Donnerstag, 19. November 2009

Tacheles mit Tangueros 1: Christian Tobler, Tango DJ aus Zürich - Teil B

Hier steht der erste Teil des Interviews

Teil 2 von 3
Cassiel: So, wenn Du keine Einwände hast, dann würde ich Dich jetzt gerne zum Inhaltlichen der Tangomusik befragen. Du hast auf Deiner Internetseite ein Vortragsangebot vorgestellt. Wie entstanden die Ideen zu diesen Vorträgen? Wie ist die Resonanz bisher gewesen?

Christian: Als TJ habe ich bald einmal bemerkt, dass kaum ein Tänzer die wichtigen Orchester auch nur dem Namen nach kennt oder daheim mehr als einzwei CD-Sampler mit mediokren Einspielungen liegen hat. Also habe ich einen Vortrag für Tänzer entwickelt, in der Hoffung damit Tänzern einen Einstieg in die faszinierende Musik zu ermöglichen, zu der sie oft seit Jahren tanzen ohne was darüber zu wissen. Schön wäre es, wenn der Vortrag einen Prozess in Gang setzt, der es ihnen irgendwann ermöglich, nicht sämtliche Orchester wie einen Juan d'Arienzo zu tanzen.
Wer den Vortrag besuchte, hat sich fast immer erfreut bedankt und auch was mit nach Hause genommen. Im Moment fragt ab und an eine einzelne Person danach. Aber fünf oder zehn Köpfe sollten schon zusammen kommen, damit ich mir Zeit für den Vortrag nehme.



Cassiel: Haben sich Deine musikalischen Präferenzen im Laufe Deiner Tango-Karriere geändert? Kannst Du ggf. kurz beschreiben wie? Gab es da noch einmal einen deutlichen Schritt, als Du das DJ-ing begonnen hast?

Christian: Sicher, meine musikalischen Präferenzen erleben immer wieder mal Verschiebungen. Und seitdem ich TJ-ing betreibe sowieso. Wenn so was nicht mehr passiert, ist man als TJ längst in Routine ertrunken und stagniert. Klar hat jeder TJ seine persönlichen Präferenzen. Als TJ bin ich aber auch Dienstleister an einer Gemeinschaft. Daher soll ich meine persönlichen Präferenzen nicht zu sehr in den Vordergrund stellen.
Anfangs war meine Präferenz ganz klar Miguel Caló, was für ein umwerfendes Orchester. Vor zwei Jahren sind mir betreffend Alfredo de Angelis’ komplexerer vokaler Aufnahmen endlich die Ohren aufgegangen und die Beine frei geworden. Pedro Laurenz wird immer einer meiner ganz grossen Favoriten sein, kein anderes Orchester bewegt dermassen viel Energie beim Musizieren. Meine letzte persönliche Entdeckung waren die Brüder de Caro [Julio, Francisco, Emilio]. Das ist vermutlich erst möglich geworden, als ich auch tänzerisch ein höheres Niveau erreicht habe. Aber ich bin noch weit davon entfernt z.B. de Caros Einspielung von el Monito aus dem Jahr 1939 auch nur einigermassen adäquat aufs Parkett zu zeichnen. Den Prozess dorthin geniesse ich jedoch sehr. Anibal Troilo wird für mich natürlich immer das grösste unter den Gran Orquestas sein - in jeder Hinsicht.
Nochmals: ich versuche meine persönlichen Präferenzen nicht zu sehr in mein TJ-ing einfliessen zu lassen. Denn ich bin als TJ dafür verantwortlich, dass ein ganzer Raum voller Tänzer im Verlauf des Abends immer wieder auf sein Kosten kommt. Da wären meine persönlichen Präferenzen ein zu enges Korsett.

Cassiel: >Ich denke, beim Thema Tandas sind wir uns „erschreckend“ einig. Kannst Du kurz Deine Ansichten zum Thema „innere und äußere Kohärenz von Tandas“ skizzieren? (In Deiner Terminologie heißt das wohl „Mikro- bzw. Makrodramaturgie einer Milonga“)

Christian: Genau, die innere Kohärenz einer Tanda heisst bei mir Mikro-Dramaturgie. Sie orientiert sich ausschliesslich an der Musik, wogegen die äussere Kohärenz der ganzen Milonga bei mir Makro-Dramturgie heisst und neben einer harmonischen aber abwechslungsreichen zeitlichen Abfolge in erster Linie die Geschehnisse auf und neben dem Parkett berücksichtigen soll.

Cassiel: Darf ich spontan einhaken? Was machst Du z.B. mit dem meiner Meinung nach zu Unrecht unterrepräsentierten Ricardo Malerba? Ein sehr eingeschränktes Angebot! Machst Du Mix-Tandas? [Tandas mit Titeln verschiedener Interpreten]

Christian: Malerba ist ein äusserst kontroverses Thema. Es gibt TJ die ihn nie auflegen, weil sie ihm unterstellen er werde im Verlauf seiner Stücke langweilig.

Cassiel: Legst Du ihn auf?

Christian: Ich sehe das nicht so eng. Wenn eine lokale TA-Szene Marlerba nicht ablehnt, lege ich ihn immer wieder mal auf.
Ein TJ hat auch die Aufgabe, seine Szene zu fordern und so allmählich über sich selbst hinaus wachsen zu lassen. Aber das ist ein subtiler Prozess, bei dem man in Kauf nehmen muss, dass man auch mal auf die Nase fällt. Wer nichts wagt, gewinnt nun mal nichts.
Von Malerba gibt es in meinen Augen über ein Dutzend bestens tanzbarer Aufnahmen und sein Einspielung des Vals Corazon de Artista ist grossartig, aber nicht ganz einfach zu kombinieren in einer Tanda mezclada [Tanda mit Titeln verschiedener Interpreten]. Ich ergänze dieses Stück manchmal mit Noche de Ronda von Francisco Lomuto und La Guitarra de San Nicolas von Roberto Firpo.

Cassiel: OK! Was mich wirklich umtreibt: Denkst Du, daß sich durch sorgfältigere Musikzusammenstellung auch kurz-, mittel- oder langfristig etwas in der Qualität des Tangos einer kleineren Szene ändern würde?

Christian: Kurzfristig nicht immer, das hängt vom Niveau einer lokalen Szene ab - mittelfristig meist - langfristig in jeder Szene immer. Tänzer sind wie alle Menschen Gewohnheitstiere, die Neuerungen oft erst mal ablehnen. Je kleiner eine Szene ist, desto leicht lässt sich so eine Entwicklung zum Positiven initiieren. Wenn die Szene klein ist, kann ein TJ das persönliche Gespräch mit Tänzern suchen und sie so neugierig machen. Bei einer grossen Szene ist das nur eingeschränkt möglich, weil Anonymität mitspielt.

Cassiel: Konzipierst Du einen Abend vorab oder entscheidest Du immer spontan über die nächste Tanda? Gibt es Mischformen?

Christian:Ich betreibe eine Mischform, bereite mich auf jede Milonga sorgfältig vor. Meist dauert das rund gleich lang wie die Milonga selbst. Je nach Situation an der Milonga kann ich dieses Konzept einmal mehr oder weniger durchziehen, weil die Tänzer mitgehen und ein andermal muss ich alles auf den Kopf stellen, weil die Tänzer fahrig und/oder unkonzentriert sind. Aber je länger ich dieses Metier betreibe, desto öfter gelingt es mir, die Tänzer auf meine Reise in die EdO mitzunehmen.

Cassiel: Tanzt Du eigentlich gelegentlich auch wenn Du auflegst? Wie siehst Du das (gerade auch im Bezug auf das Thema: Männermangel)?

Christian: Klar tanze ich, wenn ich selbst auflege. Allerdings meist mit meiner Lebensgefährtin.Wenn Du als TJ eine eigene Milonga hast, kommst Du kaum darum herum, auch Taxitänzer zu spielen. Ich mag das nicht besonders, weil es mir bei zu grosser Dosis die Laune verderben kann. Also habe ich das reduziert. Mag sein, dass man mich deswegen manchmal für arrogant hält. Aber ich werde für eine andere Aufgabe gebucht und die will ich ohne wenn und aber mit Inhalt füllen. Zwei-, dreimal Taxitänzer am Abend ist kein Weltuntergang, wenn es nicht immer die selben Frauen sind.
Für mich gibt es im TA manchmal auch so was wie eine falsche Solidarität. Kürzlich habe ich im Internet von einem prominenten Tänzer dazu eine sehr treffende Stellungnahme gelesen. Die Quintessenz der Aussagen war, dass Folgende nicht erwarten können, dass Führende immer alles ausgleichen und ganz allein für ein berauschendes Tanzerlebnis Sorge tragen. Ein wirklich guter Tänzer schafft das tatsächlich. Mir gelingt das gar nicht oft. Dieser Tänzer vertrat die Meinung, gute Führende sollten mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen und offensichtlich lernfaule Folgende konsequent links liegen lassen. So was klingt natürlich provokativ und muss differenziert gehandhabt werden. Aber im Kern stimme ich dem zu.

Cassiel: Eines vielleicht noch: Woher beziehst Du Informationen über neue CDs, die Du beschaffen willst? Kaufst Du auch zeitgenössische Tango-CDs?

Christian: Bei mir lagern inzwischen über 700 EdO-CDs. Da wird es für mich schwierig, weil nicht mehr viel Neues publiziert wird, was ich noch nicht habe. Manches lasse ich mir von Freunden aus Bs As mitbringen, weil das billiger ist. Anderes beziehe ich über Zivals Bs As. In Europa ziehe ich Lavocah DyM vor, aber das ist Geschmackssache. Und Elshaw in Kanada halte ich inzwischen wie gesagt auch für eine interessante Quelle.
Was ich seit längerem ziemlich verzweifelt suche sind drei Editionen japanischer Sammler - CTA von Akihito Baba (aber nicht die argentinischen Bootlegs davon, welche es vor Jahren am Tangokiosk in Bs As zu kaufen gab) / APM von Yoshihiro Oiwa / Audio Park von Yasuhiko Fukukawa. Wir sprechen hier von irgendwo zwischen 200 und 400 CDs mit grossem Repertoirewert, da die restlichen Label es kaum je schaffen, mehr als die immer gleichen rund 3'500 Aufnahmen mit neuen Covern in anderen Zusammenstellungen zu veröffentlichen.

