Dienstag, 3. März 2009

Über das DJ-ing auf Milongas

Ein weites Feld, ich weiß, aber ich sollte vielleicht auch mal ein paar Gedanken ausformulieren. Ich habe jetzt ein wenig Milonga-Erfahrung und ich habe vermutlich genügend verschiedene DJs erlebt. In meinem CD Regal nehmen die Tango CDs inzwischen gut einen Meter Platz in Anspruch und jetzt traue ich mich, meine Gedanken zu diesem Thema einmal zu artikulieren.

Die Klassiker vs. neuere Titel
Da kann man nun wirklich verschiedener Meinung sein. Nicht wenige lehnen die historischen Aufnahmen aus dem goldenen Zeitalter ab. Sie seien technisch eben zu sehr beschränkt. Andere halten diese Musikstücke hoch wie eine Reliquie und verehren sie entsprechend. Beide Standpunkte kann ich nicht teilen.

Immer die gleichen Titel?
Ein (wie ich finde) ganz wichtiger Punkt! Ich tanze nun schon einige Jahre Tango und mittlerweile haben sich einige Titel bei mir derartig abgenudelt, weil sie zu häufig gespielt wurden. Ich kann sie nicht mehr hören! Dazu gehören u.a. die Evergreens von Kevin Johansen (Sur o no Sur, Timing), Alexio Haris mit dem "To Tango the Nephelis". Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Schade! Das wäre vermeidbar gewesen.

Non-Tangos?
Mit den Non-Tangos verhält es sich meines Erachtens wie mit dem Salz in der Suppe. Ohne sie wäre es öde und langweilig. Aber Vorsicht! Zuviel des Guten und es wird ungenießbar. Sparsam eingesetzt (an der richtigen Stelle) sind sie für meine Begriffe das I-Tüpfelchen einer Milonga.

Tandastruktur?
Hmmm... ich glaube, ich bin altmodisch. Für mich ist eine klare Tandastruktur an einem Tangoabend eine Frage der Höflichkeit gegenüber den Gästen (insbesondere den Gästen gegenüber, die noch ein wenig unsicher im Tango sind). Drei oder vier Stücke mit ähnlichem Charakter erleichtern gerade Anfängern den Schritt auf die Tanzfläche. Die Musik wird berechenbar. Den Fortgeschrittenen ermöglichen sie ungetrübte Tanzfreude. Die Tandastruktur wurde nicht ohne Grund erfunden (na ja, die Wahrheit ist wohl, daß in den Anfängen des Tangos - damals gab es noch dramatischen Männerüberschuß - die Einwanderer für eine Tanda zahlten; so habe ich es jedenfalls irgendwo gelesen). Ich mag Rituale und Institutionen deshalb bevorzuge ich eine klare Tandastruktur.

Cortina?
Nach einer Tanda wird auf sehr formalen Milongas ein absolut untanzbares Stück kurz angespielt. Es läuft so lange, bis die Tanzfläche leer ist. Diese Cortina (Vorhang) unterbricht natürlich die Paare in ihrem Tanzfluß, die länger als eine Tanda miteinander tanzen wollen. Auf der anderen Seite wird durch diese Einrichtung auch ein wenig nachgeholfen, daß alle einmal zum Tanzen kommen. In der Frage bin ich nicht festgelegt. Ich kann sehr gut mit- aber auch sehr gut ohne eine Cortina leben.

Die besondere Rolle von La Cumparsita
Es gibt das ungeschriebene Gesetz, daß eine Milonga mit La Cumparsita beendet wird (ähnlich wie das ungeschriebene Gesetz, daß ein Stück von Carlos Gardel nie auf einer Milonga zum Tanz gespielt wird). Auch an dieser Tradition sollte - wie ich meine - festgehalten werden. Wenn schon der Anspruch erhoben wird, daß Tangueras und Tangueros überall auf der Welt auf eine Milonga gehen können, so kann man auch in dieser Frage sich getrost an die Konventionen halten.

So! Das mag reichen. Ich werde demnächst mal ein Experiment wagen und selbst auflegen. Als Student habe ich auf Studenten-Parties aufgelegt, ich habe in meiner Jugend zwei Instrumente gespielt und ich beschäftige mich seit Jahren intensiv mit Tangomusik. Mehr Referenzen kann ich nicht mitbringen. Mal sehen, ob es glückt. Ich habe 35 Tandas vorbereitet. Das sind bei äußerst zurüchaltender Schätzung (eine Tanda mit ungefähr 10 Minuten angesetzt) knapp sechs Stunden Tangomusik. Ich bin gespannt!

2 Anmerkung(en):

Anonym hat gesagt…

... worüber man sich so seine Gedanken machen kann... erstaunlich!

Anonym hat gesagt…

Ich bin ein bischen anderer Meinung -- und du wahrscheinlich inzwischen auch schon, da der Beitrag von 2009 ist ;-). Non-Tango Musik wuerde ich grundsaetzlich nicht auflegen, wenn ich mal eines Tages DJ waere; Cortinas aber auf jeden Fall. Und ich habe sehr oft in Buenos Aires zu Stuecken von Canaro mit der Stimme von Gardel getanzt, warum auch nicht? Von einem etwaigen Gardel-Verbot habe ich persoenlich noch nie 'was gehoert. Bei La Cumparsita bin ich weniger traditionel. Ich mag diese Stueck eigentlich nicht sehr. Ich denke man koennte einfach ein anderes auswaehlen und immer am Schluss spielen (ich schlage mal Buscandote vor). Mit der Zeit waere dieser Tango dein persoenlicher Cumparsita. Waere vielleicht eines Versuchs wert.