Hola Cassiel,
[...] Ich helfe bei einen Tangoclub als "Springer" aus, d.h. ich tanze in den Kursen mit Damen, die keinen Tanzpartner haben. Ich mache alle Kurse: ab Anfänger bis Fortgeschrittene (F3). Da ich relativ lange tanze, haben "meine Damen" ein leichtes Spiel - mit mir klappt (fast) jede Figur relativ einfach :)
Gestern Abend habe ich den F1 Kurs mit einer Dame abgeschlossen. Sie teilte mir nach dem Kurs mit, dass Sie nicht mehr mitmachen möchte, da sie angeblich mit keinem anderen außer mir tanzen kann. Es geht so weit, dass sie in Panik verfälllt, wenn wir in Kurs Partnertausch machen sollen. Auf meine Frage, wie nun bei der Milongas geht, antwortete sie, dass sie bis jetzt noch keine Milonga besucht habe. Nun war ich baff - sie hat mehr als einen Jahr Kurse besucht und ist nicht einmal zu einer Milonga gewesen... Ich denke manche Leute haben eine ganz schiefe Vorstellung, wie man Tango lernt. Nun weiß ich nicht, was ich denken soll - einerseits bin ich von mir enttäuscht, weil ich wahrscheinlich der arme Frau eine Illusion vermittelt habe. Anderseits sage ich mir, dass manche Leute nur eine Beschäftigung brauchen, sie hätte auch einen Joga-Kurs belegen können. [...]
Hmmm... zunächst bedanke ich mich erst einmal für die Zuschrift und dann frage ich mich, wie ich auf diese Schilderung reagiere. Nachdem ich die Genehmigung zur anonymen Veröffentlichung bekommen hatte, mußte ich erst einmal eine Nacht schlafen. Glücklicherweise gibt es im Blog die Rubrik Glosse. Das macht es etwas einfacher.
So ist es recht liebe Tangolehrer! Passend für Deutschland haben wir ein Kursprogramm für die Tango-Anfänger gestrickt. Anfängerkurse A1 bis A10 und Fortgeschrittenenkurse F1 - F10. Da kann ja nichts mehr schief gehen. Anfängerkurse werden so gestaltet, daß Tangoneulinge am Ende den "Grundschritt" und die Ochos tanzen können und notfalls Milonga-tauglich sind, aber eigentlich sollten sie brav weiter Kurse belegen. Damit sich Tangoschüler auf den Milongas nicht zu wohl fühlen tanzen Lehrerinnen und Lehrer nicht mit ihren Schülern auf Milongas; schließlich sind die Ärmsten ja noch Anfänger. Und... damit ihnen Enttäuschungen erspart bleiben, machen wir ihnen auch keinen Mut, zu Milongas zu gehen. Stattdessen gibt es noch einen Kurs, noch eine Figur und wir hämmern den Anfängern ein, daß Figuren wirklich wichtig sind. Kleine Linksdrehung, große Rechtsdrehung, Giros etc. etc.
Und die Tangoschüler zahlen brav. Und dann... irgendwann... geben sie auf. Na ja, Schwund gibt es eben immer!
[So! Bevor sich Aufregung und Hektik breit macht, betone ich noch einmal ausdrücklich: Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik "Glosse".]
8 Anmerkung(en):
Hmpf, da gehört er aber eigentlich garnicht hin, der Beitrag. Eigentlich gehört er in die Rubrik 'wahre Tragik'. Oder so.
Hmmm... verehrte Monika, vielleicht rüttelt diese Glosse noch einmal manche wach.
Ich erinnere mich dunkel an meine Anfängerzeit. Die Kurse waren fast ein Casting für den frauenhungrigen Tangolehrer. Von den männlichen Teilnehmern blieb allein ich übrig.
Natürlich sind praktische Übungen (und meinetwegen vielleicht auch der "Grundschritt" als Gerüst) notwendig, aber ich gelange mehr und mehr zu der Überzeugung, daß es mindestens ebenso notwendig ist, einige einführende Sätze über die Seele des Tangos weiterzugeben. Und... den Mut auf die Milongas zu gehen... eigentlich erwarte ich von Tangolehrern, daß sie ihre Schützlinge auch dort einführen.
Vielleicht bin ich ja ein wenig altmodisch...
Ach so, fast hätte ich es vergessen: Vielen Dank für Deinen Beitrag...
Schönen Tag noch ;-)
Monika hat recht. Der Beitrag gehört nicht in die Glosse. Und die "Schuld" alleine auf die Tangolehrer zu schieben ist zu einfach. Finde ich. Eine Glosse wird dem Thema nicht gerecht.