Cassiel: Ups! Da hängst Du mich gerade ab... ;-) ...So speziell bin ich nicht...

Christian: Die grössten TA-Argentino-Sammler sind alle Japaner. Da RCA-Victor in den 60ern seine Master geschreddert hat, sind diese Sammler manchmal die letzte existierende Quelle für neue CDs.
Diese japanischen Sammler sind übrigens keine Tänzer, legen seit den 70ern kleine Serien mit LPs und heute CDs auf und sind eine tolle Quelle für Aufnahmen, die in Bs As noch nie auf CD publiziert wurden. Die CDs sind meist kaum restauriert aber von Schellacks und LPs in erfreulich gutem Zustand transferiert. Von Europa aus ist es leider kaum möglich, diese Editionen zu bestellen: http://www.d1.dion.ne.jp/~cta/list.html

Beispiele der drei japanischen CD-Kollektionen von Akihito Baba, Yoshihiro
Oiwa und Yashuhiko Fukukawa

Cassiel: Ich sehe, Du musst nach Japan! ;-)

Christian: Klar doch - wenn es nach mir geht morgen. Sag, weisst Du einen Sponsor?

Cassiel: Nach all diesen fundierten Informationen: Kannst Du Deine Tipps für angehende DJs zusammenfassen? Ich denke, das wird Viele interessieren!

Christian: Ich könnte jetzt antworten besucht einfach Argentangos TJ-Workshop. Aber das ist kaum die Antwort, auf die Du Cassiel aus bist. Lass es mich statt dessen mit ein paar so tückischen wie konstruktiven Vorschlägen versuchen:
  1. Gefragt sind Zwischentöne: Geduld, Fleiss, Bescheidenheit und ein Quäntchen Talent - TJ-ing ist kein Ding für grosse Zampanos.
  2. Werkzeug nicht mit dem kreativen Prozess verwechseln - Laptop, Kabel und ein Stick mit Tausend Tangos machen keinen TJ.
  3. Den kreative Prozess im Kopf geschehen und vom Herzen steuern lassen, damit das Resultat Tänzer begeistern kann.
  4. Mit den Traditionen einer klassischen Milonga respektvoll umgehen bis man wirklich abschätzen kann, was dahinter steckt – das kann gut und gerne zwei Jahre dauern.
  5. Trotzdem nichts als gegeben annehmen, Regeln wie Gewohnheiten hinterfragen und nur annehmen, was wirklich Sinn macht.
  6. Geduld mit sich selbst haben, wenn die eigene Sicht auf diese Musik wieder mal eine 180-Grad-Drehung gemacht hat.
  7. Einen erstklassigen TJ als Mentor suchen der bereit ist einen so lange zu begleiten, bis man einigermassen flügge ist.
  8. Ein Tangothek aufbauen, die aus wenigstens 400 CDs besteht - aber 800, 1'200 oder mehr CDs sind auch nicht verkehrt.
  9. Daraus ein abwechslungsreiches, breites Repertoire von gegen 2'000 bestens tanzbaren Titeln aller Schwierigkeitsgrade herausfiltern.
  10. Diesen Favoriten eine intelligente Struktur geben, was auf dem Laptop einfacher ist, damit man beim TJ-ing spontan musik-programmieren kann.
  11. Bei der Musik-Programmation sollte der Kern der EdO, die Jahre 1938/48 den Löwenanteil der Titel ausmachen.
  12. Zwei Jahre Konzentration auf die Gran Orquestas der Epoca de Oro - wer dann Lust auf anderes verspürt, hat ein Fundament.
  13. Tag für Tag eine Stunde aktiv Tango Argentino der EdO hören und sich mit diesem kulturellen Erbe aus dem Effeff vertraut machen.
  14. Gehörbildung in irgendeiner Form betreiben, ganz egal ob mittels Buch oder Kurs oder im Kontakt mit einem Tonmeister.
  15. Immer wieder mal ein kompetentes Buch zum Thema professionelle Audio-Technik lesen und/oder versuchen, auch einen technischen Mentor zu finden.
  16. Technische Investitionen langfristig planen und schrittweise machen, was bedingt, dass das Ziel von Anfang an kristallklar ist.
  17. Für daheim eine Musikanlage auf Studioniveau anschaffen, was nicht teuer sein muss, wenn man was davon versteht.
  18. In mobile Technik für Milongas investieren, die es erlaubt möglichst autark von vorhandener Technik vor Ort zu sein.
  19. Viel tanzen, besonders zur eigenen Musik-Programmation, um selbst zu erleiden, was sich gut tanzen lässt und was nicht.
  20. Jede Gelegenheit nutzen, um Erfahrung mit TJ-ing zu sammeln. TJ-ing ist ein Metier für Autodiakten - learning by doing.
  21. Keinerlei Abkürzungen nehmen - wie z.B. diese unsäglichen CD-Sammlungen mit fixfertigen Tandas - sondern von innen heraus an der Aufgabe langsam wachsen.
  22. Nicht vom TJ-ing leben wollen. Seriös betrieben ist TJ-ing eine teure Liebhaberei, deren Unkosten sich kaum durch Gagen decken lassen.
  23. Wer mit TJ-ing Geld verdienen will, veranstaltet am besten eine eigene, grosse und erfolgreiche Milonga, die wöchentlich stattfindet.
  24. TJ-ing an den Nagel hängen, falls der alltägliche Spass daran irgendwann abhanden kommt - es gibt schon genug gleichgültige TJs.
  25. Tag für Tag daran arbeiten, nicht in Routine zu verfallen - das ist der mit weitem Abstand anspruchsvollste Punkt auf dieser lästigen Liste.

Cassiel: Zu 15: Hast Du da eine Empfehlung?

Christian: Es gibt ein anspruchsvolles gutes Buch von Bob Katz, einem der weltweit renommiertesten Mastering Ingenieure, inzwischen in zweiter, erweiterter Auflage bei Focal Press erschienen. Gibt es meines Wissen nur auf Englisch: Mastering Audio - the Art and the Science. Ich musste den Schmöker dreimal lesen um einigermassen auf den Trichter zu kommen. Aber dieses Buch war jede Minute meiner Zeit wert. Und ich werde es wieder lesen.

Cassiel: Du hast viel Zeit, Know-How und Energie in Deine Musiksammlung und in Dein Equipment gesteckt. Kannst Du nach Deiner intensiven Beschäftigung mit Tango-Musik und Wiedergabetechnik überhaupt noch andere DJs genießen? Wie oft hast Du beispielsweise im letzten Monat andere DJs erlebt?

Christian: Au weia, jetzt geht’s ans Eingemachte.

Cassiel: Genau ;-)

Christian: Klar gehe ich an andere Milongas und klar ärgere ich mich öfter mal über das Niveau der Musik-Programmation. Das geht bestimmt vielen TJs so. Mit halbwegs schlechtem Sound kann ich einigermassen umgehen. Aber bei schlechter Musik-Programmation ist meine Toleranzschwelle gering.
Das letzte Mal hat mich ein TJ am 19. September 2009 rundum begeistert. Da hat Thorsten Zörner in Saarbrücken am Festival von Melina Sedó und Detlef Engels in der Johannes-Kirche aufgelegt und der Abend war schlicht und einfach rundum perfekt. Da ist alles zusammen gekommen, was Tänzer sich wünschen können. Wenn ich so einen Abend zweimal im Jahr erlebe, bin ich eigentlich schon zufrieden.
Das letzte Mal hatte ich so einen wunderbaren Abend 2003 an der Zürcher Tangowoche im Schiffbau erlebt, mit 600 Tänzern und Color Tango mit Luciano Jungman am zweiten Bandoneon. Über Orchester / TJ und Tänzer dieser zwei weit auseinander liegenden Nächte hat sich beide Male eine unsichtbare Glocke gelegt und man hat sich gegenseitig hochgeschaukelt, bis der halbe Raum 50 Zentimeter über dem Boden geschwebt hat. Aber eben, solche Moment sind die Ausnahmen, die mich alles andere ertragen lassen.

Cassiel: Zum Abschluss dieser beiden Themenkomplexe muss ich Dich mit einer hypothetischen Frage konfrontieren. Schließlich muss ich Dich für die Leserinnen und Leser greifbar machen: Stell Dir also bitte vor, Du wärest für einen Abend in einer Dir vollkommen unbekannten Stadt. Von einem Freund, der aber gerade nicht in der Stadt ist, weißt Du von zwei Milongas. Ähnliche Besucherfrequenz, ähnliche Umgebungen. Milonga A hat eine sehr gute Anlage und der DJ ist Tonmeister. Nur er versteht vom Tanz nicht soviel; er legt eher unkonventionell auf. Milonga B hat eine 08/15 Anlage, aber einen DJ der in Tandas mit Cortinas auflegt. Für welche Milonga entscheidest Du Dich?

Christian: Was für eine blöde Frage ;-)   B natürlich.

Hier steht der dritte Teil des Interviews

45 Anmerkung(en):

Sophia hat gesagt…

das Interview habe ich gestern abend schon gelesen. Ich habe kaum etwas verstanden. Heute habe ich es ein zweites Mal gelesen und jetzt dämmert mir langsam, was Euch treibt.

Ich hätte ein paar Fragen (und darf die hoffentlich stellen, auch wenn ich keine Expertin bin):

Wie muss ich mir das vorstellen? Kennt Ihr Euch wirklich nicht? Wie kann dann so ein Text nur mit Tippkintakt entstehen. Habt Ihr Euch nicht missverstanden?

Und dann hätte ich noch eine Frage zur äüßeren Kohärenz von Tandas oder der Makrodramatik. Wie funktioneirt das. Das war mir fast zu knapp in der Darstellung. Geht es ein klein wenig ausführlicher?

