vieles was ich an Fragezeichen über mir kreisen habe.
Unsere Beziehung leidet am Tango. Zumindest von meiner Seite aus. Er tanzt schon länger und hat zum Ziel der beste Tänzer zu werden. Ich wollte einfach etwas gemeinsam erleben, aber, so einsam wie auf Milongas habe ich mich selten gefühlt. So, wie der eine schreibt, hat dies Rückzug zur Folge. Es gibt nur noch Tango, nichts anderes mehr. Ein Sammelsurium an Gefühlen die durch den Raum schwirren, alle Höhen und Abgründe oft mitfühlend, fehlen mir manchmal die Worte und mit verbogenen Antennen brauche ich wieder etwas normale Welt. Ganz banale Dinge. Ich liebe das Männliche, Erotik, Berühung, mich, Frausein, alles, aber hier vergeht es mir langsam. Frauen die Stutenbissig miteinander umgehen (wozu???), Männer die über Frauen reden als wären es Glückpillen in Strumpfhosen und hohen kleinen Schüchen, undundund (und sich dennoch nach der einen sehnen- Frauen das gleiche). ... Für Sensitive ist das zuweilen ein harter Aufschlag. Aber, ich will nicht nur jaulen, danke an alle aufmerksamen Tänzer, die das sehen, einen dann auffordern und über den Punkt hinwegtanzen. Der Tanz an sich birgt viele Facetten, im Grunde ist es die Intention im Besonderen auch die Wirkung der Musik fühlen, und es hat seinen Sinn warum es Mode wird, nur fehlinterpretiert es Mensch gerne.
LG
xyz

Unknown hat gesagt…

Liebe xyz,

ich kann gut nachvollziehen was du empfindest, hast du ja sehr präzise beschrieben. Nur wenn bei ihm darum geht der beste Tänzer zu werden (welche Platz nimmt er z.Zt. in der Rangliste der lokale Matadore an), dann ist für dich schwer deine eigen Bedürfnisse bei Tango zu erfühlen. Worum geht es bei dir bei Tango? Um das Männliche zu spüren, um Erotik, Berührungen, um das sinnliche Dialog mit den Tanzpartner? Da prallen zwei Welten auf einander: einerseits das Sportliche (wenn nicht sogar das Egomanische) und anderseits das Sinnliche.

Ich möchte keine Ferndiagnosen stellen und einen Rat kann ich dir auch nicht geben. Deine Worte zeigen mir ganz deutlich, wie allgemein menschlich die Probleme bei Tangotanzen sind. Dafür vielen Dank!

cassiel hat gesagt…

Da sind ja einige wunderschöne Kommentare gekommen. Herzlich Dank!

Gesondert mag ich kurz zum letzten Beitrag von Leserin xyz schreiben: Ich war ein wenig bestürzt von Deiner Einsamkeit auf Milongas zu lesen. Da läuft etwas grundverkehrt. Nach meiner Überzeugung funktioniert Tango wie ein Beziehungskatalysator bzw. ein Reaktionsbeschleuniger. Paare sind gezwungen, sich mit Problemen, die dort auftauchen, zu befassen. Sonst kann es komisch werden. Vielleicht fängst Du bei Dir selbst an (das hilft mir auch immer) und versuchst genau festzumachen, was Dich da stört. Versuche Deine eigenen Anteile (und wenn es nur die schlechte Stimmung ist) zu finden und dann sprich mit Deinem Partner. Vielleicht ist die Kernfrage: Geht ihr (innerlich) gemeinsam zum Tango oder seit ihr im Tango zunächst zwei Individuen, die in der übrigen Welt (zufälligerweise) ein Paar sind. Möglicherweise ist das Gespräch zu dieser Frage ein Einstieg in den Dialog, der notwendig ist, damit Du Dich auf Milongas wohlfühlst.

Du hattest den Begriff "Stutenbissigkeit" erwähnt. Das wird jetzt etwas direkt, aber vielleicht liest Du noch einmal den Artikel zu den vier Spiegelgesetzen in diesem Blog. Die helfen mir in solchen Situationen auch immer weiter.

So! Ich hoffe einmal, ich bin Dir nicht zu nahe getreten und wünsche Dir einen schönen Tag.

Chris hat gesagt…

eine Beziehung regeln? Es funktioniert aus Einsicht und Respekt, und Einsicht und Respekt resultieren aus der Liebe füreinander. Aber: keine Regeln!

Was soll der Grund sein, warum jemand mit mir tanzt? Liebe, Leidenschaft, Sinnlichkeit, Verlangen, Neugier, Dominanzverhalten, Eifersucht, Verbundenheit, Freude, Vergnügen, Ehrgeiz, Freundschaft, tanz mit mir und laß es mich spüren. Abwägen, Verpflichtung, Nächstenliebe, nein danke, ich will keine Mitleidstänze, keine Quotentandas!

Eine Milonga regeln? Jede Milonga hat ihre Regeln, manche ihre ganz eigenen. Beschwere dich nicht, oder geh’ woanders hin!

Anonym hat gesagt…

@Chris

Ich sehe es so: weder eine Beziehung noch eine Milonga funktionieren ohne Regeln, auch wenn diese bisweilen ungeschrieben sind. Steckt nicht in dem Begriff "Respekt" schon ein wenig dieses Regelwerk drin? Respekt zollt man durch Einhalten gewisser Regeln und wird damit zuverlässig. So zumindest meine Sicht.

Dieses strikte Ablehnen von Tandas aus Mitleid, Verpflichtung, Abwägen oder Nächstenliebe kenne ich von der Piste. Das habe ich noch nie nachvollziehen können. Es gibt eben Menschen, die nicht so beliebt sind. Die werden dann eben mit durchgezogen. Oder sollen die ausgehungert werden?

Cassiel, wie siehst Du das denn?

Paul hat gesagt…

Liebe Poster!

Irgendwie habe ich das Gefühl von einigen noch nicht wirklich verstanden worden zu sein. Vermutlich habe ich es nicht klar genug geschrieben. Ich werde versuchen zu präzisieren.

Sweti und seine Frau brauchen auf der Milonga keine Regeln. Und viele andere auch. Gut, sie haben kein Problem, wenn ihr Partner stundenlang mit jemand anderem tanzt. Sweti weil er der beste aller Tänzer ist, die anderen weil sie ihren Partnern bedingungslos vertrauen.

Ihre Partner tanzen mit jemanden der auch einen Partner hat von dem ihr vielleicht nicht einmal wisst. Die müssen dann auch bedingungslos vertrauen weil ihr vertraut?

Bitte aufwachen – eine Milonga ist eine öffentliche Veranstaltung. Euer Verhalten betrifft auch Leute die ihr nicht kennt. Sie haben das Recht auch misstrauisch zu sein.

Und praktisch argumentiert, es gibt auch Menschen auf der Milonga die vielleicht mit dem Tänzer, den ihr gerade blockiert, auch so gerne tanzen wollen.

Wenn ihr mit jemandem stundenlang tanzen möchtet dann tut das, aber bitte im privaten Rahmen, ladet die Leute ein und kein Mensch wird sich aufregen. Warum muss das auf einer öffentlichen Milonga sein?

Zu den Regeln selbst. Natürlich können Milongaregeln keine Beziehungsprobleme lösen. Sie können aber dafür sorgen dass keine zusätzlichen entstehen!

Liebe Grüße

Paul

cassiel hat gesagt…

Ich habe jetzt nur kurz hier vorbeigeschaut. Schön, daß es eine Diskussion gibt.

Vielleicht hilft an dieser Stelle der kurze Hinweis, daß es da verschiedene Ansichten gibt und in diesem Blog sollte der Rahmen für ein Austausch von Meinungen und Argumenten sein.

Ich wünsche weiterhin viel Freude bei der (hoffentlich interessanten) Diskussion...

Uralt hat gesagt…

@ chamuyo
Genau so ist es:
1. Respekt
2. Vertrauen
3. Toleranz
gegenüber dem eigenen Partner Partnerin und Respekt gegenüber allen andern Milongabesuchern. Dann braucht es nicht noch ein zusätzliches Milongaregelwerk.
Tönt grässlich finde ich.

@ Paul
ich glaube wir haben dich sehr wohl verstanden aber sind vielleicht nicht in jedem Punkt mit dir einverstanden. Wenn du in einem Blog schreibst musst du das ertragen können.

@ alle anonym
ist es so wahnsinnig schwierig sich ein Pseudonym auszudenken??? Ich schlage Cassiel vor eine Liste mit möglichen Pseudonymen aufzulegen damit sich die denkfaulen bedienen können.

