Sonntag, 15. März 2009

Den Tango lernen - einmal als Weg betrachet

In letzter Zeit beobachte ich einen seltsam zufälligen Themen-Cluster in meinen Gesprächen über den Tango. Heute muß ich das hier einmal thematisieren.

Es geht um die Frage der Geschwindigkeit beim Erlernen des Tangos. Da sind mir die abenteuerlichsten Vorstellungen begegnet und ich muß gestehen, ich bin ein wenig verunsichert.

Natürlich nutze ich (wenn ich die Zeit habe - und gerade nehme ich mir auch sehr bewußt die Zeit) gerne die Kurse. Es macht zufrieden, wenn man neue Figuren und Schrittkombinationen ausprobieren kann. Etwas befremdlich wirkt es, wenn ich dann auf Tangueras und Tangueros treffe, die mit einem (fast fanatischem) Fleiß neue Elemente lernen und diese dann sehr ehrgeizig auf den Milongas versuchen. Da habe ich meine argen Zweifel.

Mir fällt da die Geschichte von dem Indianer ein, der zum ersten Mal mit der Eisenbahn gefahren ist. Er setzte sich am Zielbahnhof still hin und verharrte einige Stunden. Gefragt, was das solle, erklärte er, sein Körper wäre zu schnell gereist, er müsse jetzt warten, bis seine Seele angekommen sei. Das klingt im erstem Moment vermutlich ein wenig putzig und pathetisch - aber ich denke, es verhält sich mit dem Tango ähnlich.

Nicht umsonst wird die Einstufung bei Festivals häufig in Jahren an Tanzerfahrung gemessen. Das wird seinen Grund haben! Mir persönlich ist es wichtiger, die Musik zu respektieren, als die gewagten Schrittkombinationen immer wieder halbherzig zu probieren. Es ist (für mein Empfinden) nicht besonders schön anzuschauen, wenn ein Paar beispielsweise eine Volcada mehr stolpert als tanzt. Ich verzichte auf solche Versuche bei einer Milonga.

Natürlich setze ich mich der Gefahr aus, daß mein Tanz als monoton und langweilig eingestuft wird. Damit kann ich aber leben.

So! Das war es für heute... Gerne lese ich Ergänzungen, Anmerkungen und andere Meinungen in Kommentaren.

5 Anmerkung(en):

Anonym hat gesagt…

vielleicht ist es auch einfach die Sucht, die einige "Ehrgeizige" antreibt. Die Sucht, sich mit möglichst vielen Tänzern wohl fühlen zu wollen, ihnen gewachsen sein zu wollen, sich auf ihre Kommunikation im Tanz einlassen zu können, die Angebote als Frau wahrnehmen zu können - oder überhaupt erstmal zu erkennen...

ich gehöre sicher auch zu denen, die Du bei näherer Betrachtung als ehrgeizig bezeichnen würdest. Ja, bin ich manchmal. Und zwar genau deshalb, weil ich mich beim Tanzen entspannen können möchte, genießen können möchte. Und fast alle Herren sind mir um ein Vielfaches voraus. DA kann ich mich nicht entspannen. Ich möchte mit ihnen in einen Dialog treten können. Und ich genieße es, wenn ich mit ihnen kommunizieren kann. Nur durch den Körper, das Miteinander beim TAnzen. Heute war ich im 100 km entfernten Tango-Eldorado und habe einen 3-stdigen Kurs besucht. Es war eine Offenbahrung. alles Dinge, die ich schon oft gesehen und bewundert hatte, vielfach selbst versucht hatte, und mich bemüht habe bei Herren irgendwie hinterher zu kommen. Und mit ganz einfachen Regeln/Anweisungen habe ich mir heute Ganchos u Saccadas innen und außen und in Kombi regelrecht erschlossen. Es hatte gar nicht viel gefehlt. Ein Traum. Am Ende konnte ich die Augen schließen, mich von meinem Tanzpartner führen lassen und einfach nur noch genießen, abschalten u verblüffenderweise alles neu gelernte mit ihm "einfach so" auch tatsächlich tanzen. Es hatte KLICK gemacht. Das ist eigentlich kein Ehrgeiz, das ist ein Stück näher zum Tangohimmel rücken...

Thomas hat gesagt…

Über den Querverweis eines Querverweises eines aktuellen Beitrags in diesem Bloggeäst bin ich hierher gekommen.