Und zum Vortrag habe ich auch eine Frage, was meinst Du mit "jeden Tango wie einen Juan D'Arienzo tanzen"? Wie tanzt man z.B. einen di Sarli?

Ich habe jetzt ein wenig Angst, dass ich mich total lächerlich mache mit meinen Fragen.

Tolles Interview!

Raxie hat gesagt…

Moin Sophia,

Du machst Dich nicht lächerlich! Ganz im Gegenteil. Ich bewundere gerade, dass Du Dich schon alle drei Artikel durchgekämpft hast. Mich erschlägt gerade die reine Textmenge. Und wenn ich dann noch Deine Fragen lese - und von all dem noch nie was gehört habe - ... Respekt! Mal schauen, wann ich mich an die Texte traue...

Christian hat gesagt…

Kommentar Teil 1

Hallo Sophia,
warum solltest Du dich lächerlich machen? Ich beantworte gerne Fragen. Und ja, diese Materie ist anspruchsvoll, weil die Subkultur des Tango Argentino ein hochkomplexes Gebilde ist. Nicht ohne Grund erlernen die meisten Tänzer diesen Tanz nicht innert ein paar Monaten.

Zu Cassiel und mir
Cassiel und ich sind uns nie persönlich begegnet. Aber was nicht ist kann ja noch werden. Ich kannte sein Blog natürlich. Er hat auf einem Posting auf yahoogrouos-de/tango-de die Ausschreibung für Argentangos neuen TJ-Workshop gesehen (http://cinema.argentango.ch/tango/pdf/Argentango-TJ-Workshop-Booklet.pdf) und mich kontaktiert, weil er ein Interview mit mir machen wollte. Das Interview ist über den Typo-Chat von Skype geführt worden. Hinterher hat er mir das vollständige Manus per Mail geliefert, damit ich letzte Missverständnisse, Unklarheiten beseitigen konnte. Missverständnisse hat es während des Interviews nicht gegeben. Nur viel Spass und eine ganze Menge Ungeduld, da die verflixte Tipperei Stunden in Anspruch genommen hat.

Christian hat gesagt…

Kommentar Teil 2

Zur Makro-Dramaturgie
Über die Makro-Dramaturgie einer Milonga zu reden bleibt immer ein Stück weit Theorie. Daher gehe ich auf dieses Thema im TJ-Workshop mit konkreten Beispielen und einer Übung inklusive Auswertung ein. Das kann ich in einem Interview unmöglich ebenso verständlich abhandeln. Unter anderem auch, weil der Wissensstand der Blog-Leser vollkommen unterschiedlich ist. Viele sind Tänzer und wenige sind TJs.
Trotzdem will ich versuchen dazu hier zweidrei Bemerkungen zu machen. Jede Tanda transportiert eine andere Stimmung, eine andere Energie, man könnte auch von Farbe, Geschmack oder Geruch sprechen, um das zu versinnbildlichen. Aufgabe des TJs ist es, mit diesen Farben einerseits einen Spannungsbogen über den Abend hinweg zu kreieren der irgendwie harmonisch aber auch ausreichend abwechslungsreich daher kommt. Mit der Abfolge von Tandas erledigt ein TJ aber noch eine zweite, wichtigere Aufgabe. Er behält das Geschehen auf und abseits vom Parkett im Auge und gibt mit seiner Musik-Programmation Gegensteuer, sowie sich was in eine falsche Richtung entwickelt. Wenn die Tänzer sich langweilen, kann er sie mit der richtigen Tanda, dem richtigen Orchester wieder holen. Wenn die Stimmung auf dem Parkett zu hektisch wird und es zu Karambolagen kommt, kann er die Tänzer mit der richtigen Tanda, dem passenden Orchester zurück auf den Boden holen. Tandas sind das Instrumentarium, mit dem der TJ den Abend nonverbal gestaltet. Mittels Tandas kommuniziert der TJ mit seinen Tänzern. Gute TJs haben zudem ein Stück weit einen eigenen Stil und erfahrene Tänzer haben betreffend TJs oft ganz eindeutige Präferenzen. Trotzdem sind gute TJs keine grossen Zampanos. Hier sind Zwischentöne gefragt.

Christian hat gesagt…

Kommentar Teil 3

Zu verschiedenen Interpretationsstilen
Aufgrund von Gesprächen mit alten Porteños und Porteñas weiss ich, dass im Bs As der 30er, 40er und 50er verschiedenste Stile zu tanzen entstanden sind. Ich habe mir erzählen lassen, dass man bei vielen Tänzern an bestimmten Schritten innert Sekunden erkennen konnte, in welchem Barrio [Stadtviertel] sie tanzen gelernt haben. So waren im Norden, wo die Mehr Besseren lebten die Clubs gross und das Gran Orquesta Carlos di Sarli besonders angesagt. Daher haben die Tänzer sich dort mit den Jahren angewöhnt seine Musik in langen Geraden zu interpretieren. Im Süden der Stadt haben Arbeiter gelebt, die Clubs kleiner und das Gran Orquesta Osvaldo Pugliese schon auf Grund seiner politischen Überzeugung - er war Sozialist, seine Formation strikt genossenschaftlich organisiert - besonders angesagt. Hier haben die Tänzer sich mangels Raum angewöhnt, mit vielen Drehungen zu interpretieren.
Dieses soziale Gefälle war natürlich auch im TA Gesprächsthema: So singt Alberto Castillo im Tango "Asi se baile el Tango" mit Gran Orquesta Ricardo Tanturi 1942 und mit seiner eigenen Formation 1946 in köstlich spöttischem Ton: Que saben los Pitucos... / Was wissen die reichen Pinkel ...
Abgesehen von diesen historischen Parallelen finde ich, dass man nicht mal Interpretationen von Juan d'Arienzo und Pedro Laurenz - beide eher schnell und rhythmisch und trotzdem vollkommen verschieden - gleich tanzen soll. Das wäre langweilig. Wenn man dann eine lyrische Interpretation von Anibal Troilo mit einer fröhlichen von Enrique Rodriguez vergleicht sollte vollends klar werden, dass jeder Tänzer mindestens dreivier Tanzstile kultivieren sollte. Dann macht das tanzen sehr viel mehr Spass. Sofia, aber bitte verstehe mich nicht falsch. TA ist ein Prozess und auch ich stecke da mitten drin. An manchen Abend gelingt es mir, diesem Anspruch einigermassen gerecht zu werden. Und an anderen scheitere ich. So ist das (Tango-)Leben.
Manchmal tut es mir als TJ allerdings in der Seele weh, wenn ich zusehen muss, wie viele Tänzer sämtliche Gran Orquestas tanzinterpretatorisch über einen Leisten schlagen. Dann habe ich mich manchmal schon gefragt, ob es nicht reichen würde, wenn ich ein Metronom laufen lasse. Scherz beiseite - zentrale Aufgabe jedes TJs ist es, seine Tänzer immer wieder zu herauszufordern: nicht zu viel, damit sie am Ball bleiben und doch genug, damit sie stetig gefordert sind. Das ist eine Gratwanderung, die nicht immer gelingen kann. Aber wenn sie immer öfter gelingt, steigt das tänzerische Niveau eine lokalen TA-Szene allmählich. Hier liegt die eigentlich Aufgabe den TJs. Ein lustiger Abend ist schnell musik-programmiert. TJs die ihren Tänzern immer nach dem Mund reden, sorgen aber für tänzerische Stagnation.

herzlich - Christian

Anonym hat gesagt…

Ich traue mich jetzt auch einmal, aber nur anonym.

Meine Fragen wären:

1. Kannst Du ungefähr angeben, wieviele vokale und wieviele instumentale Stücke Du während einer Milonga spielst? Oder kannst Du so etwas nicht prozentual angeben? Ändert sich das während eines Abends?

2. Cassiel hat hier in der letzten Zeit deutlich gegen Nontangos geschrieben. Ob es generell war, oder in der speziellen Situation, das kann ich nicht beurteilen.
Wie stehst Du zu Nontangos?

Danke für die Mühen.

cassiel hat gesagt…

Sehe hier gerade kurz die Kommentare. Ich habe leider nur wenig Zeit. Ganz kurz:

Niemand sollte hier eine Scheu entwickeln. Ich kenne Christian als einen sehr gut erklärenden Experten. Ihm ist die Liebe zur Sache und eine richtig verstandene Demut zu eigen.

Es gibt nicht viele Gelegenheiten, einem Könner einmal Fragen stellen zu können.

Also bitte keine Schüchternheit!

Theresa hat gesagt…

Ich bin beeindruckt von diesem Interview und der Tiefe, mit der die Themen behandelt werden. Ich bin selbst seit Jahren DJ (und habe einen etwas anderen Musikgeschmack als Christian), aber was da im 1. Teil des Interviews hinsichtlich Technik besprochen wird, ist für mich teilweise völlig neu und macht mich sehr neugierig. Demnächst werde ich mich mal nach Zürich begeben ....
Vielen Dank, Cassiel und Christian!
Theresa aus München

Christian hat gesagt…

Kommentar Teil 1

Hallo Anomym,

zur Proportion instrumental/vokal
So was ist natürlich Ansichtssache, obwohl ich dazu eine klare Meinung habe, die für mich als TJ in der Praxis bestens funktioniert. Wenn Du dazu zehn TJs befragst, wirst Du 12 Antworten bekommen. Zudem muss ein TJ in dieser Beziehung manchmal auch Rücksicht auf lokale Erwartungen nehmen.
Ich zB lege ganz bewusst genügend vokale Stücke auf, die ich allerdings äusserst sorgfältig auf Tanzbarkeit abgeklopft und abgetanzt habe. Es sind fast immer mindestens zwei Drittel. Das hat mehrere Gründe. Zum einen bieten viele Vokals eine Vielfalt von Möglichkeiten, sie tänzerisch zu interpretieren. Bei einer vokalen Einspielung hat ein Tänzer mehr Möglichkeiten.
Er kann den Takt interpretieren, er kann den Rhythmus interpretieren, er kann ein Instrument, ein Instrumentensolo interpretieren, er kann die Melodie interpretieren und er kann den Sänger interpretieren. Wenn der Tänzer routiniert genug ist, kann er in ein und demselben Stück immer wieder zwischen den verschiedenen Möglichkeiten abwechseln. Und wenn beide Tänzer im Paar routiniert genug sind können sie anfangen, damit zu spielen, anzutäuschen, zuzuwarten, zu spät einsetzen - die Möglichkeiten sind endlos. Klar geht das auch mit Instrumentals. Aber Vocals bieten hier oft mehr Variationsmöglichkeiten, was routinierten, langjährigen Tänzern sehr entgegenkommt.
Betreffend Genre (Tango / Vals / Milonga / Candombe) und Text (instrumental / vokal) arbeite ich fast immer mit einem ausgeklügelten System. Das hier vermitteln zu wollen, würde den Rahmen eines Blogs aber endgültig sprengen. Dafür gibt es Argentangos TJ-Workshop.
Es ist wie alles was ein TJ tut immer auch eine Frage der richtigen Balance. Wenn ein TJ zu viel vokale Stücke auflegt kann es sein, dass weniger routinierte und auf instrumentale Stücke fixierte Tänzer enttäuscht sind und die Milonga früh verlassen. Wenn ein TJ zu viele instrumentale Stücke auflegt kann es sein, dass routinierte Tänzer die schon lange tanzen sich langweilen und die Milonga früh verlassen.