Anonym hat gesagt…

Hallo,

viel möchte ich dazu nicht schreiben, denn sweti und andere haben es eigentlich schon auf den Punkt gebracht und sweti sagte z.B. "Wir, ich und meine Partnerin, brauchen keine Regel – Respekt und Vertrauen (und ein wenig Selbstbewusstsein) sind für uns ausreichend."

Ich gehe zum Tanzen um Spaß zu haben und nicht um mich wie ein kleiner Blockwart an Regeln zu klammern und wenn man sich für Milongas interessiert, lernt man auch schnell die wichtigsten Dinge, die zu beachten sind. Die anderen, die es nie lernen, dienen dann eben dazu, dass man auch etwas ablästern kann ;-)

Es kommt auch immer mal vor, dass meine Frau an diese nervtötenden Deppen gerät, die dann gar nicht mehr aufhören wollen, weil es so gut läuft. Zum Glück hat meine Frau dann kein Problem zu sagen, dass die nächste Runde bereits vergeben ist, wenn es ihr dann zuviel wird.

Unnötig eifersüchtige Paare sind auf Tanzveranstaltungen sowieso verloren - mit oder ohne Regeln.

Grüße
Alfred

Unknown hat gesagt…

@Paul,

du irrst dich, wir verstehen dich gut. Wir sind auch hellwach und haben diese Thema (Milonga als social event, bei google - social+event site:tangoplauderei.blogspot.com) hier mehrfach diskutiert.

Ich kann mich auch nicht vorstellen, dass ich beim tanzen jemanden blockiere. Ich habe die Tänzerin ja nicht ausgeliehen, sonder höflich zum Tanzen, gerne per cabaceo, aufgefordert. Sie kann entscheiden, ob sie mit mir tanzt oder nicht. Ein „Danke“ genügt und schon kann sie mit jemanden anderen tanzen.

p.s. die Behauptung, dass ich besser als einige lokale Matadore tanze, war scherzhaft gemeint. Ich maße mich nicht an, beim Tango jemanden zu bewerten – die Kategoriehen gut, schlecht, besser, am besten existieren für mich nur bei sportliche Wettbewerbe und nicht bei Tangotanzen. Für mich sind beim Tanzen andere Werte wichtiger

Melina Sedo hat gesagt…

Sehr interessante Beobachtungen zum Thema! Danke für die tolle Beiträge.

Ich habe vor kurzer Zeit in meinem Blog ein verwandtes Thema besprochen. Es geht um die Auswahlkriterien von Männern im Tango und damit verbundene Folgen für Frauen. Das wurde recht kontrovers diskutiert, auch da ich im Artikel ein wenig polarisiert habe. ;-)

Wer mag, kann ja mal hereinschauen:

http://melinas-two-cent.blogspot.com/2010/11/good-news-really.html

Liebe grüße an alle,

Melina

Tangosohle hat gesagt…

Danke, Chris, danke, Uralt.
Zustimmung, ich erhebe mein Glas Wein, was im realen Leben durchaus als Cabeceo gedeutet werden darf. Durch eure Worte klingen die Leichtigkeit, die Freiheit und die Freude am Tango durch. Das tut einfach gut.

Anonym hat gesagt…

Jawoll!!!

Keine Regeln im Tango!

Wer das nicht aushält soll daheim bleiben!

Anonym hat gesagt…

Da ist er ja endlich - der Troll!

Anonym hat gesagt…

Mein Eindruck ist, dass Tango an sich kein Problem schafft, sondern lediglich in der Paarbeziehung/bei Personen bereits vorhandene Probleme ans Tageslicht bringt. Wenn Vertrauen, respektvolles Miteinander und entsprechende Problemlösungsstrategien vorhanden sind, sollten viele der genannten Schwierigkeiten gar nicht erst entstehen können.
Es gibt sooo viele verschiedene Varianten, wie Paare sich in der Milonga verhalten können, wer Abmachungen braucht, um sich sicherer zu fühlen, soll sich Regeln ausmachen, wer das nicht braucht, soll es bleiben lassen - das kann wohl jedes Paar für sich selbst entscheiden.
Und noch mal: das "Problem" ist nicht der Tango oder der nicht loslassende Platzhirsch oder das gestylte Mädchen in Minirock und Highheels, das "Problem" bringe ich selber in die Milonga mit - oder eben auch nicht ;-)

Apfelmus

Anonym hat gesagt…

Zum Gastbeitrag: grundsätzlich toll, dass das Thema angesprochen wurde, mir persönlich hat aber die Art, wie es erfolgt ist, zum Teil gar nicht gefallen - ganz präzise gesagt die Vielzahl von Interpretationen. Dinge zu beobachten (Bsp. sie tanzt, er sitzt, er schaut traurig) ist eine Sache, das zu interpretieren (nämlich: dass er traurig schaut, weil sie dauernd tanzt und er dort sitzen und hilflos zusehen muß) ist eine ganz andere Sache - 1. der Mann ist nicht hilfloses Opfer einer Situation und 2. warum er traurig schaut, kann ich erst wissen, wenn ich ihn frage. Vielleich bin ich in solchen Dingen pingelig, aber ich mag´s nun mal nicht besonders, wenn in Menschen wild hineininterpretiert wird, was die eigene (!) Phantasie so alles hergibt... nichts für ungut!

Apfelmus

Paul hat gesagt…

@apfelmus
Hier unterstellst du mir was - ich interpretiere etwas hinein was vielleicht gar nicht war. Weil mir diese Szene so im Magen gelegen ist habe ich 2 andere Besucher gefragt ob sie was beobachtet haben. Die haben das genau so empfunden wie ich! Den betroffenen Milongero kenne ich, der hätte nie zugegeben dass er aus diesem Grunde traurig ist.
Man kann schon zweifeln ob das wirklich so war - ich weiß es nicht, es hat aber genau so ausgesehen.

cassiel hat gesagt…

Jetzt melde ich mich doch noch einmal zu Wort. Ich bin nicht besonders glücklich mit dem Verlauf der Diskussion. Für mein Empfinden lese ich da zwischen den Zeilen eine Aufregung, die m.E. unnötig ist. Ich denke, es besteht Einigkeit in der Einschätzung, daß diese Frage einmal dringend zur Erörterung anstand. Die beeindruckenden Zugriffszahlen auf diesen Artikel können dafür übrigens auch ein Beleg sein.

Ich sehe es übrigens ähnlich wie Kommentator Apfelmus: Ich weiß nicht, ob man aus der reinen Beobachtung der Mitmenschen bei einer Milonga auf deren Gemütszustände schließen kann. Insofern hätte ich vielleicht den ursprünglichen Beitrag auch vorsichtiger formuliert. (In meinem Kopf reiften schon Ideen, das Thema in der Form eines Brunch' im Tangoblog zu bearbeiten.) Ich bin allerdings sehr froh, daß sich Paul die Arbeit gemacht hat und dann mochte ich an dem Stil eines Gastbeitrags nichts ändern.

Ich habe großes Verständnis für beide Positionen. Natürlich kann ich verstehen, wenn es Leserinnen und Leser gibt, die weitere Regeln für die Milonga ablehnen (und dies auch deutlichst artikulieren). Andererseits sind mir die Beobachtungen und Interpretationen von Paul nicht fremd. Sie treffen für mein Empfinden einen Teil der Wirklichkeit auf jeder x-beliebigen Milonga. Insofern war das Thema überfällig. Ich bin mir außerdem auch nicht sicher, ob man diese Frage einfach den betroffenen Paaren vorsetzt und sich im Übrigen für unzuständig erklärt. Ein wie auch immer gearteter Milonga-Darwinismus ist mir zuwider.

Vielleicht ist es ja ähnlich wie mit der allgemeineren Frage nach gutem Benehmen oder Moral. In den Medien wird gerne deren Verlust beklagt - gleichzeitig scheitert jeder Versuch einen Lösungsansatz anzubieten.

Abschließend möchte ich mich noch einmal ausdrücklich bei Paul für seinen Gastbeitrag und bei den übrigen Kommentierenden bedanken. Vielleicht finden wir ja wieder in eine Sachlichkeit der Erörterung zurück.

Einen schönen Tag allerseits...

c.

cassiel hat gesagt…

Ach so, das habe ich jetzt vergessen...