Zu dem interessanten Beitrag des anonymen Tangueros passt gerade ganz gut ein Artikel, den ich gestern in der FAZ gelesen habe. Ich erlaube mir mal, den für diese Thematik meines Erachtens entscheidenden Passus zu zitieren:
"Doch die schon fast irrationale Seligkeit [beim Tango] fordert auch ihren Tribut. Damit der Tanz wirklich funktioniert, muss man alle Barrieren fallenlassen. Hingabe ist beim Tango keine leere Floskel. Das kann gefährlich sein, ist man nicht ein außerordentlich gefestigter Mensch mit heilem Herzen. Ganze Generationen von Anfängerinnen verwechseln ekstatische TangoErlebnisse mit tiefster Verliebtheit. Und so manch ein Mann lässt sich von seiner Kontrolle über den Moment und der Offenheit der Frauen beim Tanz berauschen. Viele bleiben daran hängen. Besonders Menschen, in deren Kultur Nähe und Hingabe selten sind."
Nachzulesen unter: http://www.faz.net/s/RubB4457BA9094E4B44BD26DF6DCF5A5F00/Doc~E93A8CD851C604C2EA361F7457D254FBD~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Ganz so weit scheint es bei der betroffenen Dame ja nicht gegangen zu sein, aber ich kann mir gut vorstellen, wie sehr der Tango bei ihr an diesen einen Herrn gekoppelt ist. Und da hat Monika wieder recht. Das ist tragisch, falls sie sich nicht loslöst und über Milongas Zugang zum Tango findet - und nicht nur zu einem einzelnen Herrn. Es sei denn, er empfindet ebenso wie sie. Dann sind beide glücklich. Was wiederum nichts mehr mit Tango zu tun hat, oder nur noch ganz am Rande. Aber dann kann man auch Standard oder Latein tanzen, oder eben zum Joga gehen... Das, was der Tango zu bieten hat, wird sie nicht kennen lernen, wenn sie sich nicht auch anderen Herren öffnet. Wiederum meine persönliche Meinung. Der Artikel in der FAZ ist da wirklich interessant, kann ich nur allen empfehlen.
@Raxie
Hast Du nicht gesehen, das ich den Artikel bereits verlinkt habe?
Und... Schuld gibt es sowieso nicht, aber manchmal ist mir der Tangozirkus zu sehr verschult.
Wie immer kann ich wunderbar mit anderen Meinungen leben.
ups - ne hab ich nicht gesehen. Ist ja auch schon Ewigkeiten her, dass Du zwei Beiträge fast am STück einstellst. Kann Frau ja nicht ahnen...
:-)
@Cassiel
zu Deinem 1. Kommentar: JAJAJA, Lehrer sollen, nein müssen etwas mehr über die Seele des Tangos weitergeben. Oder es zumindest versuchen. Und nicht nur einmal, Anfang der 1. Tangostunde überhaupt, sondern immer wieder. Und auch JAJAJA dazu, dass Lehrer ihre Schüler in die Welt der Milonga einführen, sie begleiten beim ersten Mal.
(Hatte schonmal kommentiert, aber da hat das System den Post wohl gefressen...)
@Raxie
Wer ist denn schuld, wenn nicht die Tangolehrer? - Ich meine, ich weiss dass sich viele Lehrer scheuen 'nur' essentials zu unterichten weil sie glauben dass ihnen dann die Schüler weglaufen, ich habe gegenteilige Erfahrungen gemacht, aber vielleicht sind diese Schüler ja die Ausnahme?
@monika
Hmm. Vielleicht hast Du recht. Ich selbst bin nicht über Tanzlehrer zum Tango gekommen, sondern über einen Freund, der mich privat eingeführt hat. Und wir sind vom erten Tag an zu Milongas gegangen. Meine erste offizielle Stunde habe ich erst Wochen später genommen. Und auch nie einen Einführungskurs gemacht. Eine systematische Heranführung im Sinne von Tanzlehrern fehlt mir also.
Und der Schritt zur Milonga war kein "freiwilliger", wenn man das so sagen darf/kann, sondern schien völlig selbstverständlich. So hat es mir mein Tanzpartner damals vermittelt. Das hab ich also gar nicht in Frage gestellt. Gott sei Dank!
Mittlerweile tanze ich ca 9 Monate und habe schon sehr viel Kurse mitgemacht, alles recht unsystematisch, aber extrem gut. Und nie ging es um Grundsätzliches zum Tango. WEder zur Musik noch zu Milongas noch zu Tanzstilen etc. Diese ganzen Bereiche habe ich mir über Gespräche und viel Lesen angefangen zu "erarbeiten". Und das halte ich für mich wiederum für den normalen Weg. Wer das wissen möchte, schaut doch notwendigerweise über den Tellerrand, sprich über die Tangolehrstunde hinaus, oder? Spätestens wenn man das Stichwort Tango im Netz eingibt, hat man doch das ganze Ausmaß der Tangowelt vor sich.
Wer ausschließlich zur Tanzstunde geht und sich darüber hinaus gar nicht mit dem Thema befasst, wird eventuell auch auf entsprechende Hinweise eines Tangolehrers gar nicht nachhaltig reagieren, oder meinst Du nicht?
Ich verstehe das nicht: Nach sieben oder acht Kursabenden erst bemerkt die Aushilfe, dass die Dame noch nie an einer Milonga war? Worüber habt ihr denn bislang geplaudert? Nur über Sex?
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