Christian hat gesagt…

Kommentar Teil 2

zu Nonargentango und Nontango, Neotango und Elektrotango
Ich habe da eine klare Haltung, obwohl ich natürlich damit leben kann, wenn mal ein Veranstalter pro Stunde eine Non-EdO-Tanda wünscht. Er muss mir das einfach bereits bei der Buchung mitteilen. Schliesslich bin ich Dienstleister. Aber gerne tue ich das nicht. Für eine Gewichtung, die mehr in die Richtung Non-EdO geht bin ich der falsche TJ. Da gibt es genug andere, die das mit Überzeugung tun. Denn by heart bin ich ein TJ tradicional, basta.
Das bedeutet, dass ich der Meinung bin, dass das Meiste an Non-EdO recht langweilig zum Tango-Argentino-tanzen ist. Oder hast Du schon einmal einen Salsa-DJ gesehen, der einen Foxtrott auflegt und dann erwartet, dass die Tänzer dazu Salsa-Schritte aufs Parkett legen? So was gibt es nur im Tango Argentino.
Die Aufnahmen der EdO bieten dagegen eine unglaubliche, auf Tänzer zugeschnittene Perfektion, die heute kaum mehr beherrscht wird. Tragisch für Tango-Argentino-Tänzer ist in meinen Augen mit dem Computer generierte Musik mit ihren auf die Tausendstelsekunde genauen und damit todlangweiligen Loops und Überlängen von bis zu sechs Minuten, in denen nach 45 Sekunden nichts Neues mehr passiert. Die Gran Orquestas der EdO spielen ständig ein ganz klein wenig mit den Rhythmen, indem sie sie variieren oder sie setzen zB etwas zu spät ein. Beides belebt ungemein und bringt das Blut der Tänzer in Wallung.

herzlich - Christian

cassiel hat gesagt…

Hallo Theresa,

mir wird manchmal vorgehalten, ich sei ein Träumer: Das stimmt! Also lass' mich doch bitte einmal träumen. Du organisierst im kommenden Frühjahr einen Termin in München, an dem Christian seinen 6-stündigen Vortrag über die Musik der Edo hält. Christian ist total nett und offen und ich denke: Das ist überhaupt kein Problem. Vielleicht springt ja noch eine Milonga heraus, auf der ihr Euch das DJ-ing teilt.

Nachdem mir gestern knapp mitgeteilt wurde, daß ich in meiner lokalen Szene nicht mehr auflegen darf (ich biedere mich niemals an, also werde ich zukünftig keinen Fuß mehr auf diese Milonga setzen), werde ich natürlich Eure Veranstaltung hier im Blog bewerben. Und wenn es mir ausgeht, werde ich sogar für das Wochenende nach München kommen.

Ich weiß, das ist ein naiver Traum. Aber: Wer weiß, vielleicht klappt es ja!

Sophia hat gesagt…

W A S ?

... Du darfst nicht mehr auflegen?

Wissen die eigentlich, wen die da herausekeln?

Ich verstehe es nicht.

Falls Du es gerade brauchen kannst: Fühle Dich doch bitte in den Arm genommen.

Ganz liebe Grüße

Sophia

cassiel hat gesagt…

@Sophia

Vielen Dank. Ich möchte dazu aber nicht mehr sagen. Ich gehe mit meiner virtuellen Identität nicht hausieren - insofern wissen die Verantwortlichen wohl nicht, was sie da gemacht haben. Ich werde mich aber gewiss nicht auf dieses Kommunikationsniveau begeben und hier im Detail schreiben, was da eigentlich läuft.

Es wird sich wieder eine Möglichkeit finden und ich kann meine Vorstellung von der musikalischen Gestaltung einer Milonga verwirklichen.

Aurora hat gesagt…

@cassiel
mir ist fast das Herz stehen geblieben als ich eben gelesen habe, dass du in deiner Szene nicht mehr auflegen darfst!
Obwohl mich Details brennend interessieren würden, respektiere ich deine Anonymheit! Und stelle keine Fragen.

Ich weis gar nicht wem ich mehr bedaueren soll: Dich oder deine Szene.

Dir bleibt es unbenommen dein eigenes Ding durchzuziehen oder als Gast-DJ tätig zu sein!

Trotzdem wünsch ich dir ein schönes Wochenden!

eine Tanguera hat gesagt…

@Aurora

Die Verantwortlichen der Szene sind es nicht wert, bedauert zu werden - sie haben Cassiel schlicht weg nicht verdient!

Die Szene ist sich nur bedingt des Verlustes bewußt. Alle diejenigen, die an Cassiels DJ-Abenden anwesend waren, werden sehr genau schauen, wo er Alternativen finden wird, aufzulegen. Und da sind wir dann auch alle!

Und Cassiel? Ein wunderbarer Mann, Tänzer, DJ... vielleicht ist dies es Ereignis ein wichtiger Schritt, sich als DJ tatsächlich auf eigene Beine zu stellen und dann auch entsprechend geschätzt zu werden... das wünsche ich ihm von Herzen!

Lieber Cassiel, lösch den Beitrag gerne, falls er Dir zu persönlich ist. Aber es war mir ein Anliegen.

cassiel hat gesagt…

@Aurora & eine Tanguera

Ich bitte um Verständnis, daß ich nicht in die Details gehe. Scheinbar ist die Mühe, die ich mir mit dem Auflegen gegeben habe, nicht wahrgenommen worden. Ich habe nun immerhin mal knapp 100 Tandas konzipiert viele sind verbesserungswürdig - einige gefallen mir ganz gut. Ich werde niemals in eine Konkurrenz gehen. Ich möchte auch ein Splitting einer kleinen Szene vermeiden. Da werde ich mir jetzt etwas einfallen lassen müssen. Aber es besteht überhaupt kein Grund zur Eile.

Aurora hat gesagt…

@ eine Tanguera

die Verantwortlichen wollte ich nicht bedauern, wenn dann schon die Tangueras und Tangueros der Szene.
Ich geh jetzt mal nicht davon aus, dass es eine demokratische Abstimmung auf der letzten Milonga gegeben hat;-)

@cassiel
schön, dass du deine Szene nicht zersplitten willst. Das kann ich gut verstehen!

Ich will dich ermuntern deine investierten Mühen nicht at Acta zu legen! Sondern weiterzumachen! Und das auf jeden Fall auch in der Praxis!

Theresa hat gesagt…

Hallo Cassiel,

ich bin Träumereien gegenüber sehr aufgeschlossen, aber in diesem Fall kann ich deinen Traum nicht genau erfüllen. Ich mache nämlich in München selbst Musik-Vorträge - genauer gesagt, vor 4 Jahren habe ich über 12 Wochen jeden Montag "Zuhören und Kennenlernen" veranstaltet, wo neben der EdO auch das Vorher (ausführlich) und Nachher (kursorisch) dran war, und schon lange liebäugle ich mit einer Neuauflage. Wobei ich es bisher nur zu einer einmaligen Veranstaltung gebracht habe, aber nun wieder intensiver loslegen will. Wer es genauer wissen will, schaue mal in meine Seite www.tango-theresa.de.

Ich dachte eher daran, mal an einer Veranstaltung von Christian in Zürich teilzunehmen, wo ich eh schon lang mal wieder hinwollte. Aber für dich scheint München näher zu sein als Zürich? Dann merke dir schon mal den 5.1.2010 vor, näheres demnächst auf tango-de.

Entschuldige die Eigenwerbung, war aber in dem Fall unumgänglich.

Theresa

cassiel hat gesagt…

@Theresa

In diesem speziellen Fall freue ich mich über Deine Werbung. Es ist ja eigentlich auch nur ein Hinweis.

Ich wünsche Dir für Deine Veranstaltung herzlichst ein gutes Gelingen.