Janis hat in ihrem wunderbaren Blog einen wunderbaren Artikel über die nicht-ausgesprochenen Regeln der Kommunikation im Tango in Bs As geschrieben. Es geht zwar nicht um den Tango in der Paarbeziehung aber um Missverständnisse in der Kommunikation. Ich finde den Artikel sehr lesenswert, zeigt er doch, welche unterschiedlichen Ausgangspunkte zu möglicherweise gravierenden Missverständnissen führen können.

A saturday night date

Chris hat gesagt…

Paul, eigentlich ist es ja sehr erfreulich, wenn Du dir Sorgen um andere machst, denen es nicht gut geht. Nur teilen hier nicht alle deine Lösungsansätze. Ich bin bei denen, die sehr treffend schreiben, daß man seine Probleme mitbringt, es ist meine persönliche Erfahrung. Und ich bringe sie nicht nur mit auf die Milonga, ich "tanze" sie, sie fließen in meinen Tanz ein, sie prägen ihn.

Es gibt eben unterschiedliche Betrachtungsweisen für ein und dieselbe Situation. Würde ein Liebender sich nicht für seine Partnerin freuen (sollen), wenn diese glücklich Runde um Runde dreht? Ist es nicht selbstsüchtig und kleinkariert, dazu ein betrübtes Gesicht zu machen und es ihr zunehmend zu mißgönnen? Muß man sich als Partner zurückgesetzt fühlen, wenn der andere ohne eigene Beteiligung glücklich ist? Und wenn man so fühlt, warum eigentlich? Helfen da Regeln?

cassiel hat gesagt…

Liebe Chris,

vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob es so einfach funktioniert. Ich kenne nun beide Situationen, den Tango als Single und den Tango im Paar. Für mich mich ist es nicht das gleiche. Natürlich bringt ein Paar die Dynamik des Beziehungsalltags mit in die Milonga, vielleicht sogar erweitert um die unterschiedlichen Fähigkeiten die gegenwärtige Beziehungs- oder Lebenssituation für ein paar Stunden auszublenden. Es gibt dann gewiss Momente, in denen weniger einfühlsame Zeitgenossen in diese Konstellation unsensibel eingreifen oder einbrechen (bei Facebook hatte eine andere Leserin von den Tango-Hyänen geschrieben). Ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit bzw. mangelnde Sensibilität? Ich kann es nicht entscheiden...

Und zu Deinen Fragen im zweiten Absatz: Natürlich freut man sich für seine Partnerin / für seinen Partner, wenn es ihr / ihm gutgeht. Es ist aber vielleicht für manche Menschen (Männer?) nicht so ohne weiteres nachvollziehbar, warum daheim die Angestrengtheit und Müdigkeit regiert und auf der Milonga ist das wie weggefegt. Wenn dann Dritte unbelastet der Partnerin / dem Partner begegnen, dann kann das irritierend sein. Insofern finde ich Pauls Ausführungen berechtigt. Wie man dann als Paar damit umgeht? Ich denke, das steht auf einem anderen Blatt...

Liebe Grüße

c.

B. G. hat gesagt…

Es ist wohl kein Zufall wenn dieses Thema -wie viele andere Themen auch- zuerst bei Cassiel angesprochen wird. Deshalb ist dieser Blog so wichtig. Paul, ich kann verstehen, wie Du zu Deinen Ansichten und "Regeln" gefunden hast, aber mir fehlt da ein wenig die Gelasenheit. Ich kenne Paare, die über Jahre an ihrem gemeinsamen Tango gearbeitet haben. Das ist wohl normal.

Vielleicht regt sich da Protest, aber ich denke, es hat etwas mit den unterschiedlichen Bedürfnissen zu tun. Im Alltag schätzen Frauen sicherlich eine Zuverlässigkeit und Fürsorge ihres Partners. Im Tango wollen sie begehrt und umworben werden, an anderer Stelle habe ich sogar vom weiblichen "Exhibitionismus" gelesen. Das ist offensichtlich unvereinbar. Der Mann, der seiner Partnerin im Leben Sicherheit und Ruhe gibt, reagiert dann mit Unverständnis, wenn seine Partnerin im Tango sich das holt, was sie -z.T. "selbstverschuldet"- in ihrer Parnerschaft nicht mehr findet.

Ich finde es großartig, dass dieses Thema endlich einmal auf dem Tisch liegt. Danke Paul und Danke Cassiel!

Chris hat gesagt…

lieber Cassiel, manchmal schon fast unheimlich, wie unaufgeregt und liebevoll Du mit den Beiträgen und Themen umgehst, schön das.

Vielleicht überrascht es Dich, aber ich kenne nur den Tango im Paar, und es war nicht immer einfach. Ich bin auch nur ein unvollkommen selbstsüchtiger Mensch, der nicht gerne anderen zum Spielen überläßt, was er liebt. Ich kenne die Gefühle, die wir dem armen Mann auf der Milonga der Einfachheit halber mal unterstellt haben, man könnte heulen, und auch andere Gefühle, auf die ich nicht stolz bin.
Aber sie machen das Ganze ja nur schlimmer, selber ist man schon unglücklich, und dem anderen verdirbt man die Laune danach mit mehr oder weniger häßlichen Szenen. Und dann geht wirklich was zu Bruch.
Es ist eben so, mal hat der eine einen schöneren Abend, mal der andere, auf Dauer relativiert sich das. Wer seinem Partner vertraut, wird da sicher ruhiger. Und es hilft, danach ein bißchen zu lästern, und dem anderen auch ein bißchen was zu gönnen. Man liebt sich doch, oder?

Wer aber nach vielen Jahren Tango, so habe ich es verstanden, von solchen Situationen immer noch so sehr getroffen wird, der hat so glaube ich zumindest temporär ein Problem im Paar, oder mit sich, und zwar mitgebracht. Da kann der Tango nix für, auch nicht irgendwelche Hinterhofgockel, die sich ein wenig aufplustern. Da helfen keine Regeln, welche auch immer.

Der Tango ein Minenfeld für eine Beziehung? Nein, ein Stresstest! Aber ein Paar kann daran wachsen, ehrlich.

Theresa hat gesagt…

@Chris:
Ich bin sehr begeistert über deine Weisheit.
Theresa

Aurora hat gesagt…

@Chris
und Theresa

Auch ich bin begeistert über die Worte von Chris.

Für mich ich der Tango nicht nur ein Stresstest sondern auch ein Lügendetektor sich selbst und auch dem Partner gegenüber.

Leider fehlt mir die Zeit um mehr zu schreiben...

Aurora hat gesagt…

Vielleicht trift "Spiegel seiner selbst" besser als "Lügendetektor".

Di Sarli hat gesagt…

Inzwischen sind enorm viele Meinungen und Ansichten ausgetauscht worden, dennoch fände ich es schade, wenn diese lebhafte Diskussion bereits auslaufen würde.

Daher auch von meiner Seite aus noch ein paar Gedanken zu diesem vielschichtigen, heiklen und sensiblen Thema.

Es ist mehrfach von „Respekt“ geschrieben worden und einmal wurde auch die wohl , halb rhetorisch Frage gestellt, ob „Respekt“ nicht bereits ein Regelwerk suggeriert. I

Darauf aufbauend wäre mein fragender Gedankenansatz, ob sich „Respekt“ gegenüber Personen, aber auch gegenüber bestimmten Dingen, z.B. dem Tango an sich (vgl. „Weltkulturerbe“) nicht insbesondere an bestimmten Verhaltensformen erkennen lässt? Wie trete ich jemandem gegenüber, wie verhalte ich mich ihm gegenüber? Um konkret wieder die Brücke zur Milonga zu schlagen auch die Frage: wie fordere ich zum Tanzen auf?

Auf einer Milonga unterscheiden sich die Verhaltensweisen bedauerlicherweise oftmals nicht sehr von denen „im normalen Leben“: „Ellenbogenmentalität“, „jetzt-komme-ich-Mentalität“ in Gestalt von verschiedensten Verhaltensmustern.