Tango als Weg - ein interessanter Gedanke.
Ja, wenn ich mich in einem völlig überflüssigen Workshop wiederfinde (was zum Glück kaum noch vorkommt), dann nehme ich diese Zeit um in der geforderten Form Atemübungen zu machen, mich auf Haltungskorrekturen zu konzentrieren u.ä. Ich kann mir nicht vorstellen, damit mal aufzuhören.
Ein Teil von Tango ist Beziehung und Kontakt. Ob man's mag oder nicht, man muss auf jeden Fall dazu Stellung beziehen, sich für eine Haltung entscheiden. Für mich ist es spannend, in immer kürzerer Zeit meine Haltung klarzustellen und wahrzunehmen und auch die Bereitschaft der Partnerin einzuschätzen. Brauchte ich früher oft einen ganzen Tanz, reicht heute oft ein Atemzug, und es geht sicher kürzer.

Was die Geschwindigkeit beim Tangolernen angeht, hier gibt es viele Missverständnisse.
Ein Tangokurs oder -workshop ist in der Regel kein Unterricht sondern ein Lehrgang oder eine Schulung. "Wir schulen Sie heute in Grundlagen und Anwendung der Volcada" müsste es heißen, klingt aber nicht so sexy, also nennt man's mit eingeführten Bezeichnungen.
Tango lernen ist in meinen Augen wie Instrument lernen. Ein Kind oder Jugendlicher kann nach ein oder zwei Jahren natürlich schon beim jährlichen Vorspiel etwas darbieten, ein paar Jahre braucht es aber schon, um gewisse Grundkenntnisse zu haben. Und jahrelang geht der Unterricht immer mit den Fingerübungen oder Etuden los.
Irgendwann gibt es keinen adäquaten Lehrer mehr in der Stadt, und dann fährt man hunderte km, um eine Stunde zu nehmen.
Das ist ein Weg, an den ich mich gerne erinnere. So bin ich 1-3 mal im Jahr eine Tagesreise lang unterwegs zu denen, die ich als meine Tangolehrer akteptiere. Die in Körper und Sprache mir Wissen und Inhalte vermitteln können; die mich für Wahrnehmungen öffnen, die lange anhalten; die als gute Lehrer wissen, wo sie loben, wo sie fordern. Es gibt viele von denen, aber nicht jeder Lehrer passt zu jedem Lernenden. Von einer Unterrichtsstunde zehre ich monatelang und dies mit dem Erfolg der Weiterentwicklung meiner Tanzkenntnisse.
Ja, ein schöner Gedanke, Tango als Weg. Natürlich gibt es auch Tango-fastfood. Befreundete Lehrer der heimischen Szene klagen mir manchmal, dass ihre Schüler gar nicht richtig tanzen lernen wollen. Sie wollen Heissa-hossassa-Figuren, nett und witzig verpackt, und können nicht einmal richtig stehen. Trotzdem, diese Workshops sind voll, gut gebucht. Wenn sie Grundlagen-kurse anbieten, ist das Interesse minimal. Frustrierend.

@Raxie: Ehrgeiz, soi wie du es schreibst, ist eher von Angst, als von Sucht getrieben. Es geht nicht darum, anderen hinterherzuhecheln. Da signalier(te)st du Unzufriedenheit, das spürt man als Führender. Eine Tänzerin, die technisch bescheiden mir mit jeder Zelle signalisiert, wie wohl sie sich bei mir fühlt, lasse ich gewiss nicht so schnell los, wie eine, die brav alles mitmacht, was ich anstoße.
Und: Lass dich nicht von tangueros, die dir "voraus sind" blenden. Ein guter Tänzer stellt sich sowieso auf dein Können ein, er soll dich ja gut aussehen lassen, und wenn's "nur" mit gehen ist.
Grüße
Thomas

cassiel hat gesagt…

@Thomas

Vielen Dank für Deinen Beitrag. Es hat mich sehr gefreut, daß ein Artikel nach fast neun Monaten noch eine Kommentierung erfahren hat.

Anonym hat gesagt…

Sehr verspätet einen Satz aus einer uralten Reitlehre : " Der durchschnittlich begabte, sportliche junge Rekrut braucht bei täglichem training 2 Jahre bis er merkt dass er NICHT reiten kann."
Beim Tango?
Gruss Kerstin

cassiel hat gesagt…

Hallo Kerstin,

auch wenn Dein Kommentar sehr spät kommt, ich finde das Zitat sehr treffend. Vielen Dank!