Generell sollte ich hier vielleicht einmal erklären: Hinweise auf eigene Veranstaltungen, die in den Kontext der Diskussion passen sind erlaubt, ja mehr noch: Sie sind sogar ausdrücklich erwünscht. Aber das klappt hier ja eigentlich sowieso problemlos...

christian hat gesagt…

Hallo Theresa,

die Ausschreibung Deiner umfassenden Vortragsserie vor drei Jahren ist mir auch aus 300km Distanz positiv aufgefallen. Für einen einzigen Termin oder ein Wochenende wären wir womöglich nach München gereist, auch um zu beobachten wie Du das Thema angehst und wie Dein Publikum mitgeht. Aber zwölf Abstecher nach München waren unvorstellbar, zumal wir unsere Kindern nicht so häufig im Tiefkühler deponieren können.
Deine Entscheidung, so viel Information für Tänzer bereitzustellen hat mir gefallen. Und ein ganz klein wenig habe ich Dich damals für Deine lokale TA-Szene bewundert: Tänzer die gewillt sind sich zwölf Abende mehrheitlich sitzend mit der Musik zu beschäftigen zu der sie tanzen sind der Wunschtraum jedes TJs.
Hier war die Resonanz nach einem Strohfeuer eher verhalten. Während zwei Jahren haben wir die Vortragsserie in Zürich fünf Mal ausgeschrieben und jeweils mit 20 bis 30 Tänzern füllen können. Danach hat einmal eine in sich geschlossene Gruppe den Vortrag gebucht, etwa ein Dutzend Tänzer. Und seither ist das Interesse hier in Zürich bescheiden. Es gibt allerdings eine Handvoll Tänzer, welche uns immer wieder nach Terminen fragen.
Als ich den Vortrag erstmals ausschrieb war ich der Meinung, dass so was längst überfällig war und institutionalisiert werden sollte. Da war ich wohl sehr blauäugig. Dass man was von der Musik verstehen möchte, zu der man tanzt schien mir logisch. Der ist hier aber in keiner Weise üblich. Eine ganze Reihe von Tänzer haben mich damals an Milongas in ein Gespräch verwickelt, weil sie partout nicht verstehen konnten, was ich damit bezwecke, respektive wozu so ein Vortrag nützlich sein soll. Ich finde es heute noch schwer, solchen Tänzern höflich aber ehrlich zu antworten und frage mich manchmal ob wir auf dem selben Planeten leben. Meine Partnerin sagt mir dann immer: Geduld Geduld Geduld.
Schade, dass Deine Web Site - http://www.tango-theresa.de - im Moment nicht erreichbar ist. Gerne hätte ich erfahren, was genau Du in München anbietest. Ich wünsche Dir viel Erfolg und falls es Dich mal nach Zürich verschlägt, würde ich mich über eine persönliche Begegnung freuen.

herzlich - Christian

Theresa hat gesagt…

Hallo Christian,

das kommt davon, wenn man nach dem Auflegen sich noch mit einem Glas Rotwein an den Computer begibt. Meine Seite heißt natürlich www.theresa-tango.de.

Bei meinen Musik-Seminaren damals habe ich keineswegs immer den Saal gefüllt. Das Maximum waren etwa 40 Leute, und das Minimum 5 (das war, als ich "Kaufhausmusik" aus den 50er Jahren genauso ankündigte und die Leute schon vorher wussten, dass an dieser Musik mein Herz nicht hängt). Am 30.12.2008 kamen etwa 25 Leute zum Vortrag über die 20er Jahre ("Die rhythmische und melodische Reichhaltigkeit und Spielfreude der ganz alten Tangos
Die Guardia Vieja und die Guardia Nueva 1926-1931"). Anfang Januar mache ich etwas über die 30er Jahre.

Also, es handelt sich um eine absolute Liebhaberei, genau wie bei dir! Übrigens macht Raimund Schlie in Berlin auch solche Seminare.

Ich fahre immer so etwa einmal im Jahr nach Zürich, wo mein Bruder lebt. Das nächste Mal melde ich mich bei dir zum Kennenlernen!

Theresa

yy hat gesagt…

Vielen Dank für dieses informative Interview!

Ich bin hier in meiner lokalen Szene im Moment leider sehr frustriert über das Auflegen, selber aber vom Bessermachen sehr, sehr weit entfernt, ich kann nur zum Ausdruck bringen, was mir warum einen "schönen Abend" (jetzt auf die Musik bezogen) bereitet, nach dem ich erfüllt und wohlig müde nach Hause gehe und was warum nicht.

Man muss sicherlich berücksichtigen, dass sich Leute aus unterschiedlichsten Motiven zum Tango Argentino einfinden, vielleicht besonders in kleineren Szenen, wo man nicht mehrere "Mottomilongas" zur Auswahl hat. Bei mir waren es immer zuerst diese besondere Musik und das Verlangen, mit jemandem / anderen zusammen in gegenseitiger respektvoller Achtsamkeit unsere Körper als "Medium" zu benutzen. Ich suche keinen Lebenspartner, ich will keine sportlichen Figuren oder irgendein Programm abtanzen, ich merke, dass die Musik etwas mit mir tut, das ich auf einer nonverbalen Ebene "befriedigend" umsetzen möchte. Ja, klingt wischiwaschi, aber ihr wisst ja bestimmt, was ich sagen will ;)

Ich habe inzwischen viel Musik gesammelt, aus Platz-, Geld- und Bequemlichkeitsgründen neben CDs hauptsächlich als mp3s.

Da beginnen schon einmal die Probleme:
Nach welchen Kriterien, sortiere ich die Musik?
Ich habe mehrere Sortierungen parallel eingeführt: nach Orchestern, nach Epochen, instrumental, vokal (getrennt nach Sängerinnen und Sängern), natürlich Tango-Vals-Milonga; dann habe ich die für mich zum Tanzen am besten geeigneten in bestimmten Extraordnern (dynamisch, lyrisch, etc.) untergebracht, aus denen ich mir meine persönlichen "Kellertandas" erstelle, zu denen ich bei Gelegenheit hier mit meinem Mann oder einem Freund tanzen kann. Ich benutze z.Zt. winamp und playlists. Aber das System ist trotzdem aufgeblasen und subobtimal :(

Wenn man berufstätig ist, Familie und Verpflichtungen hat, kann man (ich jedenfalls) einfach nicht die Zeit und Energie aufbringen, sich so vorzubereiten, wie es ein "schöner" Abend erfordert. Auch fehlen oft die finanziellen Mittel, um für mehr als ein Laptop und ein Kabel zu sorgen, das an eine bestehende Anlage angeschlossen wird. Man muss ein echter "Freak" sein, dem diese Arbeit ein Bedürfnis ist, oder? Und tiefe Liebe empfinden für alles, was mit dem TA zusammenhängt.
Hier hat gerade niemand die Motivation, glaube ich, sich derart einzuarbeiten und das dann den anderen zugute kommen zu lassen, denn gemeckert wird immer, egal wieviel Mühe sich gegeben wird und reich wird man keinesfalls!

Viele sind - wage ich jetzt einmal arrogant zu behaupten - musikalisch insgesamt ungeübt, sie kennen die Standards als Gesamthörerlebnis, können / wollen sich aber nicht unbedingt selektiv auf z.B. die einzelnen Stimmen einstellen oder erkennen, welche Dynamik eines bestimmten Stückes warum und wie etwas mit den Tanzenden tut. Die Auswahl eines Orchesters und dessen Stücke sind in ihrer Aneinanderreihung nicht egal, argumentiert wird aber: "ich habe doch xx % 'alte' Tangos gespielt" oder "immer nur die ollen Kamellen...". Viele sind vielleicht - durch die langweiligen Radioprogramme und deren Dauergedudel?? - "kurz" gehalten?

Tut mir Leid, wenn ich jetzt zu ungeordnet meine Gedanken aufgeschrieben haben sollte!

Herzliche Grüße!

Raxie hat gesagt…

Olala. Ihr katapultiert einen ja in eine andere Welt!

Vor einem Jahr wußte ich noch nicht mal, wie sich Tango genau schreibt und jetzt weiß ich plötzlich, warum ich zu bestimmten DJs einfach nicht mehr auf die Milonga gehen mag. Das war mir nie so richtig klar. Jetzt weiß ich es.

Der Bauch hört es und das Herz spürt es, wenn nicht mit Leidenschaft und offensichtlich unendlichem Wissen und viel viel Demut aufgelegt wird. Ich bin tief beeindruckt von Euch! Danke für diese wertvollen Einblicke! Andere müssen vermutlich Jahre lang tanzen, bevor sie so tiefe Einblicke so phantastisch "serviert" oder besser "geschenkt" bekommen! DANKE!

B. G. hat gesagt…

Ich traue mich ja gar nicht, noch eine inhaltliche Frage zu stellen. Christian, kannst Du auch kurz antworten?

Könntest Du einmal (wirklich ganz kurz) Deine Gedanken zum Unterschied im Auflegen für eine kleine Milonga (20-40 Paare) im Vergleich zu einer großen Milonga (deutlich über 100 Paare) skizzieren?

Vielen Dank vorab!

christian hat gesagt…

Hallo Caren42,

so wie ich das sehe, hast Du mit dem was Dir durch den Kopf geht längst einen Prozess angestossen, der seinen Weg finden wird: frustriert aber vom Bessermachen weit entfernt ist eine realistische Einschätzung und damit eine gute Ausgangsbasis für nachhaltige Entwicklung ohne präpotente Selbstüberschätzung. Solche Gimpel haben wir im TA schon genug. Zu erkennen was nicht stimmt ist oft schwieriger als der daran anschliessende, vielleicht länger dauernde Prozess des Veränderns. Darum finde ich, dass Du auf gutem Weg bist. Auch ich bin doch nach wie vor auf dem Weg und keineswegs angekommen. Denn genau das ist das Spannendste überhaupt am TA. Dass es zwar ein Ziel gibt aber keine Ankunft, weil sich immer wieder neue Horizonte auftun.

Merken, dass die Musik was mit Dir tut ist mehr als viele von sich sagen können, die von alten Tangos und ollen Kamellen faseln, weil sie vom Dauergedudel auf UKW weichgespült sind. Lass Dich nicht verunsichern von solchen Kommentaren. Hör auf Deine Intuition im Umgang mit den Einspielungen der EdO und lass Dir dabei Zeit. Spielt es eine Rolle, ob Du zweidrei Jahre brauchst, bis sich Dir das atemberaubende Repertoire der besten 25 Gran Orquestas der EdO in seiner ganzen Vielfalt erschliesst? Lass Dir nicht einreden, dass es eilt.