Vielleicht sollten wir uns manchmal bewusst machen, dass wir für die Milonga alle den gleichen Preis bezahlt haben, dass jeder das Recht haben sollte, zu tanzen – und zwar mit Respekt gegenüber den anderen, die gerade tanzen, aber selbstredend auch demjenigen gegenüber, mit dem/der ich gerade tanze.
Denn: auch auf der Milonga haben wir es mit Menschen zu tun und jeder Mensch verdient Respekt! An dieser Stelle möchte ich gleich dem „Totschlagargument“ „Hallo, aufwachen, eine Milonga ist öffentliches Leben“, entgegentreten:
Diese Menschen, die mit solchen Argumenten kommen, um diese vielfach beschriebenen und bedauerlichen Verhaltensweisen in den Bereich des normalen ansiedeln zu wollen, sollten sich vielleicht etwas intensiver mit der Kultur und der Tradition des Tango auseinandersetzen:

Wir in Europa meinen wir tanzen argentinischen Tango, möglichst noch „besser“ und „originaler“ als in Buenos Aires. Schaut man sich dann so manche Milongas an, z.B. hinsichtlich der Musikstruktur, der Musikauswahl (ich weiß, das sind eigentlich andere Themen, aber sie gehören für mich hier dazu!) und man hat selbst mal einen kleinen Eindruck der Tangowelt von Buenos Aires gewinnen dürfen, dann stellt man sich doch verwundert innerlich ein paar Fragen!

Es wurde in Beiträgen angedeutet, dass der Tango in Buenos Aires eine ganz andere Tradition und einen ganz anderen Stellenwert in der Gesellschaft hat:
Die Milonga ist ein gesellschaftliches Ereignis: man trifft sich, man unterhält sich, man trinkt, isst vielleicht sogar noch etwas zusammen und vielleicht tanzt man auch noch ein bisschen! Das ist jetzt etwas überspitzt formuliert, aber es ist doch etwas anderes als hier in Europa. Die Tandas und Cortinas haben durchaus ihren Sinn! Einem Porteno braucht man nicht zu erzählen, dass man nicht mehr als 1,maximal 2 Tandas mit eine und derselben Frau tanzt. Mal ganz abgesehen davon, dass auch eine Portena von sich aus zu nicht mehr bereit wäre und zwar einfach weil es eine nicht in Frage gestellte Gepflogenheit ist!
Wenn man sich also intensiver mit der Tradition des Tango in Buenos Aires auseinandersetzt, dann wird man feststellen, dass es eingespielte Mechanismen gibt, die jeder/jede akzeptiert und respektiert – und das zum Wohle aller!
In Buenos Aires tanzt man miteinander und „dann ist gut“ – ziemlich unaufgeregt, aber dennoch sehr schön!

Di Sarli hat gesagt…

(Fortsetzung)

(Ist das eine Spur zum „Kern des Tango“?)

Und hier würde ich mir insbesondere in Deutschland manchmal etwas mehr Respekt gegenüber dem Tango wünschen!

Vertrauen
Eigentlich kann eine Beziehung nicht ohne Vertrauen funktionieren. Sofern man als Paar bereits mit Spannungen auf eine Milonga geht, sollte man die Erwartungen hinsichtlich eines „gemütlichen“, bzw. angenehmen Abends eher richtig „null“ orientieren und eher dazu tendieren, entweder gar nicht erst auf die Milonga zu gehen oder aber schnellstens wieder von ihr zu entschwinden. Auch Ralph Sartori und Petra Steidl vertreten in ihrem esoterisch angehauchten, deswegen aber nicht schlechtem Buch „Tango - die einende Kraft des tanzenden Eros“ die hier bereits ebenfalls formulierte Meinung, dass der Tango eigentlich keine Probleme schafftt, sondern bereits bestehende (vielleicht auch nur latent) gnadenlos „ans Tageslicht“ bringt. Daher sollte bei Paaren m.E. das Vertrauen vorhanden sein, dass der Partner/die Partnerin den anderen nicht respektlos behandeln wird. Eifersucht auf einer Milonga ist lähmend!
In der Tat, man liebt sich ja doch (auch oder trotz Tango?) – und dann sollte gegenseitig das Vertrauen da sein, dass sich daran trotz möglicherweise schöner Tänze des/der anderen nichts ändert! Das ist m.E. Vertrauenssache und damit auch ein Beweis der Liebe.

Gelassenheit
Auch Gelassenheit finde ich ein wichtiges Attribut auf einer Milonga, die mir manchmal etwas zu kurz kommt. Nehmen wir doch eine Milonga als eine wunderbare Möglichkeit, für ein paar Stunden in eine „andere Welt“ einzutauchen. Je mehr Gelassenheit wir mitbringen können, desto tänzerisch erfüllter könnte der Abend werden.

Cassiel hat es angesprochen: es gibt kein Patenrezept und jedes Paar muss für sich selbst Verhaltensmuster entwickeln, aber vielleicht können auch die anderen Mitmenschen durch respektvollen Umgang einen minimalen „Rahmenbeitrag“ leisten?

Tangosohle hat gesagt…

Chris und Di Sarli, danke für das Hochhieven des Niveaus des hiesigen Threads.
Zu Di Sarlis Ausführungen möchte ich noch von meiner Seite ergänzen:

Respekt:
Respekt ist eine Haltung und mit ihr lösen sich all die Diskussionen um Cabeceo u.ä. auf. Dann achte ich einfach auf Mensch und Situation und weiß was jetzt gerade angebracht ist.
Jetzt rutscht mir fast das Wort Achtsamkeit heraus, darüber haben schon so viele Menschen geschrieben: Es ist eine lebenslange Übung.

In dieser Diskussion scheint mir „Regelwerk“ als Lösung zu gelten, wenn der Respekt fehlt. Dann frag ich mich aber, wann werden aus den Regeln Verordnungen und Gesetz, wo sind Tangopolizei, Richter und Strafe. Werte Regelliebhaber, es ist schon ok, den Wunsch nach aufgesetzten Regeln zu äußern. Wie man sie wo einführen will, bleibt unbeantwortet.
Regeln sind ständigem Wandel unterworfen, selbst so granithafte Bollwerke gegen Veränderung wie die bayrischen Gebirgsschützen oder die (katholische Amts-) Kirche können sich dem auf Dauer nicht entziehen.

Vertrauen:
Im Tango kann man als Liebespaar neue Facetten dieses Begriffes kennen lernen. Eine schöne Übung um in der Beziehung beweglich zu bleiben.

Gelassenheit:
Wenn man bedenkt, wieviel Immigranten Argentiniens aus Ländern kommen, die in Deutschland den Ruf der Gelassenheit haben (Italien, Polen, Ungarn,...) kann ich mir schwer vorstellen, dass besagte Immigranten neben ihrem zeitgemäßen Tangoregelwerk nicht auch die Gelassenheit pflegten.

chamuyo hat gesagt…

@Tangosohle: Das mit der Gelassenheit der besagten Nationalitäten sollte man lieber weglassen, es ist genauso wahr und falsch wie die auch nachgesagte Heißblütigkeit, die aber im Tangokontext eher zum Vorschein kommt. Ich war selber Zeuge einer sich anbahnenden Schlägerei in einer sehr bekannten Milonga in BA zwischen zwei sehr bekannten Milongueros. Das war die Art, wie man dort die Regelübertretung (der Eine hatte wiederholt die Dame des Anderen nicht angerempelt, aber deutlich touchiert) ahndet. Eifersucht ist auch dort ein Thema, nicht umsonst hält man sich daran, nur eine Tanda mit einem fremden Partner zu tanzen. Es gibt nette Glossen in der Tangauta dazu. Kein Argentinier käme auf den Gedanken im Tango nur eine platonische Leibesübung zur geistigen Erbauung zu sehen. Da sind die (Nord)Europäer deutlich gelassener.
Das heißt nicht, dass man keine Gelassenheit pflegen sollte, das Vorbild ist bloss nicht so sehr geeignet..

cassiel hat gesagt…

... so hatte ich mir ursprünglich eine Diskussion vorgestellt...

Allen Beitragenden vielen Dank!

Tangosohle hat gesagt…

Kein Argentinier käme auf den Gedanken im Tango nur eine platonische Leibesübung zur geistigen Erbauung zu sehen.

Spannende Aussage, mir drängt sich der Anhang
... sondern...

auf und bin auf Ergänzungen gespannt.

Paul hat gesagt…

@Cassiel, Di Sarli und alle anderen

Mission geglückt! Danke De Sarli für die überzeugende Darstellung was in BsAs üblich ist. Ich hatte schon Bedenken ob ich mich da umsonst angestrengt habe. Es hat sich ausgezahlt.

Bitte macht euch keine Sorgen um Paare die 25 Jahre Ehe und 7 Jahre Milongas gemeinsam sehr gut überlebt haben. Die brauchen keinen Rat wie man als Paar die Dinge regelt, die können das.

Mein Problem ist dass ich auf den Milongas keine traurigen Gesichter sehen mag. Ja, ich gebe es zu, auch nicht die Gelassenheit habe ein paar Idioten tatenlos zuzusehen.

