Samstag, 7. November 2009

Die Tangofahrgemeinschaft

Heute gibt es ein paar Gedanken zu einem vergleichsweise unspektakulären Thema: Die Tango-Fahrgemeischaft bzw. die Tango-MFG. Eine wunderbare Einrichtung! Lebt man in einer Region mit einer sehr überschaubaren Tangoszene, so findet man sich entweder damit ab, oder man schließt sich zu Fahrgemeinschaften zusammen und fährt mal eben eine Stunde oder länger zur nächsten größeren Milonga.

Ich finde solche Ausflüge immer sehr angenehm und bereichernd. Fährt man in einer Gruppe zu einer anderen (fremden) Milonga, so ist es für mich selbstverständlich, daß man ein wenig darauf achtet, daß sich alle wohl und sicher fühlen. Dazu gehört eben ein passendes Musikprogramm für das Autoradio. Ein paar Decken sind sicherlich auch nicht verkehrt, wenn in der kühleren Jahreszeit jemand während der Rückfahrt schlafen möchte. Und im Tangokontext gehen die Gesprächsthemen während der Fahrt sicherlich nicht zur Neige.

Angekommen bei der Milonga gibt es zumindest für mich dier Regel der ersten Tänze mit den Tangueras der Fahrgemeinschaft. Das nimmt die Scheu und ein gutes Ankommen in der fremden Szene ist sichergestellt (die letzten Tangos gehören für mein Empfinden ebenso dazu - da bin ich aber tiefen-entspannt; tanzt eine Tanguera aus der Gruppe versunken mit einem ortsansässigen Tanguero, dann freue ich mich für sie). Für die Tangueros der Gruppe gilt, das sie in regelmäßigen Abständen einmal nach den Tangueras sehen sollten. Es ist wie beim Autofahren, mein Fahrlehrer hatte mir damals beigebracht, daß ich zu jedem Zeitpunkt die Farbe des Fahrzeugs hinter mir im Gedächtnis haben sollte. Ähnliches gilt für Milongas in anderen Städten. Die Tangueros der Gruppe sollten immer wissen, mit wem die Tangueras gerade tanzen (ohne hinzuschauen) - das ist für mich kein Behüten sondern eher ein Akt der Aufmerksamkeit den Damen gegenüber. Hat eine Tanguera der Gruppe einen etwas hartnäckigen Verehrer, so gibt es die Möglichkeit zur Intervention. Ich sage während der Hinfahrt zu Tangueras, die erstmalig auf eine fremde Milonga fahren, daß sie nur die rechte Augenbraue hochziehen müssen und ich fordere sie auf - eine kleine Versicherung. Das gehört für mich zu einer solchen Fahrgemeinschaft dazu.

Ein kritischer Punkt ist die Frage nach dem Zeitpunkt der Heimreise. Da gilt es, vorher klar zu vereinbaren, wann man die Milonga verlässt. Wenn es einem Mitglied der Tango-Fahrgemeinschaft nicht gut geht, dann kann man ja auch flexibel und spontan die ursprünglichen Absprachen ändern. Die Fahrtkosten kann man sich einvernehmlich teilen, oder das nächste Mal fährt ein anderes Mitglied der Gruppe.

Es fehlt eigentlich nur noch der Hinweis auf die Kekse und das Wasser für die Heimreise. Tanzen macht hungrig und so sollten einige Kekse (ich hatte schon eine wilde Prinzenrolle-Phase) als Bordverpflegung vorrätig sein. Wasser oder Limo hat auch noch nie geschadet.

Die Mühe der An- und Abreise wird aufgewogen durch lustige, ernste und nachdenkliche Gespräche während der Fahrt. Wer es noch nie probiert hat, dem empfehle ich ausdrücklich einen Versuch.

5 Anmerkung(en):

La Perla hat gesagt…

Lieber Cassiel, folge diesem link http://www.dioezese-linz.at/redsys/data/kfb/Frauen_im_Bus.JPG und stelle Dir als Bildunterschrift "MFG-Tango mit Cassiel" vor :)))))

La Perla

Anonym hat gesagt…

War das jetzt die versprochene Glosse?

cassiel hat gesagt…

@La Perla

;-)

Nein, bei mir sind dann doch die Fenster geschlossen. :-)))

@Anonym

Es ist nicht die versprochene Glosse (sonst wäre der Beitrag natürlich auch in der Rubrik Glosse erschienen). Dieser Beitrag war auf meiner Liste der Themen und ich hatte anlässlich des Innsbruck-Trips vor Wochen angekündigt, darüber schreiben zu wollen.