Die Frage nach der für TJs passenden Struktur einer Tangothek ist nicht in einem Blog zu beantworten. Ich habe eine Struktur entwickelt, mit der ich spontan arbeiten kann. Und die vermittle ich neben vielen anderen Aspekten in Argentangos TJ-Workshop. Hier gibt es aber kein richtig und falsch. Andere TJ arbeiten mit ganz anderen Lösungen bestimmt ebenso erfolgreich, weil die für sie passender sind. Vielleicht musst Du einfach noch etwas Geduld haben mit Deiner Struktur, bis alles an seinen Platz fällt. Und wenn nicht, dann fängst Du eben nochmals von vorne an.

Betreffend Technik habe auch ich nicht mit einer fixfertigen Lösung begonnen, obwohl daheim bereits eine gute Anlage stand. Es hat mehrere Jahre gedauert, bis das heutige Setup gefunden und angeschafft, optimiert und alltagstauglich war. Wichtig ist, dass Du irgendwo startest, am Ball bleibst und sicherstellst, dass Du Fehlkäufe vermeidest, damit Du nicht immer wieder von vorne beginnen musst. Denn das kann teuer werden.

Dem Spannungsfeld TA versus Rest des Lebens sind alle TA-Macher mehr oder weniger ausgesetzt. Die Entscheidung einzusteigen oder es sein zu lassen kannst nur Du treffen. Und ich behaupte jetzt mal ganz frech, dass Du die längst getroffen hast, Dir das aber noch nicht eingestanden hast. Freak muss frau sicher nicht sein. Aber sie sollte den TA lieben. Und da sehe bei Dir nun wirklich keinerlei Hindernisse. Es gab mal eine saudumme Light-Produkte-Werbung in der Glotze: Du darfst - das trifft auf Dich und TA zu.

herzlich - Christian

Chrisitan hat gesagt…

Kommentar Teil 1:

Hallo B.G.,

es heisst, in der Kürze liegt die Würze. Leider ist das nicht unbedingt mein Ding. Zudem stellst Du keine Frage, die sich mit ja oder nein plus einzwei Sätzen beantworten lässt.

Für mich gibt es zwei Kennzahlen für Einschätzung einer Milonga. Die eine ist die Zahl aller Tänzer. Und die andere ist der prozentuale Anteil an Stammgästen. Irgendwo zwischen 80 und 100 Tänzern verläuft eine unsichtbare aber mächtige Grenze, der sich nur wenige Milongas mit mehr Gästen zu entziehen vermögen. Die, denen das gelingt, verdanken das meist liebenswerten Gastgebern und bemerkenswerten TJs.

Je mehr Stammgäste eine Milonga hat, desto überschaubarer bleibt sie weil man sich kennt und ein Stück weit Sorge trägt; desto schwerer ist es aber als Aussenstehender Zugang zu finden. Bis zu 80 Personen kann eine Milonga problemlos familiären Charakter bieten, was regelmässigen Besuchern das Gefühl gibt, hier daheim zu sein. Zudem ist hier das Auffordern per Cabeceo auf Grund der Raumgrösse meist kein Problem, falls die Beleuchtung nicht zu geizig ausfällt. Unabhängig von der Gästezahl braucht es für eine familiäre Milonga mindestens 30, besser 40 % Stammgäste. Wenn Du als TJ an so einer Milonga regelmässig auflegst hast Du den Vorteil, dass Du mit vielen Tänzern schon mal ein paar Worte gewechselt und/oder schon getanzt hast. Das weckt persönliche Sympathien und öffnet Türen, die manches auffangen. Das macht als TJ Spass, und ein gutes Dutzend Augenzwinkern von beiden Rollen pro Abend ist keine Seltenheit. Offen gezeigte Sympathie ist was Schönes.

Chrisitan hat gesagt…

Kommentar Teil 2:

Bei 120 oder mehr Tänzern kommen die meist aus verschiedenen TA-Subszenen einer Metropole oder mehreren lokalen TA-Szenen einer Region zusammen. Oft bilden sich daher Fronten, die ziemlich undurchdringlich sein können. Die Gefahr, dass es dabei zu mehr oder weniger subtilen Konfrontationen bis zu Karambolagen auf dem Parkett kommt ist gross, zumal schon einzwei Chaoten betreffend Tanzrichtung und -fluss ausreichen, um eine ganze Tänzergemeinschaft in Unruhe und Hektik zu versetzen, die noch vor einer halben Minute im Siebten Himmel geschwebt hat.

In Bezug auf das Auflegen haben beide Exponenten Vor- und Nachteile. Kleine Milongas sind meist leichter zu steuern und zu motivieren. Sie können aber auch festgefahren sein betreffend Epoche, Stil, Repertoire-Breite, Anteil vokaler oder instrumentaler Aufnahmen. Grosse Milongas bieten oft mehr Freiheit bei der Musik-Programmation, weil das Publikum heterogener ist. Dafür ist es schwieriger, hier alle Tänzer unter einen Hut zu bekommen bis aus den vielen verschiedenen Paaren auf dem Parkett eine beschwingt aber harmonisch agierende Gruppe wird.

Milongas mit einer Dauer bis zu drei Stunden sind anspruchsvoller. Hier ist es schwierig vielfältig zu musik-programmieren, weil drei Stunden oder weniger nicht reichen, um das ganze EdO-Spektrum zu Wort kommen zu lassen. Milongas mit einer Dauer bis zu sechs Stunden sind in dieser Beziehung dankbarer, weil es möglich wird, die ganze Bandbreite aufzulegen und damit alle Geschmäcker zufrieden zu stellen. Meine Favoriten sind Milongas ab vier Stunden Dauer, vorausgesetzt es sind genügend Tänzer da. Sonst ziehe ich Milongas mit kürzerer Dauer vor, damit sich die wenigen Tänzer konzentrieren.

Je grösser eine Milonga ist, desto wichtiger wird es, dass es zwischen den Tänzern eine stillschweigende Übereinkunft betreffend Milonga-Etikette gibt. Fehlt die, weil der Veranstalter nicht bereit ist, die notwendige Aufklärungsarbeit zu leisten und auch mal ein Exempel zu statuieren, wird auf Dauer kaum Harmonie aufkommen - ganz egal, wie gut ein TJ ist. Auf Argentangos Web Site gibt es eine ganze Reihe von PDF mit Texten aus unterschiedlichsten Quellen, die sich mit diesem Thema auseinander setzen:
http://cinema.argentango.ch/tango/pdf.htm

herzlich - Christian

Theresa hat gesagt…

Ich bin zwar klangtechnisch ein Waisenkind gegenüber Christian, aber für mich ist ein wichtiger Unterschied zwischen großen und kleinen Milongas, dass man auf großen Milongas subtilere Musik, bei der man hinhören muss, und Musik mit problematischer Klangqualität nicht auflegen kann, weil die Stimmen der Leute so einen hohen Hintergrunds-Lärmpegel machen. Deshalb spiele ich z.B. Musik von meinem geliebten de Caro nur auf kleineren Milongas, und überhaupt lege ich lieber auf kleineren Milongas auf wegen der Intimität mit den Tänzern, die Christian erwähnt hat.

Allerdings sind meine eigenen Milongas manchmal kleiner, als mir lieb ist, aber das ist ein anderes Problem.

Theresa

Anonym hat gesagt…

Welch phantastische Plauderei im Internet! Ich bin begeistert! Ich dachte bislang immer, das Thema Musik und DJ-ing sei trocken und langweilig. Ich habe mit großem Interesse hier alles mehrfach gelesen - nein, ich habe es inhaliert. Christian, Du bist ein toller DJ. Ich werde versuchen, Dich hier für den nächsten großen Ball als DJ vorzuschlagen. Cassiel, wer bist Du eigentlich? Und welche Motivation hast Du, der Tangogemeinde solche Schätze zu schenken? Auch bei Dir möchte ich mich herzlich bedanken. Irgendwo in dieser Diskussion hat ein Volltrottel geschrieben, Du hättest ja "nur Fragen gestellt". Hat dieser Zeitgenosse wirklich so wenig Hirn? Die ganz großen Interviewer nehmen sich komplett zurück und lassen ihrem Gesprächspartner die Bühne. Sie wissen aber immer, worum es gerade inhaltlich geht. Das ist die ganz hohe Schule. Ich bin schwer beeindruckt und begeistert.

DANKE

Anonym hat gesagt…

Es ist zu viel Text! Ich habe keine Lust, mir über Tango solche Gedanken zu machen. Mir ist der Tanz viel wichtiger. Ich kann auf (fast) jede Musik tanzen - das macht mir sogar Spaß. Tandas? Die gehören nach Buenos Aires, aber nicht nach Westeuropa. Und ich mag die qualitativ miserablen Aufnahmen wirklich nicht mehr hören. Ich finde diesen Beitrag gefährlich, er lenkt Anfänger in die falsche Bahn.

Nur meine Meinung.

Anonym hat gesagt…

@Anonym: Zu viel Text? Legst Du ein Lineal an den Bildschirm an und mißt nach?

Es zwingt Dich doch keiner, es zu lesen. Im Internet gibt es Millionen YouTube-Tango-Clips-Blogs, die Dir genau jene Oberflächlichkiet liefern, nach der Du anscheinend suchst - warum suchst Du Dir ein Blog aus, welches das Plaudern, also den gepflegten, eingehenden, anhaltenden Autausch bereist im Titel trägt?
Übrigens, „nur meine Meinung“: wie ich diesen Satz liebe: ist Leuten wie Dir schon mal aufgefallen, daß wir alle hier „nur unsere Meinung“ kundtun? Ist das irgendeine EU-Verordnung, von der ich nichts weiß, laut der man die Inhaltsstoffe eines Kommentars deklarieren muß? Vielleicht sollte ich anfangen, unter meine Kommentare Säze wie "Heute ist Mittwoch" oder "Ich bin ein Mensch" drunterzuschreiben.

Interessanter hätte ich gefunden, wenn Du Deine absurde Behauptung, Tandas gehörten nicht nach Westeuropa, auch sachlich begründetest. Wie steht's eigentlich mit Nordamerika, Japan und dem Rest der Welt, wo Tango getanzt wird - sind Tandas Deiner Ansicht nach da auch deplaziert?

cassiel hat gesagt…

@elbnymphe
Vielen Dank!

