Freitag, 13. November 2009

Tangueros zum Abgewöhnen IV: Timo, der Tai-Chi Tänzer

Er gehört zweifelsohne einer sehr kleinen Spezies an und die Eingruppierung dieser Gattung gestaltet sich äußerst schwierig. Manchmal tarnt sich Timo auch als Zacharias, der Zen Tänzer oder er tritt als Charlie, der Qi-Gong Tänzer auf. Letztlich erkennt man ihn aber immer.

Timo hat etwas mönchisch Strenges. Seine Bewegungen sind äußerst akkurat; es wirkt oft so, als würde er tagelang vor dem Spiegel nur den perfekten Bewegungsablauf einstudieren. Dieser asketisch durchtrainierte Bewegungsablauf wird vollkommen unaffällig durch die Wahl der adäquaten Bekleidung wirksam in Szene gesetzt. Timo kommt zur Milonga wie zum Kung-Fu Training. Eine fast gerade geschnittene Hose (vorzugsweise aus einer leicht glänzenden Kunstfaser... ähem... Entschuldigung: Eine Funktionstextilie natürlich), die unten dann doch etwas weiter wird - gerne geschmückt von martialisch wirkenden asiatischen Stickereien (hoch im Kurs sind Drachen in allen Variationen).

Der gestählte Oberkörper wird von einem maßgeschneiderten T-Shirt umhüllt. Hmmm... das Wort "umhüllt" ist irreführend, das T-Shirt zeigt mehr, als daß es etwas verhüllen würde. Die muskuläre Brust ist deutlich wahrnehmbar - kein Gramm Fett. Praktischerweise wird auch seine wichtigste erogene Zone, die männliche Brustwarze perfekt inszeniert.

Timo hat immer einen super-korrekten Haarschnitt (wahrscheinlich geht er jeden zweiten Tag beim Friseur vorbei) und er ist äußerst diszipliniert.

Das alles würde sich ja noch innerhalb der breit gesteckten Toleranzen einer Milonga bewegen, wenn er nicht jede Tanguera auf artistische Distanz halten würde. Als Beobachter fragt man sich, welche Frau müsste vorbeikommen, damit er seine strenge äußere Haltung einmal vergisst und einfach nur den Augenblick genießt. Gelegentlich schaut Timo auch seine aktuelle Tanguera einfach nur mißbilligend an; sie bewegt sich nicht exakt genug. Da wird es dann für mich als Außenstehenden sehr eng.

Aber bei Timo ist Heilung möglich. Er kann ohne größeren Aufwand das Etikett "Tanguero zum Abgewöhnen" ablegen. Er muß sich nur etwas entspannen und auf die liebevolle Toleranz großartiger Tangueras vertrauen. Sie nehmen ihn, wie alle übrigen Tangueros mit all ihren Macken an. Die Großmutter einer Bekannten sagte immer: "Der Herrgott hat einen großen Zoo". Und im Sinne dieses gelassen weisen Spruchs wird auch Timo eines Tages angenommen und befreit werden.

Ich möchte diesen Beitrag mit einem Augenzwinkern verstanden wissen. Ja, es ist eine Glosse. Sie soll aber keinesfalls verachtend oder vernichtend gemeint sein. So, diesen Beitrag habe ich auf Anregung von dem treuen Kommentator Austin verfasst; schließlich ist man ja sein Lesern etwas schuldig. ;-)
Nun aber ab nach Hause, Raubtier füttern, kochen, essen, duschen und dann zur Milonga. Schönes Wochenende!

20 Anmerkung(en):

Anonym hat gesagt…

sehe ich das jetzt richtig? du hast dir diesen beitrag innerhalb einer guten halben stunde (zwischen deiner antwort auf austin und dem veröffentlichungszeitpunkt) aus den rippen geschnitten?

respekt!

übrigens kenne ich auch einen lokalen timo und du hast recht: die thai-chi tänzer sind selten.

cassiel hat gesagt…

Ich komme gerade von der Milonga. Nein, geneigter Anonym, die Gedanken waren schon vorher da. Um es genau zu sagen: Elbnymphe führte den Begriff des Zen-Tangueros in einem Kontakt ein (den hat sie mir dann "geschenkt"). Ich habe daraus final Timo, den Tai-Chi Tänzer gemacht - der passte mit der Alliteration besser in die Serie. Bei mir ratterte nach ihrer Erwähnung sofort das Kopfkino. Der war vertraut. Formulierungen schreibt man dann mit etwas Übung schneller in die Maschine. Alles halb so wild...