Wie die TangoGöttin und ihr Gefährte ihre Milongabesuche geregelt haben finde ich großartig.

Liebe Grüße

Euer sehr zufriedener Paul

FastZuAlt hat gesagt…

Diese spannende Diskussion verfolge ich auch als einer, der mehr als ein viertel Jahrhundert in einer Paarbeziehung lebt und davon knapp 10 Jahre (Tango-)tanzend.

Dem Einwurf Melinas wurde leider nicht mehr so viel Beachtung geschenkt hier. Dabei scheint Ihr Hinweis die Dinge auf einen wichtigen Punkt zu bringen, der in der Diskussion bisher weniger beachtet wurde. Denn für meine Partnerin ist es zB nie ein Problem gewesen, wenn ich mit anderen Tangueras schöne Tänze hatte. Natürlich gehört ihr die erste und die letzte Tanda und natürlich besteht eine Übereinkunft, dass ich "nach ihr schaue" und zwischen den "Fremdtänzen" darauf achte, dass sie auch zum Tanzen kommt. Aber das ist gar nicht ihr eigentliches Anliegen. Sie geht auf die Milonga in der Hoffnung, dabei auch zu eigenen "Fremdtänzen" zu kommen. Und gerade wenn wir die lokale Szene verlassen, setzt sie doch ein bisschen auch darauf, sich der Faszination des Einlassens mit einem bis dahin unbekannten Tänzer aussetzen zu können. Wäre sie also eine jener Tangueras gewesen, die Paul eingangs erwähnte, die sogleich von "Lokalmatadoren" aufgefordert wurde - sie wäre glücklich gewesen und ich mit ihr.

Aber es gelingt aus den von Melina genannten Gründen eher zu selten. Eine gute Tänzerin, die über 50 ist, hat trotz attraktiven Aussehens leider kaum eine Chance gegen die jugendliche Anziehungskraft der wesentlich jüngeren Mittänzerinnen, zumal diese ja auch in oft erstaunlich kurzer Zeit bemerkenswert gut tanzen.

Es ist hier ja manchmal von "Mitleidstänzen" die Rede. Aber dieser Terminologie verstellt den Blick auf das Eigentliche. Paul beschreibt ja zu Recht, dass es einen Einfluss auf die Gesamtatmosphäre einer Milonga hat, wenn einzelne oder gar eine Anzahl von Tangueras oder Tangueros unglücklich ist. Und jeder Tanz mit einer Anwesenden, die sich nach einem Tanz sehnt, hebt doch die Laune auf einer Milonga und wirkt sofort auch auf mich zurück. Das hat nichts mit herablassener Mildtätigkeit zu tun, sondern mit der Freude am Tango und am Wunsch nach einem insgesamt gelungenen Abend. Und nicht selten erweisen sich gerade diese Tänze als wundersam.

Ich sehe das "Paarproblem" also von einer etwas anderen Seite und bin hier nah bei Melina. Für uns gab es das Problem der "Demütigung" oder "Eifersucht" noch nie und - ehrlich gesagt - habe ich es daher auch kaum darüber von dieser Seite berachtet.
Nicht weil wir beide es stets perfekt managen würden. Nicht immer gelingt diese Achtsamkeit und dann wird der andere am Ende milde "ermahnt" und beim nächstenmal funktioniert es wieder. Aber für UNS hat sich herausgestellt, dass diese Problematik eben nicht das Grundproblem ist. Denn so gern sie mit mir tanzt, würde sie auch sooo gerne noch mit andern tanzen- nicht nur mit mir - und gönnt mir umgekehrt jeden schönen Tanz mit einer andren Tanguera. Aber ihr eigenes Sehnen bleibt allzuoft unerfüllt. Manchmal wagt sie es, selbst aktiv zu werden, aber erlebt dann mitunter auch demütigende Ablehnungen. Es ist immer eine Überwindung für eine Frau. Und nach einer offiziellen DAmenwahl sagte mir mal eine . "Ich wusste gar nicht, wie anstrengend das Auffordern sein kann.."

In manchen Diskussionen auf Festivals habe ich das Problem schon angeschnitten. Und hörte manchmal Erstaunliches wie "naja, wer Kugelstossen will, sollte die Voraussetzungen mitbringen, genauso ist es beim Tango: Wer als Tanguera nicht erträgt, mal länger zeit zu sitzen, sollte dann lieber was anderes tun.." Aber wollen wir wirklich so miteinander umgehen? Schön dass es diesen Blog gibt, in dem stets auf so hohem Niveau diskutiert wird. Danke an alle und besonders an Cassiel, der mir so manche innere Türe geöffnet und zu schönen Denkanstößen verholfen hat.

Paul hat gesagt…

@FastzuAlt

Eine gute Idee von dir die Diskussion in die von Melina angesprochen Richtung zu bringen. Ich habe auch eine gute Nachricht für uns fast zu alten: So wie Melina dies auf ihrem Blog angesprochen hat, sehe ich in letzter Zeit auf manchen Milongas ein, sagen wir mal, kultivierteres Aufforderungsverhalten als noch vor ein zwei Jahren. Und ich danke dir, dass du mir keine Beziehungsproblem unterjubeln willst, weil ich diesen Beitrag geschrieben habe. So wie du freue ich mich wenn meine Frau schöne Tänze mit unbekannten Tangueros hat. Ja, auch ich genieße es betörende Tänze mit mir unbekannten Tänzerinnen zu bekommen.

Absolut gleiche Meinung zu den Charity-Tänzen - es ist gut und richtig auch mit denen schön zu tanzen die in der allgemeinen Begehrlichkeitsskale nicht an der Spitze stehen. Gilt für beide Geschlechter!
Angesehene Milongabetreiber in BsAs habe ich bei dieser Praxis beobachten können.

Um gehört zu werden muss man manchmal drastisch formulieren, die Wirkung ist nicht ausgeblieben. Manchen habe ich offenbar aus der Seele gesprochen, die Mehrheit war anscheinend mit der These dass Regeln eine Verbesserung bringen könnten nicht einverstanden.

Somit bleibt zu hoffen dass auch durch diese Diskussion die Achtsamkeit soweit steigt, dass dass es keiner Regeln bedarf.

Naja, schließlich kommt es auch in BsAs trotz allgemein anerkannter Codigos manchmal zu Tango-Dramen.

Jetzt noch die Bitte an alle Poster: Melinas Beitrag ist vielleicht noch wichtiger als meiner!

Ich hoffe wir begegnen uns demnächst auf einer Milonga!

Schönes Wochenende und tolle Milongas wünscht euch

Paul

Paul hat gesagt…

@AllzuAlt

Hätte ich fast vergessen, wir hatten auch nie eine Eifersuchts- und Demütigungsprobleme sondern in der Art wie du es beschrieben hast. Mit Eifersuchts-Problemen hält man es nicht lange im Tango aus.

Ich hab diese Verhaltensweisen beobachten können - und sowas schlägt sich bei mir auf die Stimmung.

Und ich dachte das sollte nun mal Thema werden!

Paul

Anonym hat gesagt…

Atemlos bin ich und schreibe jetzt trotzdem. Wie ich vor über drei Stunden hierherkam weiss ich nicht mehr. Jetzt, drei Stunden später, ist mein Kopf voll und meine Füße sind leicht. Ich freue mich auf den Tango am Wochenende.

Dieses Forum ist der Wahnsinn! Warum habe ich es nicht früher entdeckt? Mir ist so vieles klarer geworden und ich bin ungeduldig. Ich kann es kaum erwarten auf die Tanzfläche zu kommen.

Cassiel, Du hast wieder eine treue Leserin mehr...

Danke!

FastZuAlt hat gesagt…

@Paul.. Ja, es war ein wichtiger Anstoß, danke dafür!
Die bisherige Diskussion hat zu der Erkenntnis geführt, dass wir für den Tango in der Paarbeziehung keine neuen Regeln brauchen, dass aber eine innere Haltung, die jedenfalls von Achtsamkeit und Respekt getragen ist, allen Beteiligten wohl tut. Dabei ging es bisher vor allem darum, den andern nicht durch ständiges Fremdtanzen womöglich „allein’“ zu lassen oder gar zu demütigen. Und ob sich Außenstehende für solche Paarbefindlichkeiten sensibilisieren sollten.