@vorletzter Anonym
Ich bedanke mich (vermutlich auch in Christians Namen) für die anonym überbrachten Blumen. ;-)

@letzter Anonym
Schade, daß Du Dir kein Pseudonym gewählt hast. Ich habe hier häufiger darum gebeten und für meine Begriffe ist es eine Frage der Höflichkeit. Oder willst Du keine Antwort?

Ich versuche einmal auf Deine Argumentation einzugehen und eröffne meine Gedanken mit einer Frage: Wenn die Musik egal ist, warum tanzt Du Tango? Jazz-Dance oder Kontakt-Improvisation wären doch ebenso OK.

Die Gefährlichkeit des Beitrags sehe ich überhaupt nicht. Im Gegenteil: Christian hat sehr viel über die Geschichte des Tangos und der Aufnahmen erzählt. Das finde ich wichtig.

Zu den Tandas: Neben einem guten und gastfreundlichen Klima auf einer Milonga gehört eben auch eine einfühlsame musikalische Gestaltung. Im Tango hat sich durchgesetzt, daß 3 oder 4 Stück mit einem ähnlichen Charakter und einer inneren Logik in Folge gespielt werden. Christian nennt das Mikrodramatik, ich nenne das innere Kohärenz; verschiedene Begriffe für die gleiche Idee. Vielleicht habe ich es nicht geschafft, aber ich habe hier einen Versuch gemacht, die emotionale Situation zu beschreiben. Besser kann ich es nicht.

Falls Du noch einmal schreibst, dann bitte ich Dich herzlich, Dir ein Pseudonym zu wählen. Das macht die Diskussion einfacher.

Anonym hat gesagt…

Und ich will trotzdem keine Tandas. Ich kann wunderbar ohne sie leben. Ich will auch keine depressive Gefühlsduselei auf Milongas, ich will mich schließlich amüsieren. Ich will auch mal lachen und mich normal mit Menschen unterhalten.

Die alte Musik ist mir (neben der qualitativen Beschränkung) einfach zu schwermütig. Ich bin doch kein Terapeut!

cassiel hat gesagt…

Hallo Anonym,

sag' doch bitte, bist Du auf Milongas genauso rücksichtsvoll wie hier?

Ich hatte Dich um die Wahl eines Pseudonyms gebeten. Das war Dir wohl schon zu anstrengend. Ich habe den Verdacht, Du hast manchmal leichte Schwierigkeiten, die Bedürfnisse Deiner Umgebung wahrzunehmen. Mir kam die Wortfolge ich will in der Häufigkeit zu massiv vor. Für meine Begriffe gibt es einen sehr weiten Bereich zwischen Rücksichtnahme und dem (fremden) Erschleichen therapeutische Leistungen.

Soll ich Dir ein Geheimnis verraten? Mir sind auf Milongas manche Mitmenschen einfach zu laut. Das hat kaum etwas damit zu tun, daß man nicht auch einmal fröhlich sein kann. Wenn aber jemand dauerhaft die Lautstärke seiner Stimme nicht der Umgebung anpassen kann, dann finde ich das schwierig. Und außerdem sind wir nicht in einer Talk-Show, in der es um die Eigenvermarktung geht. Ein wenig Sensibilität ist schon angebracht.

Tandas sind für mich eine Aufmerksamkeit den Gästen gegenüber. Anders kann ich es nicht mehr beschreiben. Und die Musik der EdO ist sehr komplex. Da kann ein modern durchproduziertes Pop- oder Rockstück einfach nicht mithalten. Das ist aber höchst subjektiv, man muß sich vielleicht angstfrei darauf einlassen können, dann erschließt sich einem der Reichtum dieser Titel.

Schreib' doch bitte noch einmal, wenn Du weitere Anmerkungen hast. Und vielleicht findest Du für Deinen nächsten Beitrag ein Pseudonym. Danke.

Theresa hat gesagt…

Und wer pauschal behauptet, die traditionelle Musik sei schwermütig und depressiv, hat wohl noch nie hingehört bei d'Arienzo, Donato, Lomuto und vielen mehr.
Theresa

Peter hat gesagt…

zum tango gehören nun mal cabecceo, mirada, tanda und noch ein paar andere "regeln" die sich seit jahrzenten bewährt haben.

für spasstangueros und alle die sich nicht an die bewährten milongaregeln halten wollen oder können gibts eine ganz einfache lösung ...

bleibt weg...

Peter

Apfelmus hat gesagt…

@ Anonym
Wenn du die alte Musik nicht magst, die nun mal einen nicht gerade unerheblichen Bestandteil des Besonderen am Tango argentino ausmacht, dann geh doch bitte in die Disco oder sonstwohin, wo du davon nicht belästigt wirst. Wir mögen das Geschrammel halt (nicht nur zum Tanzen, sondern auch zu Hause, im Auto, beim Kochen, usw.) Ich denke, das wird für alle die beste Lösung sein.

Austin hat gesagt…

Hallo Christian,

wie die meisten anderen Kommentatoren bin auch ich tief beeindruckt. Da kann man wirklich eine Menge lernen. Respekt.

Umso mehr freut mich, dass Du etwas auf dem Punkt gebracht hast, was mir aus der Seele spricht, nämlich dass elektronische Tangos mit immer gleichen Loops und computergenerierten Beats meistens (es gibt Ausnahmen) schlicht langweilig sind und keine tänzerische Phantasie freisetzen. Ich bin regelmäßig verzwiefelt, wenn ich bei so einer Nummer auf der Tanzfläche bin, denn mir fällt da beim besten Willen nichts dazu ein, meine Körperspannung bricht zusammen und es ist eine Riesenanstrenung, den Tanz in Würde zu Ende zu bringen. All das, was bei guter Musik von alleine geht, muss da künstlich hervorgebracht werden. Und da werden 6 Minuten sehr, sehr lang.

Das gilt meiner Ansicht nach übrigens für jede Art von Tanzmusik: handgespielt groovt einfach ganz anders als computergeneriert. Ich habe keine Ahnung, woran das liegt, denn eigentlich bemühen sich die Musiker ja, möglichst präzise zu spielen und Profimusiker sind da ja auch erstaunlich gut drin. Aber irgendwie ist es ein Unterschied. Was glaubst Du, woran liegt das?

cassiel hat gesagt…

@Austin

Darf ich es einmal probieren, obwohl Du eigentlich Christian gefragt hast?

Ich hole mir einen Vergleich aus dem visuellen Bereich. Man kann heute im Computer ein Bild einer weißen Porzellanvase vor schwarzem Hintergrund rechnerisch generieren - das ist mittlerweile überhaupt kein Problem mehr. Man kann sogar die Lichtreflexe in der Glasur rechnen lassen. Das Bild wird (trotz aller Anstrengungen) immer als artifiziell entlarvt werden. Es fehlen die Fehler (ob nun herstellungs- oder materialbedingt); das kann eben nicht gut gehen. und im echten Leben empfinden wir z.B. Gesichter, die einen Fehler (z.B. einen Schönheitsfleck o.ä.) haben, als viel attraktiver. Da irgendwo liegt auch die Erklärung für die Frage nach der elektronischen Musik. Die ist einfach, komplett fehlerfrei... Wobei man eigentlich nicht den Begriff Fehler benutzen darf. Es ist die Seele des Musikers... da fehlen dann vielleicht mal ein paar Hundertstel-Sekunden, es gleicht sich zwar wieder aus und summiert sich eben nicht auf, aber die Eigenart des Musikers bleibt.

Christian hat gesagt…

Kommentar Teil 1

Hallo Austin,

ich finde Cassiels Antwort auf Deine Frage treffend, möchte dem aber weitere Blickwinkel hinzufügen. Klar hast Du recht Austin: von Menschen anstatt Computern gespielte Musik klingt so lebendig weil sie hinter dem Komma immer und davor oft genug nicht mathematisch korrekt gespielt ist. Dahinter stecken in meinen Augen zwei Ursachen.

Einerseits spielt menschliche Unvollkommenheit hinein. Geschöpfe aus Fleisch und Blut können den Takt nicht wie Computer auf drei Stellen hinter dem Komma halten, was auch gut so ist, weil das Musik wie Du selbst sagst langweilig, sprich charakterlos macht. Kürzlich habe ich in diesem Zusammenhang aus erster Hand von einer kafkaesken Begebenheit gehört. Das Spiel eines herausragenden Musikers Persischer Klassik wurde von elektronisch erzeugten Beats untermalt. Der Musiker hat wie immer mit den für spannende Interpretation nötigen Tempovariationen gespielt. Der Macher der Beats per Computer war damit natürlich vollkommen überfordert. Also hat er den Musiker immer und immer wieder aufgefordert, gefälligst das Tempo zu halten. So was passiert, wenn Technikgläubigkeit als Diktator auftritt und niemand kapiert was abläuft.

Andererseits war es für die Berufsmusiker der EdO üblich, mit diesem Element spielerisch umzugehen. Manchmal war das bereits im Arrangement angelegt, als akustische Täuschung. Meist hat sich das aufgrund mehrerer Instrumente für eine Stimme ganz von allein ergeben. Oft variiert das Orchester das Tempo ganz bewusst im Rahmen von ein oder zwei starken Schlägen pro Minute. Und bei Milongas kann diese Tempobandbreite bis zu sechs starke Schläge umfassen.