Wie man also sieht: Bloggen ist kein Hexenwerk. ;-)

Jochen Lüders hat gesagt…

> Ich möchte diesen Beitrag mit einem Augenzwinkern verstanden wissen. Ja, es ist eine Glosse.

Echt? Für wie doof hältst du deine Leser eigentlich? Du solltest dich dabei nicht am Niveau von Herrn "Affig" ("telling name"!) orientieren ;-)

> Sie soll aber keinesfalls verachtend oder vernichtend gemeint sein.

Hallo??? Seit wann muss man sich denn schon vorbeugend für Satire bzw. Glossen entschuldigen? Wenn sich jemand durch deinen Artikel schon "vernichtet" fühlt, ist ihm nicht zu helfen. "Political correctness" kann man auch übertreiben.

Übrigens eine gelungene Beschreibung. Ich hatte "Timo" gleich vor meinem geistigen Auge.

Anonym hat gesagt…

@ Cassiel, JochenEnglish: Ein ganz klein wenig geht es mir angesichts der präventive Apologetik ja wie dem guten JochenEnglish. Aber ich anerkenne auch, daß Cassiel versucht, hier ein Wohlfühlklima für Menschen verschiedenster Couleur zu schaffen, genau so, wie es der Tango ja auch tut.

Peter hat gesagt…

hallo cassiel, erschreckend wie treffsicher du die enzelnen typen beschreibt (ich kenne einige vom typ "timo"). was mich allerdings wundert sind die jeweiligen tänzerinnen, die sich wie dressierte zirkuskätzchen vorführen lassen und bei fehelerhafter interpretation der nicht vorhandenen führung (meiner meinung nach ist die jeweilige schrittkombination auswendig gelernt) noch böse blicke von timo ernten.

deshalb folgende bitte an euch mädels ... sagt einfach mal NEIN zu timo und seinen brüdern

Peter

cassiel hat gesagt…

@All

Vielen Dank für die Anmerkungen.

@JochenEnglish

Es ist eine Berufskrankheit unter Bloggern, daß man unglaublich vorsichtig im Formulieren wird. Was man verbal bei sensibelen Menschen anrichtet, daß liest man dann irgendwann in seiner Mailbox und es gibt bestimmt noch eine sehr hohe Dunkelziffer.

@elbnymphe

;-)

@Peter
Vielen Dank für Deine Ergänzung. Darf ich eine Bitte äußern, ohne daß Du mir es übel nimmst? Ja?

Ich möchte hier nie wieder den Begriff "Mädels" lesen. Das finde ich unangemessen.

Vielen Dank!

Anonym hat gesagt…

Mich als Frau stört die Bezeichnung "Mädels" nicht. Wäre aber neugierig, warum du Cassiel es nicht angemessen findest, wo du doch sonst beim Austeilen in deinen Glossen auch nicht zimperlich in der Wortwahl bist? Es scheint wohl für dich persönlich eine besonders negative Bedeutung zu haben, die sich der Allgemeinheit resp. eigentlich mir nicht auf Anhieb erschließt...!? weiblich, 45J.

Lydia hat gesagt…

Das fände ich aber schade ... Ab einem gewissen Alter kann es für eine Frau schmeichelhaft sein, mit "Mädel" angesprochen zu werden. Darf ich dann auch nicht zu Euch "Jungs" sagen? ... Es kommt dabei natürlich auf den Tonfall an ;-)

Jochen Lüders hat gesagt…

> Es ist eine Berufskrankheit unter Bloggern, daß man unglaublich vorsichtig im Formulieren wird.

Ich blogge selber und leide gottseidank noch nicht unter dieser "Krankheit" (siehe z.B. http://www.jochenenglish.de/?p=1319)

> Was man verbal bei sensibelen Menschen anrichtet, daß liest man dann irgendwann in seiner Mailbox

Na und? Bei mir gibt es so eine Taste, auf der steht "Entf" ;-)

Übrigens ist es ja gar nicht so einfach dir eine Mail zu schreiben. Bislang habe ich noch keine Adresse entdecken können. Bin ich blind? Ich sehe kein Impressum, keine "About" Seite oder Ähnliches. Ganz unten steht fuzzelig klein "bitte ich um eine kurze Nachricht per eMail", aber auch da gibt's keinen "mailto" Link.

Also, wie schaffen es all die "verachteten" und "vernichteten" Leute dir eine Mail zu schreiben?

Austin hat gesagt…

Die Frage stellt sich mir auch. Ich sehe nämlich sonst keine Chance, Dir meinen Gastbeitrag zu schicken.