Melinas Hinweis beleuchtet nun aber noch diese ergänzende, wichtige Seite:
Denn so wie es für manche Paare zum Problem werden mag, dass einer (zu) viel mit Dritten tanzt, wäre es für andere geradezu erleichternd, wenn sich für beide annähernd gleichermaßen auch "fremde" Tänze" ergeben würden. Für diese Paare, die -wie ihr beide- eher angstfrei und vorfreudig zur Milonga gehen, würde durch mehr Fremdtänze mögliches Konfliktpotential, das durch einen frustriert sitzenden Partner entstehen könnte, von vornherein. entschärft. Solange "Sie" tanzt und sich dabei in "guten Händen" befindet, fühle ich mich in diesem Moment ebenfalls wohl und kann mich auf die eigene Tanda und meine aktuelle Partnerin völlig entspannt einlassen.

Di Sarli hat gesagt…

...oder ihr mal beim Tanzen zusehen und aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen, wie wunderbar sie eigentlich tanzt;-)))! Dann sehne ich mich vielleicht noch mehr nach der nächsten Tanda mir ihr;-)!

Chris hat gesagt…

all die gutmeinenden Tangueros, so wohlmeinende Pfadfinder, ein undankbares Unbehagen macht sich bei mir breit...als ich dem Tango in die Arme rannte raunte er mir ein Versprechen ins Ohr, und es versprach nicht, daß mich dereinst schon was Nettes übers Parkett begleiten werde, wenn ich nur brav am Rande warte...ich will keine Almosen, ich will ein Stück eurer Seele...

Di Sarli hat gesagt…

@chris
jetzt sehe ich mich doch veranlasst, zu Deinen letzten Zeilen etwas zu schreiben:
…ola, das sind aber doch deutliche, nicht mal so „en passant“ zu erfüllende Wünsche, wenn Du gleich ein Stück von unserer Seele willst!!!
Ich bin mir nicht sicher, ob ich Deine Zeilen richtig deute, aber sofern Du damit andeuten willst, dass man als Tanguera viel Geduld und Wachsamkeit braucht, kann ich Dir aus eigener Erfahrung versichern, dass es sich für Tangueros nicht unbedingt anders verhält! Und auch wenn ich meine, aus Deinen Zeilen zumindest eine deutliche Ernüchterung zu erahnen, möchte ich Dir versichern, dass ich meinen letzten, sehr spontanen Kurzkommentar wirklich aufrichtig so gemeint habe, wie ich es zu formulieren in der Lage war!
Inzwischen tanze ich ein paar Tage Tango. Über meine Anfangszeit, die objektiv nicht kurz war, könnte ich vergleichbares schreiben, wie Du es oben getan hast: es war ein sehr schwieriger, anspruchsvoller, mühsamer und auch teilweise deprimierender Weg. Im Bezug auf meine „Tanzfähigkeiten“ (oder –unfähigkeiten?) will ich wegen Befangenheit keinerlei Aussagen machen. Nunmehr stehe ich bei Milongas immer wieder vor der Herausforderung mit „aktiven Tanguera-aufforderungen“ menschlich achtsam umzugehen, denn ich bin im Laufe der Zeit bezüglich der Tanzdauer auf einer Milonga selektiv geworden und richte diese insbesondere am Musikangebot aus. Das hängt insbesondere mit dem von Dir, Chirs, formulierten Wunsch zusammen, dass Du „ein Stück unsere Seele willst“…
Um einer Tänzerin in dieser Hinsicht gerecht werden zu können (darunter verstehe ich, dass ich nach bestem Können versuche, mit der Tanguera eine Beziehung zu ihr und der Musik aufzubauen und dafür brauche ich „volle Energieakkus“. Solche Tänze aus dem Inneren, also „mit Seele“ zu tanzen, sind – zumindest für mich – nicht einfach und sollten daher auch nicht ständig und immer erwartet werden.
Mit besten Wünschen, dass möglichst viele Tangueras möglichst oft solche Tänze erleben dürfen…,-)!

chamuyo hat gesagt…

ich habe den Kommentar von Chris etwas anderes verstanden. Es geht eher darum, ob man sich darum bemüht eine für alle (d.h. wirklich für alle) angenehme Milonga zu realisieren, dass schließt ein, dass man auch mit jemanden tanzt, damit er/sie nicht nur sitzt (Almosen), oder das tut, was man mit vollem Herzen tun will und kann, sprich mit denjenigen tanzen mit denen man wirklich tanzen will. Das schließt sich leider gegenseitig aus, denn man kann nicht mit jedem Partner gleich gerne und gut tanzen, oder alles geben.
Wenn sich in einer Milonga ein Teil der Tänzer für die zweite Variante entscheidet, kann man ihnen ohne weiteres arrogantes und unsoziales Verhalten vorwerfen, weitere beliebte Schlagwörter wie Cliquenbildung und Milonga-Darwinismus fallen dann auch.
Ich glaube es gibt einfach unterschiedliche Erwartungen an den Tango. Die einen erwarten einen netten "Social-Club" die anderen schlicht das ultimativ umwerfende Erlebnis, den Flow, die "Tango-Moments", "Tangasms", "Tangobliss" und was noch für Wortkreationen existieren. Dafür fahren sie Tausende von Kilometern an einem Wochenende, verändern ihr Leben und ihren Freundeskreis. Ist das verwerflich? Muss man diese Menschen verpflichten mit jedem zu tanzen aber ja nicht mehr als eine Tanda?
Es gibt notwendige Regeln in der Milonga, wie Tanzrichtung und nicht anrempeln, aber wer mit wem warum und wie lange tanzt oder tanzen sollte gehört bestimmt nicht dazu.

Chris hat gesagt…

ich danke di Sarli und chamuyo für die nicht eingeschnappten
und verständnisvollen Antworten auf meinen emotionalen Kommentar.

Ja, ich gehöre zu den Flow-Suchern, den Tangasm-Süchtigen, ich glaube fest an das Versprechen, der Tango könne ein Lächeln auf Gesichter und in Herzen zaubern.
Es gelingt zu selten, aber es gelingt immer wieder, und solange strebe ich genau dahin.

Wie jeder Süchtige habe ich vielleicht hin und wieder Verständnisschwierigkeiten für all jene, die sich mit weniger zufriedengeben. Doch ich bemühe mich und bitte um Nachsicht, wenn es mir nicht immer gelingt.

Und wie jeder Sucher bin ich nicht unbedingt ein Freund von eingezäunten Wegen.

Zum Schluß was persönliches. Ich verwende den Namen, unter dem ich hier poste, nicht nur, weil es eine Abkürzung für einen meiner Vornamen ist, sondern auch wegen dessen Zweideutigkeit in Bezug auf das Geschlecht.
Weil ich beide Rollen tanze, gleich gerne, wenn auch nicht gleich gut und gleich oft, jeweils mit beiden Geschlechtern, wollte ich mich auch beim Schreiben nicht gleich auf eine Rolle festlegen (lassen). Zumindest das sollte ich mal klarstellen, denke ich.

cassiel hat gesagt…

Liebe Chris,

da regt sich jetzt bei mir leiser Widerspruch und ich versuche ihn einmal zu formulieren. Da hast davon geschrieben, daß Du keine Almosen willst, sondern einen Teil der Seelen. Das Thema ist im Tango etwa so virulent wie die Frage nach der Paarbeziehung - nämlich die Frage danach, ob ich eben auch sozial auffordere (der Begriff ist blöd, mir fällt kein passenderer ein). Im Rahmen der Diskussion um die Taxitänzer hatten wir dieses Themengebiet bereits einmal berührt. Ich denke, ich habe da eine leicht abweichende Meinung. Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich auch einmal eine Tanguera auffordere, mit der ich vielleicht nicht ganz so gerne tanze (sei es z.B. weil sie beim tanzen quatscht; das kann ich überhaupt nicht leiden, oder aus anderen Gründen). Ich finde das notwendig und legitim. Ich fühle mich auf Milongas nicht wohl, auf denen einige Anwesende offensichtlich gerade nicht so viel Freude haben. Eine rein hedonistische Motivation für mein Aufforderungsverhalten würde ich nicht gut finden.

Und ein zweiter Gedanke: Du schreibst (sicherlich überspitzt formuliert), Du möchtest die Seelen Deiner Tanzpartner. Da erinnere ich mich unwillkürlich an die Frage nach Distanz und Nähe im Tango. Eine Begegnung findet für meine Begriffe im Tango statt, eine Verschmelzung jedoch nicht (oder selten). Wenn ich das in eine Formulierung gießen sollte, dann würde es vielleicht so klingen: Jeder mit mir tanzenden Tanguera zeige ich (wenn sie es mag), meine Ratlosigkeit in Frage des Alleinseins mit dem Alleinsein. Weitergehende Ansprüche erfülle ich i.d.R. nicht.