Christian hat gesagt…

Kommentar Teil 2

Als Nichttontechniker und Nichtmusiker bin ich dieser Raffinesse erst mit der Zeit auf die Spur gekommen. Da ich bis heute keine Software gefunden habe, die in der Lage ist das Tempo bei Tango Argentino präzis zu ermitteln, habe ich irgendwann damit begonnen mit einem Tool wie zB iTunes-BPM das Tempo eines Stücks manuell zu erklicken. Ich klicke die starken Schläge für 20 bis 30 Sekunden mit und übernehme das Resultat dann in iTunes. Eigentlich ein schrecklich langweiliger Job in dem ich auch noch eine ziemliche Flasche bin. Aber da war mehr.

im Zusammenspiel
Ich habe entdeckt, dass die Musiker der EdO kaum das Ideal eines Metronoms im Kopf hatten. Da wird fast pausenlos minimal beschleunigt und wieder abgebremst. Dieses musikalisch feinmotorische Element entsteht vermutlich im spontanen Zusammenspiel aus der inneren Logik der Komposition, respektive des Arrangements heraus. Lange habe ich allerdings geglaubt, meine Unfähigkeit ein Tempo sauber zu klicken sei die Ursache. Erst bei der Analyse von Milongas wurde mir klar, dass die Musiker das Tempo tatsächlich variieren. Und manchmal gehen sie dabei ganz schön raffiniert vor. Die Melodie suggeriert eine Tempovariation in die eine Richtung aber das Tempo wird in die andere Richtung verändert. Könner eben.

in den Noten
Manchmal sind Tempovariationen lediglich simuliert. Shusheta von di Sarli von 1941 ist dafür ein gutes Beispiel. Die Aufnahme variiert zwischen 68 und 70 bpm - nur starke Schläge gezählt. Aber es gibt Passagen (zB nach 7 und 62 Sekunden), in denen man den Eindruck hat, das Tempo würde um mindestens 10 bpm reduziert obwohl das Tempo gehalten wird. Schlicht Genial. Oder Violetas mit Castillo von 1948 (eigenes Orchester, nicht Tanturi), bei diesem schnellen Vals hat man gegen Ende des Stücks das Gefühl, das Tempo steigt stetig an. Stimmt aber nicht. Castillo packt einfach immer mehr Worte in gleich viele Schläge. Erst ganz am Schluss zieht das Tempo überraschend tatsächlich an, und wie. Mir ist es noch nie gelungen, da tänzerisch präzis mitzuhalten. Tanzspass pur.

Gran Orquestas
Die Formationen der EdO waren Gran Orquestas, die argentinischen Pendants der Big Bands des Jazz in den USA (die klassische Besetzung bei BBs sind 17 Musiker). GOs bestanden meist aus zehn bis 16 Musikern was bedeutet, dass meist vier bis fünf Bandoneon wie Geigen spielten. Wenn das Arrangement zB zwei Bandoneonstimmen vorsieht, dann wird jede Stimme von mindestens zwei Instrumenten gleichzeitig gespielt. Die kleinen Unterschiede die sich dabei bei Instrumenten derselben Stimme ergeben, machen den Sound voller, reicher.

Christian hat gesagt…

Kommentar Teil 3

Das ergibt diesen fetten Sound der EdO, der heute höchstens elektronisch simuliert werden kann, wie das im Pop/Rock-Bereich seit Jahrzehnten praktiziert wird. Mittels Mehrspurtechnik werden Instrumente gedoppelt, sprich mehrfach aufgenommen (hintereinander und oft derselbe Musiker, was natürlich nicht dasselbe Resultat bringt wie mehrere Musiker). Zudem ist sowas immer eine Kopie die schlechter klingt, weil die natürlich Rauminformation einer live aufgenommenen Formation fehlt und künstlich erzeugt werden muss. Die Geräte dafür sind inzwischen unglaublich gut. Leider sind Mastering Ingenieure, die daraus ein Optimum rausholen selten. Meist liegt der Fokus heute auf möglichst laut und das klingt schrecklich, ermüdet die Ohren innert Minuten.

Zudem gibt es Musiker wie zB Aniceto Rossi, der 30 Jahre lang für Osvaldo Pugliese am Kontrabass stand - nach dessen Pensionierung übernahm übrigens sein Sohn diese Position. Aniceto Rossi ist bekannt für seine schaukelnden Beats, ein Markenzeichen von Puglieses Formation.

Unter anderen auch aus all diesen Gründen sind EdO-Aufnahmen für uns Tänzer so faszinierend. Wenn wir uns dafür empfänglich machen, stimmt unser Körper sich ganz von allein auf diesen musikalisch vollkommen unvollkommenen Morse-Code ein und das macht unser Tanzen erst spannend, weil wir uns nicht mehr mit roboterhafter Präzision bewegen müssen, was wir sowieso nicht können. Ausserdem können auch wir Tänzer unseren Teil zu diesem Spiel beitragen und damit das spielerische Element steigern. Es macht zB Spass, als Führender den Impuls für die Folgende immer wieder mal ein Quentchen zu spät zu setzen und auch entsprechend zu gehen, weil gute Folgende auch auf die Musik hören und auf Grund meiner Verzögerung mit erwartungsvoll gesteigerter Konzentration reagieren: Geht er, geht er nicht, au weia jetzt geht er doch, verflixt oder auch mal endlich und vielleicht sogar wie schön - spannend ...

herzlich - Christian

Austin hat gesagt…

Lieber Christian,

vielen Dank für diese Ausführungen. Bin erneut beeindruckt.

Zwei Anmerkungen:

Jeder Musiker, der mal mit Metronom geübt hat, kennt das: Je mehr Spannung die Musik hat, umso mehr hat man den Drang, zu "laufen", also zu beschleunigen. In einer Phase zunehmender Spannung das Tempo zu halten, das macht aber den Groove aus.

Und zweitens: ich haben mal gelesen, dass Wilhelm Furtwängler zum Thema Timing in der Musik der Meinung war, dass Noten in einer Partitur nicht mit der GRÖSSTMÖGLICHEN Präzision gespielt werden sollten, sondern dass der ideale Klang einer Note der ist, der sich ergibt, wenn die Musiker diese Note zu dem VON IHNEN FÜR RICHTIG GEHALTENEN Zeitpunkt spielen. Bei seinen Berliner Philharmonikern war das wahrscheinlich immer noch ZIEMLICH GLEICHZEITIG, aber interessant ist, dass er diese minimalen individuellen Abweichungen der Musiker untereinander für ein wesentliches Element der Musik gehalten hat, und das wollte er nicht "wegproben". Diese Meinung ist zwar nicht unwidersprochen, aber sie ist doch eine ziemlich gewichtige Meinung für das menschliche Element in der Musik!

Gruß, Austin

Thomas hat gesagt…

Ich bin tief beeindruckt, einen Ort der niveauvollen Tangoplauderei gefunden zu haben.
Cassiel, Christian, herzlichen Dank für euer Interview. Ich persönlich fühle mich nun in meiner Ahnung bestätigt, warum viele mp3s auf meiner HD einfach schlecht klingen. Mit der Konsequenz, dass ich nun nochmal kräftig in die Originale investieren werde und mp3-Schenkungen nur zur Orientierung verwende.

Da ich selbst immer auf die Anlage der Veranstalter angewiesen bin, habe ich es mir schon lange angewöhnt, einzelne Stücke während der Milonga klanglich zu optimieren. Wofür drei Klangregler aber zu wenig sind.

Die Begeisterung für die EdO ist deutlich zu spüren und ich teile sie. Es ist eine Freude, die Instrumente und Klänge herauszuarbeiten, auch wenn ich das nur mit Klangreglern kann.
Zu Neo muss ich aber innerhalb der hiesigen Diskussion doch etwas anmerken: Es ist sicher möglich mit Computer langweilige, artifizielle Musik zu machen. Es gibt schlechte Beispiele ohne Ende, nachdem Motto "Nimm nen Gardel und lass nen Tangoloop drüberlaufen" Man kann aber auch mit Bits & Bytes künstlerisch arbeiten. Was Neo angeht, so spüre ich bei Otros Aires viel Leben, auch bei "Dada Tango" in ihren Konzerten.
Allerdings: Ich würde es sehr wohl Tango bezeichnen, nicht unbedingt "Tango Argentino". Und die unklare Verwendung der Begrifflichkeiten, sie müssten immer wieder gut diskutiert werden, es entstehen die gelegentlich schwierigen Diskussionen.

Ja, und dann sind die Tänzerinnen, die nach dieser energiereichen Musik suchen, sie verlangen und letztlich aufsaugen. Warum sollte ich mich ihnen verweigern? Sie wissen, dass ich es nicht tu, und diese Klarheit gegenüber der Szene halte ich für wichtig.

@Austin, da du Furtwängler zitierst, hänge ich gleich mal seinen Schüler Sergiu Celibidache dran. Er verweigerte zu Lebzeiten jede Plattenaufnahme, da er der Überzeugung war, dass
- ein Musikwerk im Hier und Jetzt entsteht, Dirigent und Orchester sind Ausführende des Geistes des Komponisten
- das Musiktempo im Konzertsaal ist nicht reproduzierbar, schon gleich gar nicht aus der Konverse Schallplatte

cassiel hat gesagt…

@Thomas

Wie schön Du schreibst. Vielen Dank für die virtuellen Blumen. Ich bin beim Lesen des Interviews immer wieder neu beeindruckt, was da für ein Werk entstanden ist. Keine Sorge! Ich werde jetzt nicht größenwahnsinnig. Zu einer umfangreichen Vorbereitung kam einfach das nötige Quäntchen Glück und der Wille bei Christian und mir, etwas Substantielles zu erschaffen. Ich betrachte das als Geschenk und bedanke mich auch noch einmal ganz herzlich bei Christian für all seine Mühen.

Zum Thema "Aufnahmen" möchte ich Deinem Beispiel von Sergiu Celibidache hier einmal Glenn Gould gegenüberstellen. Der hat in den letzten Jahren seines Lebens nur noch Studioaufnahmen gemacht. Man kann es also so oder so sehen.

Zum Thema Neo- bzw. Non-Tango möchte ich vielleicht noch einmal anmerken, ich bin kein fundamentaler Gegner dieser Musik. Mich nervt nur das gedankenlose abnudeln dieser Musik. Ich habe es in meiner mehrjährigen Tangokarriere genau zweimal erlebt, daß Neo- bzw. Non-Tangos ganz sensibel aufgelegt wurden.

Mittlerweile drehe ich durch, wenn einen Abend lang immer die gleiche Musik läuft. Habe ich mich auf eine Richtung eingestellt, dann kommt das nächste Stück mit einem ganz anderen Charakter. Das ärgert mich. Für mich ist das eine Respektlosigkeit gegenüber der Musik.