Glossen schreibe ich eigentlich nur als Ventil wenn ich mich aufrege. So sind beispielsweise die Beiträge über Edgar und Co oder über Ewald entstanden. Gestern konnte ich mich höchstens über mich selbst aufregen. Ich habe getanzt wie der erste Mensch - irgendwie habe ich nicht aus meinem Alltag in die Milonga gefunden. Über mich selbst kann ich aber wohl kaun eine Glosse schreiben. Das darf dann schon jemand anderes tun.

Viele Artikel entstehen hier nach dem Prinzip des allmählichen Verfertigens der Gedanken beim Reden bzw. Schreiben (Generationen von Gymnasialschüler wurden mit diesem Aufsatz von Heinrich von Kleist aus dem Jahre 1805 an theoretische Texte herangeführt - bei mir war das wohl in der 9. Klasse unmittelbar nach dem zerbrochenen Krug). So entstehen hier viele Beiträge. Eine Glosse funktioniert anders. Da muß ich drei oder vier lustige, eigenwillige oder schräge Gedanken, ein paar griffige Formulierungen haben, dann geht das. Und eine Glosse schreibe ich in ein paar Minuten. Beiträge reifen langsamer.

Für die nächste Glosse bitte ich weiterhin um etwas Geduld.

Lydia hat gesagt…

Lieber Cassiel, das glaube ich Dir nicht, dass Du keine Glosse über Dich selbst schreiben kannst. Zwar habe ich nicht sehr viel Erfahrung mit Glossen, aber ich schreibe gern Satiren, und in beiden Textformen werden ja die Protagonisten in karikierter Form gezeigt. Schon oft habe ich so meine lieben Mitmenschen karikiert, um später mit einigem Abstand feststellen zu müssen, dass in diesen Karikaturen sehr viel mehr von mir selbst zu finden ist, als von meinem ursprünglichen Modell. Deshalb glaube ich zu ahnen, dass irgendwo in den tiefsten Abgründen Deiner Seele ein kleiner Edgar-Dieter-Undsoweiter eingesperrt ist ;-) ... Zumindest würde das den Spiegelgesetzen entsprechen, die Du vor einiger Zeit zitiert hast (weiß leider nicht, wie ich die hier verlinke). Als ich zum ersten Mal von ihnen gehört habe, hat mich das auch wütend gemacht. Heute bin ich sicher, dass diese Wut schon zeigte, wie viel das mit mir zu tun hat. Wobei es sehr schwierig ist, das bei sich selber zu erkennen. Am ehesten noch im Rückblick: Es fällt mir noch heute schwer, nein zu sagen, aber früher, in meiner Teenager- und Studentenzeit, lag das überhaupt nicht im Bereich meiner Reaktionsmöglichkeiten. Ganz im Gegensatz zu einer meiner besten Freundinnen. Wie ich sie gehasst habe jedes Mal, wenn sie eine meiner Bitten (meist ganz banale Kleinigkeiten) mit einem klaren Nein abgeschmettert hat! Einfach so. Ohne Rechtfertigung. Heute ist mir klar: Ich beneidete sie! Einfach nein sagen. Das hätte ich mir nie erlaubt, damals. Und seit ich es etwas besser kann, kann ich auch meine Freundin viel gelassener sehen.

Tja, jetzt bin ich weit abgeschweift vom ursprünglichen Thema. Das liegt wohl daran, dass Deine Tangoplauderei mich wirklich inspiriert. Ich hätte mich sicher schon öfter zu Wort gemeldet, aber ich bin einfach zu langsam für hier. Bis meine Gedanken zu einem Thema halbwegs ausgegoren sind, ist es schon wieder längst passé ... Aber ich lese auch gerne still mit.

cassiel hat gesagt…

@Lydia

So schön und ausführlich hast Du geschrieben. Vielen Dank! Nein, ich kann wirklich keine Glosse über mich schreiben; ich habe zu wenig Abstand. Womit Du sicherlich Recht hast: Meine Glossen haben immer etwas mit mir zu tun. Ich bin zwar sicherlich kein ehrgeiziger Hilfslehrer, kein distanzloser Aufdringling oder gar ein Grobmotoriker. Die schmerzbefreite Leichtigkeit dieser Zeitgenossen macht mich allerdings manchmal neidisch. So ab und an lebe ich mich schon sehr hart. Das ist die Kehrseite der Medaille. Ich sehe vielleicht manchmal Dinge anders. Dafür denke ich wahrscheinlich zu viel.