Ich bin ebenfalls sehr zurückhaltend bei der Frage nach den Regeln. Ich plädiere allerdings für eine Achtsamkeit im Bezug auf Grenzverletzungen... und dies beiderseitig. Grenzverletzungen können sowohl von Tangueros begangen werden, als auch von Tangueras (sicherlich seltener).

Einstweilen liebe Grüße

c.

Chris hat gesagt…

Lieber Cassiel,

das Ziel einer Diskussion ist nicht der Sieg, sondern der Gewinn. Und der Weg dorthin führt über den Widerspruch. Ich werde also gerne über das nachdenken, was Du geschrieben hast.

c.

cassiel hat gesagt…

@Chris

;-)

Tangosohle hat gesagt…

Hey Chris,

hab mal bloß keine Angst vor Verständnisschwierigkeiten!(Heute 11:11) Sie sind immens wertvoll, ein Schatz, aus ihm erwächst die Unruhe, die dich an die Orte und in die Zeiten zieht, die dir die gewünschten Tiefen eröffnen.
LG
Tangosohle

B. G. hat gesagt…

@Tangosohle

Muss ich das jetzt verstehen?

Mir fällt bei Deinen Anemrkungen zu diesem Beitrag Dein "sonderbares" Diskussionsverhalten auf und Deinen letzten Kommentar verstehe ich überhaupt nicht.

Vielleicht könntest Du es ausführlicher wiederholen? Danke.

Chris hat gesagt…

@ Tangosohle

ich glaube, ich habe dich verstanden, danke für’s Rückratstärken


@ Cassiel

ich habe deine Gedanken ausgesät und mal abgewartet. Auch auf die Gefahr hin dich zu enttäuschen, es regt sich kein Widerspruch, weder laut noch leise. Im Gegenteil: Zustimmung. Ich finde es schön, wenn Tänzer sich so verhalten.
Mich regt nicht diese Einstellung, mich regt die satte Selbstzufriedenheit der Edlen auf, die sich auf die Schulter klopfen, wenn sie mal ne Anfängerin betanzen, je älter und nicht so attraktiv, desto größer das gebrachte Opfer, am bestem jedoch jung, eingeschüchtert und unerfahren. Sag nicht, die gäbe es nicht oder nur wenige, es gibt sie und es gibt für mich zuviele davon. Deren sich selbstbesonnende Motive stelle ich in Frage, von denen würde ich nicht aufgefordert werden wollen.
By the way, findest Du, daß eine Hebung der allgemeinen Stimmung im eigenen Interesse ein völlig selbstloses Motiv ist ;-)

Ich will gewollt werden, mal ganz einfach gesagt. Wer sich entscheidet mit mir zu tanzen, mich auffordert oder meine Aufforderung annimmt, soll das tun, weil er/sie mit mir tanzen will. Nicht um eine Quote zu erfüllen, einen neuen score aufzustellen, die allgemeine Stimmung zu heben (außer bei dir vielleicht), einem sozialen Zwang nachzugeben, und schon gar nicht, um sich damit einen Orden zu verdienen.
Doch, ich will die Seelen meiner Tanzpartner/innen, ein wirklich mephistofilisches Ansinnen durch und durch. Ich will, daß sie mir für dreieinhalb Minuten mit Haut und Haaren verfallen, und immer wieder. Was denn sonst?
Wer mit mir small talk hält, statt diese immer wieder neue Herausforderung einer ganz anderen Verständigung anzunehmen, ist nicht aus demselben Grunde dort wie ich, eigentlich sind wir auf zwei ganz verschiedenen Veranstaltungen. Es macht keinen Sinn, miteinander zu tanzen, und deshalb würde ich eine solche Tanguera nie wieder auffordern.

cassiel hat gesagt…

Liebe Chris,

kann es sein, daß wir da jetzt ein wenig aneinander vorbei argumentiert haben?

Natürlich sind die selbsternannten Nachwuchsförderer anstrengend und sie fallen natürlich auch mir unangenehm auf. Ich sehe das übrigens ähnlich wie Du, die gibt es schon häufiger. Aber diese Situation hatte ich nicht im Kopf, denn es handelt sich bei derartig motivierten Aufforderungen ja nicht um eine soziale Hinwendung zum Anderen, sondern um eine Bedürfnisbefriedigung des eigenen Egos.

In der Frage der Seelenüberlassung sind wir wohl verschiedener Auffassung. Wenn Tango in meinem Leben eine wichtige (und zeitintensive) Rolle spielt, dann kann ich es mir gar nicht leisten, da immer einen emotionalen Ausnahmezustand zuzulassen. Dafür reichen meine Kräfte nicht aus. Insofern kam mit der Übung oder Routine auch eine leichte Ernüchterung in meinen Tango. Das ist für mein Empfinden schon in Ordnung. Natürlich mag es Menschen geben, die das anders sehen und handhaben.

Chris hat gesagt…

Lieber Cassiel,

wir sind alle anders. Wär' aber auch langweilig einen Blog zu lesen, den einer macht, der so denkt schreibt wie ich, samt entsprechenden Kommentaren. In diesem Sinne freue ich mich schon auf den nächsten Beitrag ;-)

FastZuAlt hat gesagt…

Die "Seele" im mephistophelischen Sinne einzufordern, mag ja vielleicht etwas viel verlangt sein..;-)..aber es ist ein durchaus mitreissendes Statement!

Jedenfalls stimme ich zu, dass ein Tanz erst dann zum Genuß wird, wenn jeder sich mit seiner ganzen Kreativität einbringt, sich dem anderen im inneren Dialog zuwendet, bei der Musik bleibt und bei dem, was aus dieser Verbindung möglicherweise gemeinsam erwächst.

Und dann ist es am Ende nicht mehr maßgeblich, aus welchem urprünglichen Impuls heraus um den Tanz gebeten wurde. Oder nicht?

Rory Dixon hat gesagt…

Todo la carne en la Parrilla!
Wurde ich gerade bei Chris Ausführungen dran erinnert. Wo darf ich unterschreiben?

Tangosohle hat gesagt…

@ Chris: Danke!

@ B.G.
ich danke dir, dass du versuchen möchtest mich zu verstehen. Das ermutigt mich, auf deine Bitte einzugehen. Der Diskurs, den Chris angestoßen hat berührt mich sehr. Verstehe ich den Blog als solchen und diesen im Speziellen in einer feuilletonistischen Art, die versucht mit Sprache etwas Nicht-Sprachliches zu ergründen, so sind Chris' Beiträge die Spritzer auf einer Schaumkrone, die durch Wellen, die auf der offenen See rollen, entstanden sind. Das ist eine mir nicht gänzlich unbekannte Welt, und Nicht-, oder Missverständnisse, Fehlinterpretationen von Aussagen sind dann eben Bestndteil von Kommunikation. Damit gilt es umzugehen.
Dies ist einer der Sinne, als ich meinte „Keine Angst vor Verständnisschwierigkeiten“ (auf der Grundlage von 7.12.2010, 11:11).
Ein anderes: Allzu gutes Verständnis für- und miteinander führt zu unkreativem Ruhestand. Zumindest ist das eine Möglichkeit. Ein ungenügendes Verständnis kann aber einen antreiben, in Bewegung bringen und damit Wege beschreiten lassen, die sonst unentdeckt geblieben wären.
LG
Tangosohle

Di Sarli hat gesagt…

Lieber Cassiel,

ich meine zu verstehen, was Du mit Deinen letzten Zeilen insbesondere im Hinblick auf die Ernüchterung zum Ausdruck bringen wolltest: Sie bezogen sich ja auf die von Chris vor drei Tagen um 09:27 Uhr und gestern um 11:07 Uhr bekräftigte und erläuterte „Forderung“ nach „einem Stück unserer Seelen“.