Anonym hat gesagt…

@Austin: unten im Kleingedruckten steht's tatsächlich: Kontakt: "cassiel punkt der punkt echte at gmail punkt com"

Anonym hat gesagt…

@Anonym + Lydia sowie Jochen: Unter Freunden kann man ja gerne seinen Jargon pflegen, aber ich finde, nirgends ist man vielleicht so sehr Frau wie beim Tango. Einander mit "Mädels" oder "Jungs" anzureden, klingt für mich eher nach Beachvolleyballturnier, aber nicht nach Stilettos, Netzstrümpfen und innigen Umarmungen. Das nur von meiner Seite als persönliche Meinung, Andere sehen das sicher anders. :-)

Jochen Lüders hat gesagt…

> unten im Kleingedruckten steht's tatsächlich

Stimmt. Nur was will uns ein Blogger sagen, wenn er diese Information in 6 pt (?) formatiert an dieser Stelle platziert?

B. G. hat gesagt…

@JochenEnglish

Probiers doch mal damit: Die E-Mail-Adresse ist so klein gedruckt, weil Cassiel sowieso schon viele E-Mails erhält. Wer ihn also kontaktieren möchte, der soll bittschön suchen.

Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, dann hat er auf seinen Beitrag zum Sex und zur Erotik im Tango über 60 E-Mails bekommen (ich find die Stelle gerade nicht). Da würde ich die Schriftgröße sogar noch kleiner machen.

Anonym hat gesagt…

B.G.

Das würde ich aber lieber von Cassiel persönlich hören.

Wo steckt der eigentlich?

cassiel hat gesagt…

Komme gerade von einer Milonga. B.G., Du siehst das schon ganz richtig.

Allen Leserinnen und Lesern einen schönen Sonntag und vielen Dank für die Anmerkungen.

Unknown hat gesagt…

Ich habe mit dem Begriff "Mädels" auch kein Problem, wenn er augenzwinkernd in Bezug auf Frauen jenseits der 20 verwendet wird.. ich verwende ihn auch gerne mal für meine Freundinnen und mich und wir sind alle jenseits der 45.

Lydia hat gesagt…

Natürlich sind wir beim Tango in erster Linie Frau, Tanguera auch, Folgende, vielleicht manchmal Führende ... und so vieles mehr. Worum es mir eigentlich ging: Mir ist klar, dass Cassiel seine Worte mit Bedacht wählt, deshalb erfüllt mich ja die Lektüre seiner Betrachtungen immer wieder mit Genuss. An den Kommentaren gefällt mir wiederum die Vielfalt und Individualität der Stile. Deshalb fände ich es schade, wenn hier nicht mehr jeder die ihm eigene Sprache sprechen darf. Wenn Cassiel sagt, dass ihm der eine oder andere Ausdruck nicht gefällt, ist das eine Sache. Aber ihn gleich zu verbieten, geht mir dann doch einen Tacken zu weit. Sicher hat Cassiel das Hausrecht und bestimmt damit die Regeln, nach denen hier diskutiert wird. Wenn uns jetzt allerdings - überspitzt formuliert - schon die Wortwahl vorgeschrieben wird, weiß ich nicht, ob ich noch Lust habe, mich hier weiter zu äußern.

cassiel hat gesagt…

@Lydia

Vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich gebe zu, ich habe sehr pointiert und knapp geschrieben, daß ich den Begriff "Mädels" hier nicht lesen möchte. Ganz klar, wenn eine Frau sagt, sie gehe mit ihren "Mädels" abends in die Kneipe o.ä., dann ist das vollkommen in Ordnung.

Wenn ein Mann den Begriff "Mädels" benutzt, dann ist das für mich ein inadäquater Diminutiv.

Vielleicht versuche ich die Näherung auf einem anderen Weg. Carlos Gavito sagte in einem Interview:

I say that any man who dances tango and doesn’t look at the woman as a queen, will never be a king. For me it’s all about respect for the woman. 

In Verbindung mit dem geflügelten Wort von Schopenhauer: Stil ist die Physiognomie des Geistes, möchte ich einem inadäquaten Sprachgebrauch nicht den Weg ebnen.

So will ich meine Intervention verstanden wissen.

Lydia hat gesagt…

So ungefähr hatte ich mir Deine Beweggründe auch vorgestellt - wenn auch nicht so wunderschön ausgedrückt wie jetzt von Dir. Ich konnte es bloß nicht so ganz mit der Toleranz in Einklang bringen, die ich an Dir kennen und schätzen gelernt habe.