Du hast darauf erwidert, dass Du es Dir nicht leisten könntest, „da immer einen emotionalen Ausnahmezustand zuzulassen, angesichts der wichtigen (und zeitintensiven) Rolle, die der Tango in Deinem Leben spiele. Dafür würden Deine Kräfte nicht reichen und daher hast Du im Laufe der Zeit – erlaube mir nun bitte einen Formulierungsversuch – eine Art „Schutzmechanismus“ aufgebaut: „ernüchtert“ Tango zu tanzen. Das finde ich persönlich etwas schade und vermutlich auch einige Tangueras wie Chris und Tangosohle! Denn dadurch geht allen, angefangen von Dir selbst, über Deine jeweiligen Tanzpartnerinnen bis hin zu den anderen Milongabesuchern, etwas verloren: Energie durch Emotion. Denn meine Erfahrung ist, dass man bei einem Paar, das mal ansatzweise z u s am m e n auf die Musik tanzt, sehr gerne zuschaut und Freude daran hat. Natürlich hängt das auch ein wenig von der Einstellung jedes Einzelnen ab, aber manchmal kann es sogar Tangueras, die weniger zum Tanzen aufgefordert werden, eine kleine Freude bereiten. Damit bringt als Tanguero, der versucht mit seiner momentanen Tänzerin alles zu geben, sie „komplett zu wollen“, wie es Chris so schön formuliert hat.

Ich hatte ja auf Chris`Zeilen reagiert und es hat sich inzwischen herausgestellt, dass ich mit meiner damaligen Deutung jener Passagen von Chris nicht ganz falsch lag. In dieser unmittelbaren Reaktion hatte ich geschrieben, dass ich für die Erfüllung dieses Wunsches (also in diesem Tanz oder gar dieser Tanda mich voll und ganz – mit ganzer Seele – der Tanguera hingeben zu können) volle Energieakkus benötige und ich daher um Verständnis gebeten hatte, dass ich das nicht „ständig am Fließband abliefern“ kann. Insofern kann ich Dir nur beipflichten, dass solche Tänze richtig Energie kosten. Allerdings möchte ich mich dennoch nicht „ernüchtert“ auf „weniger“ Tango beschränken, denn da bin ich vollständig bei Chris, wenn sie so herrlich überspitzt formuliert, dass sie während der dreieinhalb Minuten einen Teil unserer Seelen will (@Chris, ich hoffe Deine beiden Gedankenstränge so miteinander verbinden zu dürfen?) . Cassiel, anfangs atte ich vergleichbare Erfahrungen wie Du auch gemacht und vielleicht habe ich das Glück, dass hier anstelle von Ernüchterung und Routine eine „aktive Geduld und Gelassenheit“ entwickeln konnte. D.h., wie bereits an anderer Stelle geschreiben, dosiere ich meine „Tanzeinsätze“ und lehne auch Tänze ab, wenn mir die Musik nicht zusagt (z.B. E-Tango), denn dann weiß ich von vorne herien, dass ich da nichts von meinem Inneren in den Tanz geben kann und so auch der Tanguera nicht gerecht werden würde.

Di Sarli hat gesagt…

(Fortsetzung)

Bei Tangueras, mit denen man schon getanzt hat, weß man i.d.R., welche Art von Tanz einen erwartet. Da kann ich mich dann darauf einstellen und versuche dann entsprechend zu tanzen: achtsam und respektvoll, wenn die Tänzerin offenbar noch nicht so viel Tanzerfahrung hat, bei den Erfahreneren versuche ich von Anfang (da ist noch kein Schritt gemacht, vgl. Cassiels früheren Beitrag „die ersten XXXSekunden“) der Tanguera zu zeigen, dass ich bereit bin, mit ihr wührend des Tanzes einen intensiven Dialog mit ihr zu führen. Die erfahrene Tanguera wird blitzschnell merken, dass ich noch keinen Schritt mache, nichtweil mir nichts einfällt, sondern weil ich mir ihr in Verbindung aufnehmen will. Sofern das gelingt und man gelassen bleibt, was aber nicht heißen soll, dass ich bei solchen Tänzen völlig „cool“ bleiben könnte, dann, Cassiel ist es etwas wunderbares, unbeschreiblich Schönes, was m.E. Kein anderer Tanz bieten kann und was vermutlich auch die Faszination dieses Tanzes ausmacht: mir fällt kein anderes Wort als „Verscmelzung“ ein – man spüt nur noch wie die Energie butterweich im Einklang mit der Musik fließt, selbst bei vermeintlichen „Pausen“ - meiner Ansicht nach wird in diesem Moment sogar besonders viel Energie ausgetauscht! Auch hier wieder mein Hinweis auf das von mir bereits erwähnte Buch von Ralph Sartori und Petra Steidl, die dieses Phänomen wunderbar und viel besser als ich es kann, beschreiben.

Wenn man dann nach dem Tanz eine von innen heraus lachende Tanguera vor sich stehen hat (und der Tanz/die Tanda ar keine Milonga;-)!, dann weiß man, dass man es eigentlich allen schuldig ist, in diesem Tanz alles zu geben, was man gerade im Stande ist zu geben. Glücklicherweise muss das nicht gleichzeitg ein „emotionaler Ausnahmezustand“ sein, denn trotz aller Euphorie und dem ganzen „Kick“ sollten wir nicht vergessen, dass das „lediglich“ ein Tanz war – aus dem aber möglichwerwiese andere und vielleicht auch ich selbst mehr Energie gewinnen können, als ich eingesetzt habe:

An dieser Stelle würde ich gerne auch nochmals meinen Appell an die Tangueras wiederholen:
bitte erwartet solche Tänze nicht in bei jedem Tanz in jeder Tanda oder den ganzen Abend/die ganze Nacht über;-)))!

cassiel hat gesagt…

Lieber Di Sarli,

vielen Dank für Deine ausführliche Anmerkung. Ich habe das sehr aufmerksam gelesen und leider fehlt mir gerade die Zeit mit der nötigen Ausführlichkeit zu antworten.

Vielleicht schreibe ich kurz ein paar spontane Gedanken. Möglicherweise lohnt es noch einmal über den Begriff der Seele zu debattieren. Da könnte ein Missverständnis vorliegen. Und zweitens: Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns einen Gefallen tun, wenn wir den Tango vom restlichen Leben (pointiert formuliert) entkoppeln. Für mein Empfinden sollte man ein sehr feines Gespür für die Wechselwirkungen haben und auch die emotionalen Implikationen dieser Wechselwikungen ernstnehmen.

Was Du zum Thema zusammen Tanzen schreibst gilt natürlich uneingeschränkt...

Muss jetzt leider weiter...

Chris hat gesagt…

wollte nur mal schnell sagen, daß es wirklich schön ist, wie die Foristen hier miteinander umgehen und aufeinander eingehen, vielen Dank an alle.

Leider fehlt auch mir in der eigentlichen "staaden Zeit" die Muße auf die vielen guten Beiträge in der verdienten Tiefe einzugehen. Ich könnte aber fest jeden ebenso unterschreiben.

Nur nicht Cassiels Ausführungen zu seiner mit der Zeit entstandenen Ernüchterung. Das macht einen fast traurig und ich möchte nicht glauben, daß es so ist, wie es mir daraus aufscheint.
Vielleicht ist es aber auch nur eine der vielen unterschiedlichsten Phasen, die jeder im Tango durchleidet, ich z.B. möchte im Zweiwochenrythmus alles hinschmeißen.

Das Tangowochenende naht, und ich wünsche allen hier, daß sie sich mindestens einmal für dreieinhalb Minuten in einem wundervollen Tanz verlieren, besonders aber Cassiel

Anonym hat gesagt…

Wenn ich nicht wuesste, dass viele schoener schreiben, als sie tanzen, wuerde ich sagen:

ich moechte mit dem Mephistopheles-Chris (der doch sicher ein Mann ist, liebe Leute, dass merkt man doch!) tanzen. Und zwar gerne etliche Tandas nacheinander, wenn die Musik gut ist und er das auch will. Unabhaengig davon, ob er oder ich in einer Beziehung ist/bin. Da ich nicht Sexueles/Romantisches da suche.

Hier in Europa ist das ja moeglich. (In Buenos Aires wuerde ich wohl mehrere Tandas mit ihm tanzen, wenn er mich auffordern wuerde, nur natuerlich nicht hintereinander, sondern in deutlichen Abstaenden).

Und das waere von ihm kein Verhalten, was mich irgendwie monopolisiern wuerde oder selbstsuechtig mir den mittelmaessigen Taenzern enthalten wuerden. Denn, obwohl ich gerne ab und zu mit begeisterten und serioesen Anfaengern tanze, tanze ich in der Regel nicht mit Maennern, von denen ich von vornherein weiss, dass es mir keinen Spass machen wuerde. Wenn gute Taenzer auf der Milonga Mangelware sind, hoere ich die Musik und trinke ein Glaeschen Wein oder gehe einfach frueh nach Hause.

Ingrid Peel hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
cassiel hat gesagt…

Kommerziellen Werbelink (als Kommentar getarnt) gelöscht …